Berlin

Publizieren in digitaler Zeit – Autoren verlegen sich selbst

Ein Buch schreiben kann jeder – und veröffentlichen auch. Zumindest, wenn man sich mit dem Internet und Computerprogrammen auskennt. Viele Autoren veröffentlichen ihre Werke inzwischen selbst als E-Book, statt den teils monatelangen Weg über die klassischen Verlage und das gedruckte Buch zu gehen. Der Berliner Blogger Johnny Haeusler nennt es ein Experiment – und hat seit Mitte Dezember 2000 E-Books verkauft.

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Berlin – Ein Buch schreiben kann jeder – und veröffentlichen auch. Zumindest, wenn man sich mit dem Internet und Computerprogrammen auskennt. Viele Autoren veröffentlichen ihre Werke inzwischen selbst als E-Book, statt den teils monatelangen Weg über die klassischen Verlage und das gedruckte Buch zu gehen. Der Berliner Blogger Johnny Haeusler nennt es ein Experiment – und hat seit Mitte Dezember 2000 E-Books verkauft.

E-Book-Vertreiber sprechen von steigenden Verkaufszahlen der elektronischen Bücher und einem Trend hin zur Selbstpublikation. Doch mit der Veröffentlichung ist es nicht getan, das Buch soll gekauft werden. Auch beim Marketing spielt das Internet die Hauptrolle.

Für Johnny Haeusler ist es ein Experiment. Und zwar auch ein „Social-Media-Experiment“, wie er in seinem Blog „Spreeblick“ schreibt. Der Berliner Autor hat 15 Kurzgeschichten aus seinem Blog in E-Book-Form gebracht: „I live by the river“ heißt das Buch, für das er vor allem bei den Sozialen Netzwerken Facebook und Twitter wirbt. Es kostet 99 Cent. Reich dürfte Haeusler damit nicht werden – pro verkauftem Buch erhält er einen Anteil zwischen 35 und 70 Prozent. Rund ein Dutzend E-Book-Anbieter vertreiben sein Buch.

Haeusler will sehen, wie der E-Book-Markt läuft. Ist dort wirklich nichts zu holen, wie manche Verlage sagen? Oder gibt es den Boom, von dem die Vertreiber sprechen? Und wie viele Bücher muss man verkaufen, um in den Verkaufscharts zu landen?

200 bis 300 Exemplare braucht es dafür, schätzt Haeusler nun. Seit der Veröffentlichung seines Buchs Mitte Dezember hat er rund 2000 Exemplare verkauft, zwischenzeitlich war „I live by the river“ bei Amazon auf Platz 1 der E-Book-Bestseller in der Kategorie „Anthologien & Kurzgeschichten“. „Damit hatte ich nicht gerechnet, das hätte auch ein totaler Flop werden können“, sagt Haeusler.

Ein Buch mit den „500 besten deutschsprachigen Fakten“ zu Chuck Norris, eigentlich ein Angebot für ein internetaffines Publikum, hat sich dagegen als E-Book gar nicht verkauft: „Roundhousekick“ ging für das Kindle „nicht mal in zweistelliger Zahl“ weg, sagt HerausgeberJens Bolm. Als Buch verkaufte es sich dagegen bisher 1700-mal.

Das Prozedere sei einfach gewesen, sagt Haeusler. Mit einem Computerprogramm hat er das E-Book erstellt. „Der größte Aufwand ist, das Buch zu schreiben.“

Für den Münchener Journalisten Matthias Matting hat das E-Book das Publizieren vereinfacht. „Es hat die Schwelle gesenkt, die man überwinden muss, um etwas zu veröffentlichen“, sagt Matting, der selbst elektronische Bücher veröffentlicht hat. Er bezeichnet das E-Book als „Taschenbuch der Zukunft“.

Hört man sich bei den Vertreibern um, scheint dieser Eindruck nicht abwegig – auch wenn beispielsweise Amazon keine Verkaufszahlen zu E-Books veröffentlicht. Das Lesegerät Kindle sei jedoch das meistverkaufte Produkt 2011 gewesen, teilte das Unternehmen mit. Auch Konkurrenten wie der kanadische Newcomer Kobo haben sich zufrieden über das Weihnachtsgeschäft geäußert.

Wie viele der bei Amazon erhältlichen E-Books von den Autoren selbst publiziert wurden und wie viele von Verlagen stammen – dazu gibt es keine Zahlen. Viele Autoren nutzten jedoch die Veröffentlichungs-Plattform auf Amazon, teilte das Unternehmen mit. Dort können Autoren kostenlos ihr Buch elektronisch auf den Markt bringen. Zwei der fünf meistverkauften E-Books 2011 stammen aus der Feder von Autoren, die selbst veröffentlichen – einer ist der Journalist Matting mit einer Anleitung für das Lesegerät Kindle.

Beim E-Book-Portal ePubli der Verlagsgruppe Holtzbrinck sieht man einen eindeutigen Trend hin zu Autoren, die sich selbst verlegen. Rund 2000 E-Books wurden 2011 über die Plattform vertrieben, fast alle direkt von Autoren. Verkauft wurden „mehrere tausend pro Monat“, genaue Zahlen nennt Sprecher Max Franke nicht, spricht aber von einem „senkrechten Wachstum“.

E-Books machen den Zugang zum Buchmarkt einfacher, doch zugleich wird das Angebot für den Leser immer größer. „Natürlich kann es für die Leser schwieriger werden vorzusortieren“, sagt ePubli-Sprecher Franke. Auch Blogger Haeusler sagt: „Das Buhlen um Aufmerksamkeit wird nicht einfacher.“ Daher nutzt er die Sozialen Medien Facebook und Twitter. Laut ePubli-Sprecher Franke spielen sie eine wichtige Rolle. „Durch Soziale Netzwerke haben Autoren ganz andere Möglichkeiten mit dem Leser in Kontakt zu kommen.“

Ein Problem bleibt aber in dieser neuen, digitalen Bücherwelt, wie die Rezension eines Lesers von Haeuslers „I live by the river“ auf Amazon.de veranschaulicht: „Und wie verschenke ich das jetzt?!?“ Vielleicht bald als gedrucktes Buch: Haeusler sagt, er habe schon Angebote von Verlagen.

Alexandra Stahl