Prognose Wirtschaft 2012: Euro-Jubiläum ohne Feierlaune

"Mister Euro" Wim Duisenberg
Silvester 2001: "Mister Euro" Wim Duisenberg, der inzwischen verstorbene erste Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sortiert nachdenklich seine nagelneuen Geldscheine. Sicher mit Stolz erfüllt - und kaum vorausahnend, wie schlecht es um die Währung zehn Jahre später stehen würde. Foto: dpa

Die Schuldenkrise überschattet die konjunkturelle Entwicklung. Folgt ein tiefer Einbruch oder gelingt es, sich durchzuwursteln?

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Wie geht es für die Wirtschaft weiter? Selten war die Frage so schwer zu beantworten wie jetzt. Vor dem Jahreswechsel dominiert das große Noch: Noch brummt es in den Unternehmen, noch präsentiert sich der Stellenmarkt in glänzender Verfassung, noch ist in der Realwirtschaft nichts zu spüren von den schweren Verwerfungen an den Finanzmärkten. Doch immer schwingt die bange Frage mit: Wie lange kann das noch gut gehen?

Ausgerechnet das Geburtstagskind macht große Sorgen: Am 1. Januar 2002 wurde das Euro-Bargeld eingeführt, nachdem die Gemeinschaftswährung bereits 1999 auf den Konten – als sogenanntes Buchgeld – Einzug gehalten hatte. Zehn Jahre nach dem Bargeld-Start sind die großen Hoffnungen, die mit dem Euro verknüpft waren, einer tiefen Ernüchterung gewichen. Skeptiker hatten schon damals angemerkt, dass hier eine Währung ohne ein einheitliches Währungsgebiet geschaffen wird. Doch selbst die schärfsten Kritiker können nicht froh darüber sein, dass sich ihre düsteren Prophezeiungen erfüllt haben: In aller Schärfe brechen die wirtschaftlichen Gegensätze zwischen den vergleichsweise soliden Kernstaaten im Norden Europas und den Armenhäusern im Süden auf. Je nachdem, wie die Geschichte ausgeht, könnten die Folgen für die deutsche Konjunktur gravierend sein.

Doch im Grunde lassen sich jetzt nur Szenarien für 2012 skizzieren. Da ist der GAU: Die Euro-Zone bricht unter ihren Differenzen zusammen – es muss ein neues Gleichgewicht, möglicherweise mit den alten Währungen, gefunden werden. Für Deutschlands Exporteure wäre das verheerend: Der innere Wert des Euro ist hierzulande viel höher als in den Randstaaten, eine Neuauflage der D-Mark würde dies schonungslos aufdecken. Die damit verbundene Aufwertung könnte deutsche Produkte so sehr verteuern, dass sich das Ausland nur noch wenig davon leisten kann. Und wenn es den deutschen Exporteuren schlecht geht, bricht die gesamte Konjunktur zusammen.

Natürlich gibt es auch ein positives Szenario: Nach dem x-ten EU-Gipfel beruhigen sich die Finanzmärkte endlich, die Zinsen für Staatsanleihen sinken auf ein erträgliches Maß, alle angeschlagenen Euro-Länder kommen auf dem Sparkurs gut voran. Das klingt zu schön, um wahr werden zu können. Und deshalb halten sich auch die meisten Ökonomen an ein mittleres Szenario: Merkozy, wie das Euro-Retter-Duo aus Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Brüssel längst genannt wird, gelingt es, sich weiter mehr oder minder erfolgreich durchzuwursteln. Die Folgen der Schuldenkrise für die Realwirtschaft, also produzierende Unternehmen und Dienstleister, bleiben begrenzt. Wie würden sich die Bausteine des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dann zusammensetzen?

Konsum: Das große Noch vor diesem Jahreswechsel hat viel mit dem Verhalten der deutschen Verbraucher zu tun. Unerschütterlich geben sie ihr Geld aus. Macht die Euro-Schuldenkrise denn gar keinem Angst? Wahrscheinlich ist bei vielen das Gegenteil der Fall – sie handeln nach dem Motto: Wenn ich nicht weiß, wie es mit meinem Geld weitergeht, gebe ich es lieber aus. Das mag kurzsichtig erscheinen. Die wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert es aber. Und da die jetzigen Probleme auch im besten Fall zum Jahresende 2012 noch nicht endgültig gelöst sein werden – der über Jahrzehnte angehäufte Schuldenberg lässt sich einfach nicht so schnell abtragen -, wird sich daran wohl wenig ändern. Es sei denn, der Arbeitsmarkt bricht zusammen. Aber da nähern wir uns schon wieder dem GAU-Szenario.

Staatsausgaben: Notfalls würde einmal mehr der Staat eingreifen, signalisiert Kanzlerin Merkel. Bei einem konjunkturellen Einbruch will die Bundesregierung das Instrument der erweiterten Kurzarbeit umgehend wieder anwenden. „Das war eine der wichtigsten Brücken, die wir bauen konnten“, sagt Merkel dazu. Viel mehr Brücken kann die Politik aber nicht konstruieren, auf eine neue Abwrackprämie sollte niemand hoffen – dem Staat fehlt schlicht das Geld dazu. Wenn die Schuldenkrise überwunden werden soll, heißt es sparen, sparen, sparen.

Investitionen: Die Unternehmen werden sich zurückhaltender zeigen als in den vergangenen Jahren. Zum einen wissen ja auch sie nicht, wie heftig die Schuldenkrise noch durchschlagen wird – in einer derartigen Situation zögern viele, Geld in neue Maschinen oder Gebäude zu stecken. Zum anderen wird es aller Voraussicht nach schwieriger, Kredite zu bekommen. Die Banken sind gehalten, ihre Eigenkapitalquote kräftig zu erhöhen, um einen größeren Puffer in diesen schwierigen Zeiten zu haben. Gelingt es ihnen aber nicht in ausreichendem Maße, frisches Kapital zu besorgen – und danach sieht es aus -, werden sie ihre Kreditvergabe zurückfahren. Auch das spricht dafür, dass von den Investitionen keine gewaltigen Wachstumsimpulse zu erwarten sind.

Exporte: Die Ausfuhren sind das A und O für die deutsche Wirtschaft. Sie werden 2012 aber vermutlich nicht mehr so grandios zulegen wie in den zurückliegenden beiden Jahren, und das ist auch der Hauptgrund für die aktuellen BIP-Wachstumsprognosen von nur noch 0,3 bis 1,5 Prozent. Erste Anzeichen für eine schrumpfende Auslandsnachfrage gibt es bereits: Die Auftragseingänge gehen vielerorts zurück, wobei manch ein Unternehmer froh darüber ist, der bisher unter Volllast an der Kapazitätsgrenze arbeitete. Weltweit, auch im jahrelang boomenden China, läuft der Motor langsamer. Die USA kommen nicht so recht auf die Beine. Und die Länder des Euro-Raums, in die rund 40 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen, müssen in der Schuldenkrise sparen – nicht Geld in Deutschland ausgeben.

Importe: Hier sind die Risiken die üblichen – die im Ausland eingekauften fossilen Energieträger werden immer teurer. Dass die Wirtschaft weltweit einen Gang zurückschaltet, lässt aber eine Preisexplosion eher unwahrscheinlich erscheinen. Dem GAU-Szenario für den Euro ließe sich hier sogar eine positive Seite abgewinnen: Eine wiederauferstandene, ultraharte D-Mark würde das auf Dollarbasis gehandelte Öl billiger machen. Doch Durchwursteln erscheint wahrscheinlicher, meint auch die OECD: „Muddling through“ lautet ihre Prognose.

Von unserem Redakteur Jörg Hilpert

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