Starker Strom – Can-Am Pulse und Origin

Von Thilo Kozik, SP-X
Can-Am kann auch Elektromotorräder
Can-Am kann auch Elektromotorräder Foto: BRP

Can-Am kann auch Elektromotorräder. Gleich zwei davon bringen die Kanadier im nächsten Jahr auf den Markt. Wir konnten beide fahren.

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SP-X/Austin. Frischer Wind fürs Segment der Elektromotorräder: Das kanadische Powersports-Schwergewicht BRP zeigt mit den Erstlingen Pulse und Origin seiner Marke Can-Am, was mit cleveren Lösungen aktuell möglich ist – und was nicht. Damit begeben sich die Kanadier auf verschlungenen Pfaden in die eigene Geschichte, denn Can-Am produzierte schon 1972 sein erstes Geländemotorrad. Heute stehen die hochmodernen Urenkel vor der Markteinführung Anfang 2025 zu Preisen um 17.000 Euro, beide auf der gleichen Antriebsbasis. Und die hat es in sich: Den Akku, eine 8,9 kWh starke Li-Ionen-Einheit, haben die Spezialisten am Firmensitz in Valcourt/Quebec zusammen mit der Steuerungs- und Ladeelektronik selbst entwickelt, dort wird sie auch produziert. Den E-Motor liefert die österreichische Tochterfirma Rotax zu, die Montage erfolgt auf einer neuen Linie im eigenen BRP-Werk in Queretaró/Mexiko.

Can-Am kann auch Elektromotorräder
Can-Am kann auch Elektromotorräder
Foto: BRP

Als Endantrieb kommt eine gekapselte Kette mit automatischem Spanner zum Einsatz, wie sie BRP seit Jahren für seine Snowmobile und Quads verwendet. Unterschiedliche Fahrwerkskomponenten und Verkleidungsteile samt entsprechender Elektronik realisieren die beiden Fahrzeugkonzepte: Die Origin reüssiert als Allzweck-Enduro mit Stadt-Land-Fluss-Einsatzprofil, die Pure kommt mit straßenorientiertem Siebzehnzoll-Fahrwerk und praktischem Handschuhfach als Roadster fürs urbane Umfeld.

Das kanadische Powersports-Schwergewicht BRP zeigt mit den Erstlingen Pulse und Origin seiner Marke Can-Am, was mit clev
Das kanadische Powersports-Schwergewicht BRP zeigt mit den Erstlingen Pulse und Origin seiner Marke Can-Am, was mit cleveren Lösungen aktuell möglich ist
Foto: BRP

Hier ergibt sich in 78 Zentimeter Sitzhöhe dank schmaler Taille eine angenehme Erdverbundenheit, der auch Großgewachsene etwas abgewinnen können. Nach einer komplizierten Startprozedur setzt sich das Pulse mit typischem Elektrosurren in Bewegung, allerdings deutlich gedämpft. Ohne Getriebe und Kupplung prescht das Can-Am-Vehikel nahtlos und vehement voran, die versprochenen 3,8 Sekunden von 0 auf 100 nimmt man ihm ab. Der Biss lässt sich über die Fahrmodi in drei Stufen festlegen; wer’s kann, findet in jedem Modus die Gelegenheit zum Wheelie.

Can-Am produzierte schon 1972 sein erstes Geländemotorrad
Can-Am produzierte schon 1972 sein erstes Geländemotorrad
Foto: BRP

Neben der offenen Leistung von 35 kW/48 PS gibt’s Pulse wie Origin natürlich auch als 11-kW-Version, passend für B196- und A1-Aspiranten. Infolge der speziellen Elektro-Homologation ist der Unterschied zu vernachlässigen, denn die auf dem Papier leistungsreduzierte Pulse schafft wie die offene Version stattliche 129 km/h – von solchen Höchsttempi und Beschleunigungen können verbrennende 125er nur träumen.

Den Akku, eine 8,9 kWh starke Li-Ionen-Einheit, haben die Spezialisten am Firmensitz in Valcourt/Quebec zusammen mit der
Den Akku, eine 8,9 kWh starke Li-Ionen-Einheit, haben die Spezialisten am Firmensitz in Valcourt/Quebec zusammen mit der Steuerungs- und Ladeelektronik selbst entwickelt
Foto: BRP

Als weiteren Clou lässt sich die Motorbremse auf zwei Arten einsetzen. Einmal im Schiebebetrieb als dreistufige passive Regeneration und als aktives System, das als umgekehrter Gasgriff funktioniert: Wird der Griff nach vorn gedreht, arbeitet der E-Motor entsprechend dem Winkel gegen die Vorwärtsbewegung und lädt die Batterie wie eine Lichtmaschine. Virtuos bedient, wird die normale Bremse in der stärksten der drei Stufen nur noch in Ausnahmesituationen benötigt.

Heute stehen die hochmodernen Urenkel vor der Markteinführung Anfang 2025 zu Preisen um 17.000 Euro, beide auf der gleic
Heute stehen die hochmodernen Urenkel vor der Markteinführung Anfang 2025 zu Preisen um 17.000 Euro, beide auf der gleichen Antriebsbasis
Foto: BRP

Je intensiver die Nutzung, desto größer die Reichweite – Can-Am gibt für den wenig praxisgerechten WMTC-Zyklus 115 Kilometer an. Beim Fahrtest in Austin/Texas sind kurz vor der Mittagspause nach knapp 100 Kilometern laut Anzeige noch rund 30 Kilometer drin. Anschließend füllt eine mobile Ladestation die Akkus vor Ort erneut. In Europa übrigens per Meneks Typ2-Stecker an Ladesäulen, der die Batterie in 50 Minuten von 20 auf 80 Prozent laden soll. Mithin eignen sich Origin und Pulse bestens fürs tägliche Pendeln und das kleine Wochenendabenteuer, die große Reise ist eher nicht drin.

Den E-Motor liefert die österreichische Tochterfirma Rotax zu
Den E-Motor liefert die österreichische Tochterfirma Rotax zu
Foto: BRP

Großer Fahrspaß hingegen schon, denn die Pulse bereitet nicht nur mit ihrem formidablen Elektroantrieb Freude. Sehr folgsam und angenehm mühelos turnt sie erfrischend durch die kleineren Kurven und zieht vertrauenerweckend sicher ihre Bahn durch schnelle Radien. Zu viel Drehmoment am Hinterrad regelt die Traktionskontrolle sanft ein, das ABS im Vorderrad öffnet die Verzögerer sportlich spät. Auf dem welligen Untergrund funktionieren die KYB-Gabel und das Sachs-Federbein sehr manierlich, am Fahrkomfort gibt es nichts auszusetzen.

Als Endantrieb kommt eine gekapselte Kette mit automatischem Spanner zum Einsatz
Als Endantrieb kommt eine gekapselte Kette mit automatischem Spanner zum Einsatz
Foto: BRP

Auf dem Weg zurück in die City macht sich die Flüssigkeitskühlung für das gesamte elektrische System von der Steuerungselektronik über den E-Motor und die Ladestruktur bis zur Batterie bezahlt, denn Außentemperaturen von 44 Grad Celsius sind kein Spaß. Dank der ständig laufenden, leicht vibrierenden Wasserpumpe gibt’s weder unangenehme Wärme von unten noch geht der Elektromotor infolge Überhitzungsgefahr in die Knie – die Pulse hält ihr Highway-Maximaltempo bis zum Beginn der Rushhour. Laut Can-Am sorgt die Wasserkühlung daneben für kürzere Ladezeiten und eine längere Batterielebensdauer – die Garantie auf den Akku verspricht nach fünf Jahren noch 70 Prozent Restkapazität.

Abgesehen von den spannenden Vorzügen bieten die Elektromotorräder als Spielwiese für Elektronikfreaks ein riesiges 10,25-Zoll-TFT mit Apple Carplay-Integration sowie Touchscreen-Funktionalität und einlegbarem rückwärtigem Kriechgang. Hinterleuchtete Schalter, ein Handschuhfach mit USB-Port sowie das clevere werkzeuglose LinQ-Verbindungssystem für viele Anbauteile sind weitere kluge Ideen. Can-Am bringt mit cleveren Innovationen und praxisgerechter Ausstattung viel frische Dynamik in den E-Motorradbereich und sorgt dafür, dass die Faszination von Pulse und Origin bei weitem nicht nur vom elektrischen Antrieb lebt – das ist in diesem Genre neu. Trotzdem setzen 16.900 Euro für das Pulse und ab 17.500 Euro für das Origin eine Menge elektrischer Überzeugung beim interessierten Trendsetter voraus.

Technische Daten und Ausstattung Can-Am Pulse:

Motor: flüssigkeitsgekühlter Synchron-Permanentmagnetmotor, Nennleistung 20 kW/ 27 PS oder 11 kW/15 PS, Spitzenleistung 35 kW/47 PS, 72 Nm; flüssigkeitsgekühlter Lithium-Ionen-Akku, 8,9 kWh Maximalkapazität, Betriebsspannung 350 V; einstufiges Primärgetriebe, Sekundärantrieb gekapselte Kette.

Fahrwerk: Motor tragend; 4,1 cm USD-Telegabel vorne (nicht einstellbar), 14 cm Federweg; Leichtmetall-Einarmschwinge hinten, ein Federbein (einstellbar in Zug-, Druckstufendämpfung und Vorspannung), Federweg 14 cm; LM-Gussräder; Reifen 110/70 R17 (vorne) und 150/60 R17 (hinten). 32 cm Einscheibenbremse vorne, 24 cm Einscheibenbremse hinten.

Assistenzsysteme: vier Fahrmodi, ABS, Traktionskontrolle

Maße und Gewichte: Radstand 1,412 m, Sitzhöhe 78,4 cm, Gewicht fahrfertig 177 kg, Zuladung 151 kg.

Fahrleistungen und Verbrauch: Höchstgeschwindigkeit 129 km/h, Reichweite (WMTC) 130 km.

Preis: ab 16.899 Euro

Thilo Kozik/SP-X