RZ-Kommentar: TV darf vor allem nicht langweilen

Pro: Tim Kosmetschke hält Pseudodokus nicht für das Problem

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Nicht alles, was im Fernsehen gezeigt wird, ist echt. Sag bloß! Die Diskussion um die billigen Scheindokus, die vor allem das Nachmittagsprogramm verpesten, kommt mir reichlich hochgekocht vor – und vor allem zu scharf gewürzt mit bildungsbürgerlicher Empörungsroutine über das ach so dummschlimme Fernsehen.

Dabei sind die Sendungen und ihre Machart gar nicht das Problem. Fernsehen ist Unterhaltung und darf es auch sein. Das gilt vor allem bei den Privatsendern, die sich über Werbung finanzieren und nicht am Gebührentropf hängen wie die öffentlich-rechtlichen Anstalten, für die in der Tat ein anderer Maßstab anzulegen ist. Fernsehen darf also zunächst einmal alles – nur nicht langweilen. Und gegen Gesetze verstoßen, aber das ist hier ja (noch) nicht gegeben.

Das Nacherzählen ausgedachter Handlungen ist nicht per se verwerflich – Literatur, selbst jene, die einen strengen, vielleicht sogar dokumentarischen Ton pflegt, tut nichts anderes. So lange diese TV-Formate ausreichend als fiktional gekennzeichnet sind und nichts vorgeben, was sie nicht sind, mögen die Pseudodokus von ärgerlich schlechter Qualität sein. Mehr aber auch nicht.

Problematisch wird die ganze Angelegenheit nicht durch den formalen Rahmen, sondern durch die inhaltliche Dimension. Denn in den Pseudodokus von „Die Schulermittler“ bis „Lenßen & Partner“ wird ein Bild der deutschen Realität ausgebreitet, wie es zugespitzter, polarisierender und abgründiger kaum sein könnte. Die Sendungsmacher denken, alles muss immer extremer werden, um den von Gerichts- und Talkshows abgestumpften Zuschauer überhaupt noch zu erreichen. Das ist ein Dilemma. Und durch Verbote leider auch nicht zu beheben.

E-Mail an den Autor: tim.kosmetschke@rhein-zeitung.net