RZ-Kommentar: „Kauf lokal!“ statt im Netz – mit Sinn(en) und Verstand

Die Kaufmannschaft im rheinischen Tönisvorst sah schwarz. Und ihre Kunden ebenso. Denn aus Protest gegen den „Beratungsklau“ und den darauf folgenden Einkauf im Internet verhängten kürzlich die 58 Einzelhändler in dem rheinischen Städtchen vor den Toren Krefelds ihre Schaufenster mit schwarzer Folie.

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Unser stellvertretender Chefredakteur Peter Burger zum Start unserer Aktion „Kauf lokal!“

Dekoriert mit Sprüchen wie: „Suchen Sie auch Spenden für Ihren Verein? – versuchen Sie’s doch mal im Internet …“ Das saß!

„Showrooming“ nennen Marketingexperten das Phänomen, das den etablierten Einzelhandel in seine bislang größte Krise stürzt: Im Ladengeschäft das Produkt anschauen, kostenlose professionelle Beratung in Anspruch nehmen – und dann im Internet bestellen. Waren für 33 Milliarden Euro gehen bereits heute in Deutschland jährlich über die virtuelle Ladentheke – mit Zuwachsraten im zweistelligen Bereich. In den Segmenten Unterhaltungselektronik, Computer und Telekommunikation will dabei die Mehrheit der Kunden schon lieber online shoppen als im Laden.

Der Kaufrausch im Netz aber hat unabsehbare Folgen – nicht nur für den Handel, sondern für uns alle: Innenstädte sterben, Arbeitsplätze gehen verloren, Steuerquellen der Kommunen versiegen, während die Profite über ausgeklügelte Systeme nicht selten im Ausland realisiert werden. Global Player von Amazon bis Zalando boomen, Paketdienste ebenso, der heimische Handel schaut derweil in die Röhre und steht immer öfter vor dem Aus.

In einer großen Serie wollen wir in den kommenden Wochen das Thema von vielen Seiten beleuchten – und dabei klar Position beziehen: „Kauf lokal!“ lautet der durchaus imperative Titel unserer Reihe im Mantelteil, in allen Lokalteilen und bei Rhein-Zeitung.de. Dabei wollen wir problematische bis ruinöse Entwicklungen ebenso aufzeigen wie erfolgreiche Wege aus der Krise. Und die ist nicht selten auch hausgemacht.

Dennoch: Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern im Dialog – mit Kunden, Kaufleuten, Kammern und Werbegemeinschaften – wollen wir Ursachen und Wirkung unseres Kaufverhaltens analysieren, im Blatt ebenso wie in Expertengesprächen und Foren in mehreren Städten unseres Verbreitungsgebietes. Wir werden aufklären, warum die Straße vor der eigenen Haustür nicht repariert werden kann, das städtische Schwimmbad schließen muss, die Kulturförderung auf dem Land erliegt, wenn wir auf die Globalisten des Internethandels statt auf den Händler um die Ecke setzen. „Kauf lokal!“ – eine Einladung, über Wert und Werte unseres heimischen Handels offen zu diskutieren – und zu handeln.

Und dabei geht es nicht nur ums Einkaufen mit Sinn(en): Sehen, Anfassen, Fühlen, Riechen, Schmecken. Es geht vor allem auch um die Zukunftsfähigkeit unserer Innenstädte, unserer dörflichen Strukturen und unseres Gemeinwesens.

E-Mail: peter.burger@rhein-zeitung.net