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Bruder Leichtfuß – Test: BMW M 1000 XR

Auch für das XR-Modell hat BMW in diesem Jahr die M-Version gebracht. Sie strebt nach Perfektion – und das hat seinen Preis.

SP-X/Köln. Die Motorradindustrie ist seit jeher bestrebt, die Grenzen des Möglichen zu erweitern. Vor 20 Jahren wären 200 PS in einem Serienbike noch undenkbar gewesen; mittlerweile ist es das neue Normal – zumindest für große Tourer und Rennmaschinen der gehobenen Preisklasse. Wir sprechen hier über 25.000 Euro aufwärts. Mit der M 1000 XR gibt es nun ein weiteres Modell, dass die 200-PS-Marke überschreitet, was daran liegt, dass sie den Schaltnockenmotor aus der S 1000 RR eingepflanzt bekam.

In der XR leistet er 201 PS (RR: 209), wurde also ein wenig gestutzt, er liegt aber immer noch 31 PS über der Leistung der S-XR. Zudem wurde die Übersetzung für besseren Antritt verändert – mit einem Kettenrad mit 47 statt 45 Zähnen. Und das Getriebe ist im vierten, fünften und sechsten Gang kürzer übersetzt.

Entsprechend willig dreht der Motor schon auf den ersten Metern hoch, atmet bei 6.000 Touren nochmal durch, um dann seine lineare Power brachial auf die Bahn zu bringen. Ruckzuck ist die Marke von 200 km/h überschritten, und das Gehirn hat Mühe, die Umgebung noch realitätsgetreu einzufangen. Im normalen Straßenverkehr kann man so viel Power kaum ausfahren, insbesondere auf Landstraßen sollte man den Tacho stets im Blick behalten, wenn einem die Fahrerlaubnis lieb ist.

Zumal der Schaltassistent seine Sache so gut macht, dass man ihn nicht missen möchte, so soft steppt man die sechs Gänge hoch und wieder runter, den Übergang vom ersten auf den zweiten Gang eingeschlossen. Eingefangen werden die 223 Kilo Fahrgewicht der M-XR von erstklassigen Nissin-Bremsen, die sich lockerleicht mit einem Finger bedienen lassen und die sich stets standhaft zeigten. Für einen echten Test der Stopper muss man aber die Rennstrecke konsultieren, aber wir tippen mal, dass sie auch dort ihrer Arbeit zuverlässig nachkommen.

In Zahlen heißt das: Den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h schafft sie in 3,2 Sekunden, für den Zwischenspurt von 60 auf 100 km/h (im 6. Gang!) gibt BMW 3,3 Sekunden an, von Tempo 140 auf 180 reichen 3,2 Sekunden.

Hier deutet sich an, dass die M-XR die Rennstrecke im Fokus hat und weniger die entspannte Tour durchs Land. Dazu passt, dass es keine Koffer und kein Topcase im Angebot gibt; lediglich kleine Seitentaschen mit je acht Litern Stauraum werden offeriert. Auch gibt es keinen adaptiven Tempomaten, der derzeit in die großen Tourer Einzug hält, dafür aber viele andere elektronische Helferlein.

So etwa „Engine Brake“ mit dreifacher Einstellbarkeit des Motorschleppmoments im Modus „Race Pro“, „Brake Slide Assist“ zur Unterstützung des Fahrers bei Anbremsdrifts auf dem Circuit, die Fahrmodi „Rain“, „Road“, „Dynamic“, „Race“ und „Race Pro1-3“ sowie die neueste Generation der Dynamischen Traktionskontrolle DTC mit Wheelie-Funktion und 6-Achsen-Sensorbox. Zudem gibt es eine dreifache Einstellbarkeit des Motorschleppmoments.

Dass die Front der M-XR wuchtiger wirkt als bei der S-XR liegt an den Winglets, die den Anpressdruck auf das Vorderrad erhöhen, und die bei der potenziellen Performance durchaus angebracht erscheinen. Der Fahrersitz ist gut gepolstert, und man kann ihn 2 Zentimeter höher oder tiefer ordern. Der Lenker ist breit und die Armaturen, die man ja von anderen Modellen kennt, gut ablesbar und deren Informationsgehalt üppig.

Was uns aber am meisten begeistert hat ist die unfassbare Leichtfüßigkeit der M XR. Sie folgt den Linien messerscharf, lässt sich wunderbar in der Spur halten, erlaubt späte Korrekturen und vermittelt eine ungemeine Sicherheit. Selbst in tiefsten Schräglagen kommen keine Zweifel am Potenzial der BMW auf. Wer die Grenzen austesten will, muss – wir wiederholen uns – auf die Renne gehen.

Möglich macht die Leichtigkeit des Fahrens vor allem das „M Competition Paket“ für 5.090 Euro, zu dem unter anderem die federleichten Karbonfelgen zählen. Als ungefederte Massen haben sie großen Einfluss auf das vorzügliche Fahrverhalten.

Zu meckern gibt es wenig. Wir störten uns an den vibrierenden Lenkerendenspiegeln, deren Sicht zwar keine Unterarme blockieren, die aber den feinen Vibrationen des Motors Tribut zollen und verzerren. Und nicht jedermanns Sache ist das Keyless Ride; immerhin kann man den Schlüssel in einem kleinen Fach auf dem Tank ablegen.

Günstig ist so viel Performance natürlich nicht. Auf den Basispreis von 25.900 Euro addiert sich das genannte Competition Paket, so dass unter dem Strich rund 31.000 Euro stehen.

Fazit: Die M 1000 XR legt die Latte in diesem Segment hoch. Sehr hoch. Wer die sportlichen Attribute der XR schätzt, dürfte an der M kaum vorbeikommen, muss dann aber sein Sparschwein schlachten. Wer lieber tourt ist mit der S besser bedient.

BMW M 1000 XR – Technische Daten:

Motor: Vierzylinder-Reihenmotor, 999 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, 148 kW/201 PS bei 12.750 U/min., 113 Nm bei 11.000 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette.

Fahrwerk: Aluminiumverbund-Brückenrahmen, Motor mittragend; USD-Telegabel ø 4,5 cm vorne, voll einstellbar, 13,8 cm Federweg; Aluminium-Unterzug-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein, voll einstellbar, 13,8 cm Federweg; Alu-Schmiederäder (a.W. Karbonräder); Reifen 120/70 ZR 17 (vorne) und 200/55 ZR 17 (hinten). 320 mm Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Radialsätteln vorne, 260,5 mm Einscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsattel hinten.

Assistenzsysteme: Vier Fahrmodi (Rain, Road, Dynamic, Race inkl. Race Pro 1-3), schräglagenoptimiertes Zweikreis-ABS (teilintegral), Traktionskontrolle, einstellbare Wheelie-Kontrolle, Launch-Kontrolle, Berganfahrhilfe, spezieller Regen-Bremsmodus, Brake-Slide-Assist, Dynamische Dämpfungsanpassung DDC, adapt. Kurvenlicht.

Maße und Gewichte: Radstand 1,548 m, Sitzhöhe 84,0 cm, Gewicht fahrfertig 223 kg, Zuladung 227 kg; Tankinhalt 20 Liter.

Fahrleistungen: 0-100 km/h ca. 3,2 s, Höchstgeschwindigkeit über 275 km/h, Normverbrauch lt. WMTC-Norm (EU 5) 6,5 l/100 km, Testverbrauch 6,7 l/100 km.

Preis: ab 25.900 Euro, Testmotorrad: 31.000 Euro.

Hans Mag/SP-X

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