Nürburgring

Rock am Ring: Menschen, Tiere, Sensationen

Metallica: Zehntausende feiern mit der Metal-Legende
Foto: Jens Weber

Hereinspaziert, hereinspaziert: Wenn Rock am Ring, das größte Musikfestival Deutschlands, mit rund 85 000 Fans in der Eifel gastiert, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der internationale Rock-Zirkus am Nürburgring seine Zelte aufgeschlagen hat. Wir haben für Sie einen Blick auf die Stars in der Manege geworfen und berichten von drei Tagen voller Menschen, Tiere, Sensationen.

Lesezeit: 4 Minuten
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Eine Sensation, das waren auch Soundgarden mal – vor 20 Jahren. Doch die Uhren im Rock-Zirkus drehen sich ziemlich schnell. 2012 sind die Helden der Grunge-Ära eher so etwas wie die Exoten im Zirkuszelt. Songs wie „Spoonman“ oder „Black hole sun“ sind zeitlos gut, waren aber schon in den frühen 90er-Jahren nicht zum Partymachen gedacht. Und das wird am Ring erwartet. Fazit: Dem Quartett um Frontmann Chris Cornell fehlte es nach langer Trennung noch etwas an der Feinabstimmung, die alte Magie spürte aber zumindest ein Teil des Publikums. Die Exotendressur gehörte 2012 eher nicht zu den Attraktionen in der Manege.

Jens Weber

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Eine Show, die besser in die Zeit und vor allem zum Ring passte, lieferten die Akrobaten von Linkin Park. Die US-Gruppe faszinierte vor allem durch perfekte Technik – da saß jeder Ton, der Sound war überwältigend, die Videoleinwände passten sich perfekt ein. Grandios waren die Vorturner Chester Bennington und Mike Shinoda, die permanent ihre Podeste erkletterten. Das Publikum zollte in einer Lautstärke Respekt, die selbst für den altehrwürdigen Ring-Zirkus beeindruckend war. Linkin Parks Programm war perfekt choreografiert: Hits und Härte, Metal und Melodien, Geschrei und Gefühl. Das gefiel alten Kutten- ebenso wie jungen Kostümträgern. Garniert war das Ganze mit den klassischen Rock-Zirkus-Tricks: synchrone Armschwinger, Schrei im Sprung und Feuerzeug-Entfacher: Die Akrobaten von Linkin Park haben sie alle drauf.

Mit Motörhead betraten danach die Elefanten die Manege. Lemmy Kilmister ist nicht kleinzukriegen – selbst dann nicht, wenn sein Auftritt erst nach Mitternacht beginnt. Der Frontmann und seine Band stampften auf der Alternastage alles nieder, was nicht an die Kraft des Rock 'n' Roll glaubte. Die Lautstärke war ohrenbetäubend, die Songs kraftvoll, das Schlagzeugspiel von Mikkey Dee überwältigend. Songs wie „Overkill“ und „Killed by death“ wurden frenetisch gefeiert. Elefanten sind eben imposante Tiere und machen viel Getöse. Lemmys Bitte am Schluss: „Wir sind Motörhead, und wir spielen Rock 'n' Roll. Vergesst uns nicht!“ Wie könnte man.

Ebenso wie die Dickhäuter gehören auch die Clowns zum klassischen Programm. Zirkusdirektor André Lieberberg engagierte für diese Rolle Tenacious D. Schauspieler Jack Black („School of Rock“, „High fidelity“) und sein Kollege Kyle Gass sorgten mit Band für gute Laune vor der Centerstage. Die ersten Lacher ernteten Tenacious D für den riesigen Phönix in Form eines männlichen Geschlechtsteils, den sie in die Manege schleiften. Clown Black verstand es, mit dem Publikum zu spielen. Thema seiner Rockcomedy sind immer wieder die gängigen Klischees des Rock-Zirkus'. Aber selbstverständlich gehören auch ein paar klassische Späßchen zum Programm wie das Schießen mit einer Wasserpistole auf grüne Gummimonster. Musik wird auch gemacht – und das auffallend gut. So hatten Black und Gass das Publikum schnell auf ihrer Seite. Und wer das in der Manege geschafft hat, der kann anschließend machen, was er will – etwa ein Solo auf einem Spielzeugsaxofon spielen. Am Ende des furiosen und gefeierten Auftritts bat Black selbstironisch, auch den talentierten Bands, die folgten, eine Chance zu geben – Billy Talent und Metallica.

Billy Talent hatten eine solche „Unterstützung“ kaum nötig. Sänger Benjamin Kowalewicz machte sich wieder einmal als Gummimensch und lebender Flummi einen Namen, während seine Band die kraftvolle Mixtur aus Rock und Punk anstimmte. Nach ähnlicher Bewegungsfreiheit, wie sie die Band auf der Bühne hatte, strebten auch die Massen: Bei Songs wie „This is how it goes“ oder „Red flag“ bildeten sich mehr als 15 Circle Pits inmitten der Zuschauer.

Auf dem Zirkusvorplatz wurde es unterdessen magisch – der große Maestro Maxïmo Park verzauberte das Publikum. Im Anzug und mit Melone zeigte er seine Tricks. Beinahe willenlos klatschten die Fans da unter der hypnotisierenden Wirkung der Musik in die Hände, Sänger Paul Smith zauberte statt Kaninchen Hits aus dem Hut, und obendrein ließen Maxïmo Park zum Abschluss noch die Sonne bildschön über dem Ring-Zirkus versinken – magische Momente. Wie von Geisterhand fügten sich auch die neuen Stücke des kommenden Albums in die Show ein. Ein weiteres Kunststück, mit dem Maxïmo Park ein Lächeln auf die Gesichter ihrer Fans zauberten.

Weniger magisch, eher bestialisch wurde es danach, als die Raubtiere in die Manege geführt wurden: Zwar fraßen Metallica niemanden, brüllten aber mächtig laut. In Vorfreude auf die Attraktion des Abends hatten sich die vorderen beiden Sektionen des Innenraums schon gegen 16 Uhr komplett gefüllt. Die Fans sollten für ihr Warten belohnt werden. Interessanterweise entwickelte sich jedoch nicht die lange angekündigte Liveaufführung des „Black Albums“ zum Höhepunkt. Im Gegenteil: Nach missglücktem, weil wegen technischer Mängel zweimal abgebrochenem Intro-Video kühlte sich die zunächst durch ältere Stücke wie „Hit the lights“ oder „Master of puppets“ entfachte Euphorie im Publikum ab. Vielleicht hätten Metallica die Songs ihres Erfolgsalbums in der Originalreihenfolge spielen sollen. So aber sparten sie sich die Hits fürs Ende auf. Spätestens bei „Enter sandman“ zeigten sich die Löwen dann aber wieder so angriffslustig, wie es sich für die Könige der Tierwelt gehört. Mit „One“, „Seek and destroy“ und viel Feuer verabschiedeten sie sich standesgemäß aus der Manege und ließen ein beeindrucktes Publikum zurück. Gut gebrüllt, Löwe!

So fehlte zur Abrundung des Zirkusprogramms nur noch eine gekonnte Jonglage – und die lieferten die Donots am Sonntag. Sie ließen nicht nur alte Hits und neue Songs gekonnt kreisen, sondern auch große Teile des Publikums zirkulieren. Eine grandiose Show und genau die richtige Einstimmung für die großen Stars, die noch erwartet wurden – die hauseigene Zirkuskapelle, die Toten Hosen. Das passende Motto für den verregneten Sonntag lieferten die Künstler auch: „Egal, wie schlecht das Wetter ist, bei Rock am Ring scheint die Sonne aus den Bierbechern.“

Von unseren Redakteuren Markus Kuhlen und Volker Schmidt