Kommentar: Mehr Patientensicherheit kostet viel Mut der Ärzte und mehr Geld

Wenn ein Arbeitnehmer einen Fehler macht, dann muss seine Firma im schlimmsten Fall vielleicht hinnehmen, dass der Kunde eine Lieferung reklamiert und eine Ware neu hergestellt werden muss. Oder wenn ein Verwaltungsangestellter einen groben Schnitzer macht, dann muss eine Stadt vielleicht einen hohen finanziellen Schaden in Kauf nehmen.

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Doch wenn ein Arzt im Krankenhaus oder in seiner Praxis einen Kunstfehler macht, dann kann dabei ein Mensch sterben. Das ist eine riesige Verantwortung für einen einzelnen Menschen. Nicht alle der immer noch von vielen Bürgern als Halbgötter in Weiß angesehenen Mediziner sind in der Lage und dafür ausgebildet worden, sich dieser Verantwortung zu stellen. Dies sollte man bedenken, bevor man vorschnell über die gestiegene Zahl der Ärztefehler urteilt. Die Statistik der Bundesärztekammer zeigt, dass Patienten immer mündiger werden und sich bei Behandlungsfehlern zu wehren wissen. Wie die Ärztevertreter damit umgehen, belegt aber auch, dass sie sich der Fehlbarkeit ihres Berufsstandes stellen wollen.

Selbst Patientenlobbyisten wie der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Hardy Müller, haben längst erkannt, dass es nicht darum gehen darf, Ärzte wegen ihrer Fehler an den Pranger zu stellen. Müller plädiert für eine Sicherheitskultur. Er wünscht sich, dass Ärzte in Kliniken und Praxen offen über Fehler sprechen können. Denn nur dann lassen sie sich aus seiner Sicht vermeiden. Und nur dann ist möglich, was sich laut Müller viele Patienten nach einem Kunstfehler am meisten wünschen: dass die behandelnden Ärzte sich bei ihnen zumindest entschuldigen. Um dies zu erreichen, wäre es auch völlig kontraproduktiv, die Beweislast bei allen Fällen umzukehren und den Ärzten aufzubürden. Denn in der Tat würde das eintreten, was viele Experten befürchten: Dann würden die Mediziner – wie in den USA zu beobachten – aus Angst vor Klagen riskante Operationen meiden. Doch genau dies darf in einem modernen Gesundheitssystem, das sich am Wohl der Patienten orientiert, nicht passieren.

Apropos Patienten: Sie sind zunächst auch selbst gefordert. Jeder mündige Patient sollte bei einer komplizierten Operation wenn möglich die Meinung eines zweiten Arztes einholen. Doch in der Pflicht steht vor allem die Politik. Der schwarz-gelbe Entwurf zum Patientenrechtegesetz ist viel zu hasenfüßig, hält nur das fest, was längst höchstrichterlich entschieden ist und überträgt die Verantwortung für die Vermeidung von Ärztefehlern an die Mediziner. Checklisten und Standards bei Operationen gehören in Gesetze, nicht in die Selbstverantwortung der Ärzte. So werden Patienten besser geschützt und können ihre Rechte leichter einklagen. Und wenn sich diese Klagen – wie nicht selten in Gerichten zu beobachten – über Jahre hinziehen, brauchen Opfer endlich schnelle Hilfe aus einem Entschädigungsfonds. Das kostet Geld – doch mehr Patientensicherheit gibt es nicht zum Nulltarif.

E-Mail an den Autor: christian.kunst@rhein-zeitung.net