Berlin

RZ-INTERVIEW mit Peter Altmaier: Die EU ist weiter als viele andere Länder

Bundesumweltminister Peter Altmaier
Peter Altmaier mahnt die Länder zur Einheit. Foto: Sebastian Kahnert/Archiv

Der Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) wird beim Klimagipfel in Doha Deutschland vertreten. Im Vorhinein drängt er auf größere Anstrengungen beim internationalen Klimaschutz – und fordert eine öffentliche Debatte, um den Druck zu erhöhen. Zwar gebe es noch eine Chance, die Erderwärmung wie vereinbart auf 2 Grad zu begrenzen – sie sei aber klein. Um die Ziele zu erreichen, hofft Altmaier auf die Beteiligung Chinas und der USA.

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Herr Minister, „Bewahrung der Schöpfung“ – wo steht dieser biblische Begriff in Ihrem Wertekanon?

Das steht ganz weit oben, weil er nicht nur für die Umweltpolitik, sondern für die Politik insgesamt die Richtschnur ist. Wir haben lange gegen diesen Grundsatz verstoßen. Wir haben viele Jahrzehnte unseren Wohlstand darauf aufgebaut, dass wir die Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen in Kauf genommen haben. In Europa haben wir diesen Fehler erkannt und seit den 1970er-Jahren viel für den Umweltschutz getan. Es gibt aber viele Regionen in der Welt, in denen die Umweltzerstörung unvermindert weitergeht.

Sie fahren zum Weltklimagipfel in Doha. In den vergangenen Jahren haben die Konferenzen kaum Fortschritte gebracht. Sind UN-Verhandlungen das richtige Mittel im Kampf gegen den Klimawandel?

Sie sind sicherlich nicht ausreichend, aber wir können darauf nicht verzichten. Der internationale Klimaschutz leidet immer noch unter den Folgen des gescheiterten Klimagipfels von Kopenhagen 2009. Er leidet auch daran, dass viele Schwellenländer sich bislang keinen verbindlichen Regeln unterworfen haben. Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass der Weltklimagipfel ein Erfolg wird. Neben Verhandlungen müssen wir aber auch verstärkt eine öffentliche Debatte über Klimaschutz führen und damit zusätzlichen Druck erzeugen. Und wir müssen den Nachweis erbringen, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum kein Gegensatz sind. Sondern dass man durch ambitionierte Klimaziele auch neue Wachstumspotenziale schöpft.

Seit Hurrikan „Sandy“ wird in den USA wieder verstärkt über die Erderwärmung diskutiert. Haben Sie Hoffnung, dass die US-Regierung in der zweiten Amtszeit von Präsident Barack Obama mehr für das Klima tut?

Ich hoffe sehr, dass in den USA ein Paradigmenwechsel eintritt. Das könnte uns helfen, in Doha einen Schritt voranzukommen. Gefragt ist die politische Führung von Präsident Obama. Wenn er sich künftig mehr zum Klimaschutz bekennt, könnte das die Einstellung der Politik in den USA zu diesem Thema verändern.

Sie sagen, dass Doha ein Erfolg werden muss. Welche Minimalziele geben Sie für den Klimagipfel aus?

Klar ist: Wir wollen, dass spätestens im Jahr 2020 ein neues Abkommen in Kraft tritt, das alle Staaten zum Klimaschutz verpflichtet. Da wird langsam die Zeit knapp, deshalb brauchen wir dazu einen Fahrplan. Wir brauchen zweitens eine zweite Verpflichtungsperiode von 2013 an für das Kyoto-Protokoll. Drittens sollten Staaten wie die USA und China, die dem Protokoll nicht beigetreten sind, eine internationale Überprüfung ihrer bereits bestehenden nationalen Klimaschutzmaßnahmen zulassen.

Die Erderwärmung soll auf 2 Grad begrenzt werden. Es gibt Untersuchungen, denen zufolge das kaum mehr zu erreichen ist. Warum hält man daran fest?

Wenn wir das 2-Grad-Ziel aufgeben, wird der Druck auf die internationalen Klimaverhandlungen reduziert – das wäre ein Bärendienst für den Klimaschutz. Gleichwohl nehmen wir die Warnungen von Fachleuten ernst, dass das Ziel nur schwer zu schaffen ist. Ich bin der Überzeugung, dass wir eine – wenn auch nur kleine – Chance haben, es zu erreichen.

Die EU beansprucht eine Führungsrolle bei den Verhandlungen. Gleichzeitig schafft sie es nicht, ihr Ziel zur CO2-Reduktion von 20 Prozent auf 30 Prozent bis 2020 zu erhöhen, weil Polen blockiert. Wie glaubwürdig ist die Verhandlungsposition der Europäer?

Die EU ist immer noch weiter als viele andere Länder in der Welt. Wir haben bisher alle unsere Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung eingehalten. An der Frage, wie ehrgeizig unsere Klimaschutzziele sind, arbeiten wir. Am Ende brauchen wir allerdings eine Lösung, die auch unsere polnischen Nachbarn mittragen können. Für mich ist das deutsch-polnische Verhältnis so wichtig wie das deutsch-französische.

China hat beim vergangenen Gipfel in Durban die Bereitschaft signalisiert, sich auf verbindliche Ziele zu verpflichten. Was erwarten Sie von China?

Ich bin mit China in einem sehr engen Austausch über den Klimaschutz. Die Chinesen denken darüber nach, ein Emissionshandelssystem nach europäischem Vorbild einzuführen. Pilotprojekte werden demnächst gestartet. Das macht mich sehr optimistisch, dass der Klimaschutz in China einen größeren Stellenwert haben wird. Das ist auch dringend notwendig, weil das chinesische Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit zu erheblichen Folgen auch für die Umwelt und das Klima geführt hat.

100 Milliarden Dollar sollen jährlich von 2020 an für arme Länder als Klimahilfen zur Verfügung stehen. Der neu gegründete Klimafonds muss befüllt werden. Gibt es neue Hilfszusagen der Industriestaaten?

Deutschland hat bisher alle seine finanziellen Verpflichtungen erfüllt, schneller als andere. Es ist richtig, dass wichtige Fragen zur Erhöhung der Klimahilfen bis 2020 noch nicht geklärt sind. Da Deutschland und andere Staaten sparen müssen, sollten wir jetzt vor allem über neue Finanzierungsinstrumente reden, um privates Kapital mobilisieren zu können.

Zusätzliche staatliche Hilfsgelder aus Deutschland wird es demnach nicht geben?

Solche Zusagen werden im Rahmen der Europäischen Union gemacht. Da müssen wir Lösungen finden, mit denen die einzelnen Mitgliedstaaten leben können. So weit sind wir noch nicht. Über Finanzen wird allerdings nicht im EU-Umweltrat, sondern in anderen Ratsformationen entschieden, deshalb ist mein Einfluss hier begrenzt.

Deutschland will mit der Energiewende internationales Vorbild sein. Werden Probleme wie die stark steigenden Strompreise andere Staaten nicht abschrecken?

Die Energiewende wird dann für andere Staaten attraktiv sein, wenn wir sie so umsetzen, dass Deutschland seine starke wirtschaftliche Stellung ausbaut. Dazu gehört, dass die Strompreise sich in einem erträglichen Maße bewegen. Ohne Erhöhung werden wir nicht auskommen, jedenfalls in der ersten Periode. Mittelfristig wird die Energiewende aber dazu führen, dass Strom in Deutschland bezahlbar bleibt. Denn ich gehe davon aus, dass die Preise für Importkohle, Öl und Gas künftig erheblich steigen werden.

Also wird Energie kein Luxusgut?

Ich tue alles dafür, damit Energie kein Luxusgut wird. Dabei helfen allerdings keine populistischen Lösungen. Stattdessen müssen wir erreichen, dass die Energiewende effizienter umgesetzt wird als bisher und dass der Ausbau der erneuerbaren Energien stärker auf den Ausbau der Netze abgestimmt wird.

Das Gespräch führten Thomas Schiller und Stefan Fuhr