Rücksichtslos über die Westerwälder Landstraßen gerast

Die Unfallstelle in Freilingen: Die Teile des Rollers sind weit verstreut
Die Unfallstelle in Freilingen: Die Teile des Rollers sind weit verstreut Foto: Thomas Huberty

Freilingen/Montabaur – Mit einer doppelt so hohen Geschwindigkeit, als eigentlich erlaubt, hat der 46-jährige Fahrer eines teuren Sportwagens den tödlichen Unfall im November 2009 bei Freilingen verursacht.

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Nach zwei langen Verhandlungstagen vor dem Montabaurer Schöffengericht stand schließlich fest, dass der Mann in einer 70er-Zone mit mindestens Tempo 136 unterwegs gewesen sein muss.

Nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ wurden dabei bereits alle Argumente berücksichtigt, die für den Sportwagenfahrer sprechen. Zeugenaussagen legten den Verdacht nahe, dass der Mann sogar noch schneller unterwegs war.
Bei dem Unfall zwischen Wölferlingen und Freilingen war der Angeklagte ungebremst mit seiner weißen Corvette auf einen kleinen Motorroller aufgefahren. Die 16-jährige Sozia wurde bei dem Zusammenstoß getötet. Die damals 17-jährige Fahrerin wurde schwer verletzt und sitzt seitdem im Rollstuhl.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 46-Jährige den Crash durch seine Fahrweise verursacht hatte. Der Unfall wäre womöglich etwas glimpflicher verlaufen, wenn zum Beispiel die Getötete einen Helm getragen hätte, erklärte Richter Reiner Rühmann. „Aber das entbindet den Fahrer nicht von seiner Schuld“, so der Jurist weiter. „Sie haben sich als rabiater Raser gezeigt.“ Das Verhalten des Sportwagenfahrers sei rücksichtslos und egoistisch gewesen.

Als Strafe für die fahrlässige Tötung und die fahrlässige Körperverletzung eines Menschen wurde der 46-Jährige zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Seinen seit dem Unfall beschlagnahmten Führerschein wird er frühestens in zehn Monaten zurück erhalten, falls dann eine günstige Prognose über sein weiteres Verhalten im Straßenverkehr gestellt wird. Rechtsanwältin Sandra Buhr regte als Vertreterin des verletzten Mädchens zudem an, dass der Unfallfahrer in einer Behindertenwerkstatt arbeiten soll, um ihm die Lebensbedingungen von Menschen mit Handicap und die Auswirkungen seiner Tat vor Augen zu führen. Mit einer Geldstrafe sei der wohlhabende Geschäftsführer eines Westerwälder Unternehmens nicht zu beeindrucken. Diesen Vorschlag griff das Gericht auf und verhängte 250 Stunden Sozialdienst als Bewährungsauflage.

Auch am zweiten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht diskutierten die Experten wieder stundenlang über die Spuren am Unfallort. Ein Münchener Hochschuldozent versuchte das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben Gutachten zu erschüttern. Unter anderem führte er aus, die gemessene Bremsspur könne nicht von der Corvette stammen. Eine plausible Erklärung, wodurch die Spur entstanden sein soll, konnte er jedoch nicht anbieten.

Klare Worte waren von einem 39-jährigen Rennmechaniker zu hören, der kurz vor dem Unfall hinter der Corvette unterwegs war. Er selbst fahre eigentlich grundsätzlich zu schnell, sagte der Mann. Mit seinem 180 PS starken Audi habe er am Ortsausgang von Wölferlingen versucht, dem Sportwagen des Angeklagten zu folgen, was ihm trotz eines durchgetretenen Gaspedals nicht gelungen sei. Seiner Einschätzung nach fuhr die Corvette mit 130 bis 140 km/h durch die Linkskurve vor Freilingen und beschleunigte danach nochmals. „Ich war selbst am Limit“, sagte der 39-Jährige. Auf feuchter Fahrbahn sei er um ein Haar abgeflogen.

Der Angeklagte selbst beteuerte zwar, dass ihm die Sache leid tue. Er habe nach dem Unfall versucht, Kontakt zu den Familien aufzunehmen, was ihm nur im Falle des getöteten Mädchens gelungen sei. Um den Eltern zu helfen, habe er die Beerdigungskosten übernommen. Auf ein echtes Geständnis des 46-Jährigen warteten die Angehörigen jedoch vergebens. Es könne sein, dass er etwas zu schnell war, räumte der Verurteilte ein. „Ich schaue auf der Landstraße nicht so oft auf den Tacho.“ Von sich selbst sprach der Mann aber nur als „Unfallbeteiligter“ und nicht als Verursacher. Diese Formulierungen brachten Staatsanwältin Sabrina Käsemann auf die Palme. „Ich bin einfach nur wütend“, sagte sie. „Das ganze Prozessverhalten macht mich fassungslos.“ Thorsten Ferdinand