Kritik: Groteskes Anarcho-Drama

Schwerkraft
Frederik (Fabian Hinrichs) geht bei Vince (Jürgen Vogel) in die Lehre. Foto: Verleih

Frederik Feinermann ist ein pedantischer bis zwanghafter Langweiler wie er im Buche steht: Gutverdienender Bankangestellter mit antiseptisch sauberer und aufgeräumter Luxuswohnung, der sich jeden Morgen auf seinem Hometrainer abrackert, bevor er in Reih und Glied aufgehängte Anzug und Hemd vom Bügel nimmt, anzieht und in die Bank geht. In seiner Freizeit klaut er allerdings schon mal CDs und abends spioniert er seiner Ex-Freundin mit der Kamera hinterher. Unheimlich ist er schon da. Doch dann gerät das geordnete Leben des Yuppies aus den Fugen. Subtil wie rasant erzählt Maximilian Erlenwein in „Schwerkraft“ von zwei ungleichen Freunden, die auf der Suche nach ihrem Platz im Leben in eine Katastrophe schliddern.

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Frederiks (großartig gespielt von Fabian Hinrichs) Sicherungen knallen durch, als sich ein Kunde vor seinen Augen erschießt, nachdem er ihm freundlich lächelnd den Kredit gekündigt hat. Zunächst äußerlich unberührt, wird ihm die Sinnlosigkeit seines Jobs und die Einsamkeit in seinem Leben deutlich – nicht mal seine Putzfrau will sich nach seinem traumatischen Erlebnis mit ihm unterhalten, versteht nicht einmal, was er ihr gerade erzählt. Und statt dem Rat seines aalglatten Chefs zu folgen, einfach weiter zu machen, bricht Frederik bei ihm ein. Dabei verliert er dummerweise seine Kreditkarte, mit der er eine Tür im Haus öffnen wollte.

Sein alter Kumpel Vince Holland (Jürgen Vogel), der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und Frederik beim CD-Klau erwischt hat, kommt ihm da gerade recht. Nach dem Kick des ersten Einbruchs, beschließt er bei Vince in die Lehre zu gehen – als Profi-Gangster. Zunächst erinnert das Drama der beiden Looser an „Die fetten Jahre sind vorbei“, doch schnell wird klar, dass Vince und Frederik ihre Einbrüche nicht als Gesellschaftskritik verstanden wissen wollen, sondern sie einzig und allein der Geldbeschaffung dienen. Doch erwartungsgemäß hält das Glück der grenzenlosen Freiheit nicht lange an.

Erlenwein, der mit dem Film bereits den First Steps Award 2009 und im Januar den Max Ophüls Preis gewonnen hat, beschreibt in dem grotesken und zugleich bedrückenden Drama die Generation 30plus, die nicht so recht weiß, wohin ihr Leben führen soll. Dabei bedient er sich rasanter Schnitte und einer meist sehr klaren Bildsprache. Geschickt nutzt er die Beats der ehemaligen Band von Vince und Frederik, Psychobility, um seiner Geschichte das jeweilige Tempo zu geben.

Grandios dabei auch die beiden Hauptdarsteller Jürgen Vogel als Ex-Knacki, der seine kriminelle Vergangenheit eigentlich hinter sich lassen will und Fabian Hinrichs als scheinbar angepasster, gesellschaftskompatibler Frederik, der das Establishment hinter sich lässt und die Anarchie für sich entdeckt. Dafür ist Hinrichs mehr als verdient für den Deutschen Filmpreis nominiert. Überzeugend auch Nora von Waldstätten als kühle, ein wenig entrückte Ex-Freundin Nadine, der sich Frederik in seinem neuen Anarcho-Leben endlich auch real wieder zu nähern traut.