Bad Neuenahr

Vermieter wollten Neonazi-Bewohner loswerden

Vielleicht, sagt Rosemarie K. heute, hätte sie bei dem Wort Sozialraum misstrauisch werden können. Doch wer denkt bei so einem Begriff schon an Rechtsradikale? Die drei jungen Männer, die sich Ende 2009 für das Haus in der Bad Neuenahrer Weinbergstraße interessierten, wollten in einem der Zimmer einen Gruppenraum einrichten.

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Bad Neuenahr – Vielleicht, sagt Rosemarie K. heute, hätte sie bei dem Wort Sozialraum misstrauisch werden können. Doch wer denkt bei so einem Begriff schon an Rechtsradikale? Die drei jungen Männer, die sich Ende 2009 für das Haus in der Bad Neuenahrer Weinbergstraße interessierten, wollten in einem der Zimmer einen Gruppenraum einrichten.

„Ich dachte mir nichts dabei, das waren ja nette junge Männer“, sagt K., die das Haus gemeinsam mit ihrem Bruder für ihre pflegebedürftige Mutter vermietet. Sie haben sich ganz bewusst für die Studenten entschieden. „Wir haben ja selbst Kinder, die studieren.“ Wenig später wurde der Mietvertrag unterschrieben.

Rosemarie K. wurde schnell klar, wen sie sich als Mieter in das Haus geholt haben. Junge Neonazis machten die Weinbergstraße zu einem rechtsradikalen Wohnprojekt. Mehr als zwei Jahre lang versuchte sie, die radikalen Bewohner loszuwerden. Erst am Dienstag hatte der Spuk ein Ende. Polizeibeamte stürmten das „Braune Haus“ und zerschlugen das dort aktive „Aktionsbüro Mittelrhein“. Insgesamt wurden 24 mutmaßliche Neonazis in mehreren Bundesländern festgenommen. In dem Sozialraum hatten sich mehr als zwei Jahre lang Neonazis getroffen und von dort vermutlich Übergriffe auf politische Gegner geplant.

Man kann Rosemarie K. wohl nicht vorwerfen, dass sie nicht schnell reagiert hätte. Schon vor zwei Jahren, kurz nachdem Antifaschisten auf die Neonazis aufmerksam machten, kündigten sie den Mietvertrag. „Als wir von der Gesinnung der jungen Leute erfahren haben, wurde das Mietverhältnis sofort beendet“, sagt sie. Schon ihr Großvater, der in dem Haus wohnte, war ein überzeugter Gegner jeglichen Rassismus', sagt sie. „Rechtsradikale Ideologien halten wir für menschenverachtend und lehnen sie ab.“ Doch die Neonazis wollten das Haus nicht verlassen. Im Herbst 2010 ging die Sache vor Gericht, der erste Termin wurde vertagt. Bei der Verhandlung im März 2011 scheiterten sie mit ihrer Kündigung. Die Vermieter argumentierten unter anderem, dass die Räume für politische Aktivitäten genutzt wurden. Das reichte aber nicht. „Wir bekamen keine Unterstützung – weder von der Stadt noch von den Nachbarn“, sagt sie. „Niemand wollte sich für den Prozess zur Verfügung stellen, um gegen die Bewohner auszusagen“, sagt sie. „Man hat uns mit dem Problem alleingelassen.“

Ende des vergangenen Jahres wurde der Mietvertrag erneut gekündigt – diesmal klagten die Besitzer auf Eigenbedarf. Immer wieder schrieben sie zudem Briefe, persönliche Treffen waren schwierig geworden. „Wir wurden von den Bewohnern verbal attackiert“, sagt sie. Die Schreiben wurden von den Bewohnern ignoriert. Insgesamt gaben K. und ihr Bruder fast 10 000 Euro für Gerichtskosten aus. Genützt hat es nichts. Bis zuletzt gingen die Neonazis in der Weinbergstraße ein und aus. An Rosemarie K. haben der Streit und die Verhaftungen gezehrt. „Ich bin unheimlich betroffen und sprachlos.“ Als sie das Haus in den Nachrichtensendungen sah, musste sie daran denken, wie wichtig dieses Gebäude einst für ihre Familie war. „Dieser emotionale Bezug wurde zerstört.“ Von der Stürmung des Hauses hat K. aus den Medien erfahren. Weder Polizei noch Stadt haben sich bisher bei ihr oder ihrem Bruder gemeldet, sagt sie.

Was mit dem Haus passiert, ist noch unklar. Ein Anwohner hat den Vorschlag gemacht, dass die Stadt das Haus kaufen soll. Bürgermeister Guido Orthen schließt dies aber aus. Inzwischen hat er außerdem versucht, die Besitzer zu kontaktieren, um mit ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen.

Von unserem Redakteur Dietmar Telser