Orbáns Provokationen und Feindbilder

Seit Viktor Orbán 2010 zum zweiten Mal ungarischer Ministerpräsident geworden ist, hat er aus Sicht seiner Kritiker einen Großteil der Medien auf Regierungskurs gebracht und muss kaum noch innenpolitische Gegner fürchten. Mehrere Gesetze schränken in Ungarn auch die Freiheit der Wissenschaft ein, zentralisieren und ideologisieren das Schulwesen. Auch die Unabhängigkeit der Justiz gilt als stark beeinträchtigt.

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Zu Orbáns Regierungspolitik gehört es, klare Feindbilder zu zeichnen. Neben „der EU“ und „den Flüchtlingen“ ist das der in Ungarn geborene US-Milliardär George Soros. Soros zählt zu den reichsten Menschen weltweit. In den vergangenen Jahrzehnten spendete er große Teile seines Privatvermögens an Organisationen und Personen, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzen sollen.

Über kaum einen Menschen lassen sich so viele Behauptungen und Gerüchte finden wie über Soros. Diesen Gerüchten zufolge soll er verschiedene Revolutionen geplant und finanziert haben, die Regierungen zahlreicher Staaten lenken, eine neue Weltordnung entworfen haben und diese nun realisieren.

Orbán steht an der Spitze der Soros-Gegner. Im Wahlkampf 2018 bezeichnete er Oppositionelle als „Soros-Söldner“. Eine von einer Soros-Stiftung finanzierte Universität musste Ungarn mittlerweile verlassen. Im Juli 2018 sprach Orbán von einem „Soros-Netzwerk“, das für Einwanderung stehe. Viktor Orbán unterstellt Soros, einen Plan zu verfolgen, um Millionen Migranten in Europa anzusiedeln und die „nationale und christliche Identität“ der Völker Europas auszulöschen.

An diese Verschwörungslegende knüpfte auch eine Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Soros an. Ungarn warf den beiden dabei vor, illegale Einwanderung zu fördern.

Die Kampagne und vorangegangene Provokationen führten letztlich dazu, dass Orbáns Partei Fidesz von der Fraktion der Konservativen im EU-Parlament, der EVP, vorläufig suspendiert wurde. Ein Beobachtergremium soll die Lage in Ungarn in den kommenden Monaten untersuchen und bewerten. Von dem Bericht wird abhängen, ob Fidesz ihre Mitgliedsrechte wieder vollständig aufnehmen kann – und wenn ja, wann. Quellen: dpa/tagesschau