Opposition hält Reform für Placebo

Eine 42-jährige Frau ging mit Schmerzen in der Brust in ein Kreiskrankenhaus. Dort schnitten ihr Operateure einen Tumor heraus. Nach zwei Wochen entzündete sich die Wunde. Wieder tat es weh – wochenlang. Gutachter stellten später fest: Die Klinik stellte die falsche Diagnose. Ursache der Schmerzen war von Anfang an eine Entzündung der Brustdrüse.

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Eine 42-jährige Frau ging mit Schmerzen in der Brust in ein Kreiskrankenhaus. Dort schnitten ihr Operateure einen Tumor heraus. Nach zwei Wochen entzündete sich die Wunde. Wieder tat es weh – wochenlang. Gutachter stellten später fest: Die Klinik stellte die falsche Diagnose. Ursache der Schmerzen war von Anfang an eine Entzündung der Brustdrüse. Drei Tage Behandlung hätten gereicht, der gutartige Tumor hätte bleiben können. Es ist nur einer von Zehntausenden Fällen von Ärztepfusch.

Nun sollen Patienten leichter Geld, Recht und Genugtuung bekommen. Doch dass dies tatsächlich passiert, halten viele Kritiker für unwahrscheinlich. Das Gesetz fixiere nur geltendes Richterrecht. Viel mehr biete die Reform nicht.

Ärzte sind bei groben Fehlern nun per Gesetz zur Beweisführung verpflichtet, dass ihr Tun nicht Ursache eines Schadens war. Aber ist das nicht schon heute gängige Praxis aufgrund von Urteilen des Bundesgerichtshofs? Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) räumt das ein – aber es mache schon einen Unterschied, dass diese Beweislastumkehr nun im Gesetz stehe.

Und sollten nicht Patienten viel mehr gestärkt werden, indem die Ärzte generell beweisen müssen, dass sie nicht gepfuscht haben? „Ich möchte keine amerikanischen Verhältnisse, bei denen der Arzt als Erstes danach schaut, was bedeutet das für meine Versicherung, was bedeutet das für mein Risiko“, hält Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) dem entgegen.

Eine Risikovermeidungskultur bei den Ärzten will er verhindern. „Aber genau das wollen die Betroffenen, das Risiko für sich vermeiden und kein ärztliches Glücksspiel auf Kosten der Patienten“, meint der Chef der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Heute bekommen Patienten oft kein oder nur spät Recht, wenn sie sich überhaupt darum bemühen. Was das nun im Kabinett beschlossene Gesetz daran ändert, ist noch offen. Ärztelobbyismus und leere Versprechungen werfen SPD, Grüne und Linke den FDP-Ministern vor. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sprach von einem Placebo. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink warnte, künftig könnten sich Ärzte im Streitfall sogar leichter auf die Einwilligung des Patienten im geplanten Behandlungsvertrag berufen.

Was passiert noch im Gesetzgebungsverfahren? An Vehemenz zunehmen wird die Debatte über einen Entschädigungsfonds, der schnelle Hilfe verspricht – auch ohne dass Vorwürfe letztgültig geklärt sind. Derzeit setzt die Koalition hier auf eine Stiftung analog der für Aidsopfer. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery baut beim Ärztetag in Nürnberg schon einmal vor: „Wir haben in Deutschland als Grundprinzip, dass Entschädigungen auf der Basis eines nachgewiesenen Schadens und eines Schädigers beruhen.“ Dabei soll es aus seiner Sicht auch bleiben.