RZ-KOMMENTAR: Jeder soll wissen, dass der Staat ein Auge auf jede Waffe wirft

Die immer wieder in blutige Amokläufe ausartende Waffenbegeisterung der US-Amerikaner scheint weit von Deutschland entfernt zu sein. Das Tragen von und Schießen mit Waffen als Bürgerrecht ist seit Wildwesttagen in den USA Wirklichkeit, in Deutschland nur in Western und Actionfilmen unterschiedlicher Güte Fiktion.

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Doch als der Bundestag im April beschloss, ein nationales Waffenregister einzuführen, fiel die Entscheidung mit dem Jahrestag des Amoklaufs von Erfurt zusammen. Und als am Montag Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die Realisierung des Projektes vorstellte, kamen zeitgleich Nachrichten aus dem Prozess gegen den Waffen besitzenden Vater des Amokläufers von Winnenden.

Beide Verbrechen hatten zu der Anstrengung beigetragen, die EU-Vorgaben aus dem Jahr 2008 zu national zentralen Datensammlungen aller legalen Waffen bis 2014 in Deutschland schon zwei Jahre früher zu erfüllen. Das wird vermutlich schon bis zum Jahresende zu genereller Klarheit darüber führen, wie viele legale Waffen es in Deutschland überhaupt gibt. Ob es nun sechs Millionen oder fast doppelt so viele sind, ist allein schon ein Erkenntnisgewinn, der den Blick auf den Waffenumgang in Deutschland zu schärfen vermag. Auch die konkrete Sicherheit der Beamten bei Polizeieinsätzen dürfte dank eines präziseren Lagebildes wachsen. Künftig muss keiner mehr zu Dienstzeiten der zuständigen Behörde vergilbte Karteikarten wälzen, um die eilige Frage beantworten zu können, ob bei einem Tatverdächtigen mit legalen Waffen zu rechnen ist. Dazu reichen wenige Knopfdrucke, und das nationale Waffenregister liefert die Informationen. Kalibergenau. Und in einem zweiten und dritten Schritt wird das in den folgenden Jahren auch noch verknüpft mit einer genauen Auflistung von Herkunft und Vorbesitzern der Waffe.

Die Politik kann mit dem Waffenregister nachweisen, gehandelt zu haben. Aber sowohl für die Bürger als auch für die Polizeieinsatzkräfte ist damit bestenfalls die Hälfte, vielleicht nur ein Achtel der Gefahr gebannt. Denn den legalen Waffen stehen nach Schätzungen zwischen 20 und 40 Millionen illegale Waffen gegenüber. Mit den offenen Grenzen ist auch die Verfügbarkeit über dunkle Kanäle gestiegen, und zwar für diejenigen, die damit nicht im geschützten Raum von Sportschützen einem streng abgesicherten Hobby nachgehen, sondern damit ihrem illegalen, verbrecherischen Tun mehr Nachdruck verleihen. Tödlicher, blutiger, gefährlicher Waffeneinsatz in der Öffentlichkeit hat angeblich zu rund 97 Prozent mit illegalen Schießeisen zu tun. So gerechnet, wird das Waffenregister damit zur 3-Prozent-Angelegenheit.

Aber es ist stilbildend. Jeder soll wissen, dass der Staat ein konzentriertes Auge auf jede Waffe wirft. Die damit verknüpfte Botschaft: Lasst sie niemals in unbefugte Hände geraten! Mehr Informationen über die Lage der Waffen in Deutschland bilden auch eine Grundlage für weitere Debatten, wie und wo diese aufbewahrt werden dürfen. Gesetzliche Nachschärfungen an dieser Stelle sind daher durch das nationale Waffenregister nicht überflüssig geworden. Sie werden wahrscheinlicher.

E-Mail: gregor.mayntz@rhein-zeitung.net