Kommentar: Ist der Karneval noch zu retten? Ja, aber nur selbstkritisch!

Es ist ein schleichender Prozess, den niemand so recht aufzuhalten vermag: „In spätestens 20 Jahren ist Aschermittwoch – aber dann für immer!“, unkte dieser Tage ein altgedienter Aktiver der Koblenzer Fastnacht. Steckt der Karneval tatsächlich in der Krise? Die Antwort ist so vielfältig wie unser Narrenland zwischen Rhein und Mosel, Nahe und Sieg: Sitzungen, Bälle und Umzüge werden gestrichen, Partys und Kneipenkarneval feiern fröhliche Urständ.

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Vielerorts klagen Vereine über mangelnde Unterstützung aus den eigenen Reihen: Die Zahl der (ehrenamtlichen) Macher und Schaffer bei Sitzungen oder im Wagenbau schwindet zunehmend. Die Inaktiven lassen sich allenfalls bespaßen – mit einem immer höheren Anspruch an professionelles Entertainment auf TV-Niveau.

Nachwuchs in der Bütt? Es gibt ihn oft nicht, und es wird wenig Vorbildliches unternommen, dies zu ändern. Da versagen Verbandsfunktionäre und viele Vereine auf ganzer Linie. Allenfalls Tanzgruppen erfreuen sich eines regen Zulaufs: das regelmäßige Training als preiswerter Ersatz für die Mucki-Bude. Gesellschaftliche Bindung und Identifikation mit dem Verein – Fehlanzeige!

Das Bild des Karnevals und der Fastnacht hat sich extrem gewandelt – und das nicht immer zum Besten. Dazu tragen auch neue Veranstaltungsformate, bei denen Alkohol allein die Präsidentschaft übernimmt, bei. Kaum kontrollierbar sind Alkoholexzesse entlang von Zugstrecken oder bei spontanen Gelagen auf Straßen und Plätzen. Da zeigt der Karneval seine hässlichste Fratze und redet seinen Kritikern selbst das Wort! Allenfalls als Tropfen auf dem heißen Stein wirken dabei honorable Aktionen, bei denen Jugendliche ohne Alkohol in der Disco behütet abfeiern können wie in Koblenz.

Welche Zukunft hat also das bunte Narrentreiben noch? Nach wie vor eine große, wenn sich die Vereine – Aktive wie Inaktive – tatsächlich einer kritischen Selbstbewertung unterziehen und – wo nötig – Korrekturen vornehmen. Wenn die Fastnacht zum Beispiel zu ihren Wurzeln zurückfindet: dem närrischen Diskurs mit der Gesellschaft. Närrische Ämter wie Elferrat, Prinzenpaar und Präsidenten waren einst die Persiflage auf „Obrigkeiten“. Heute sind sie nicht selten deren Schoßhunde. Die Narrenschau mutiert zur selbstverliebten Show. Dabei gerät die Existenzsicherung des rheinischen Brauchtums ins Hintertreffen. Die närrische Schlacht aber wird in der Bütt und auf der Bühne geschlagen – nicht auf dem Golfplatz. Der Blick nach vorn fehlt. Das permanente Schielen nach potenziellen Sponsoren macht die Fastnacht zudem nur anfällig und abhängig.

Die Krise im Karneval ist – jenseits von Gema-Diskussionen, Fernsehfastnacht und Hallenproblemen – oft hausgemacht. Wer seinen eigenen Weg geht, den Spagat meistert zwischen Tradition und Innovation, den Verein als Gemeinschaft aller versteht und dabei unabhängig bleibt, für den ist jeder Tag ein Rosenmontag. Viele positive Beispiele im Land machen Mut!

E-Mail: peter.burger@rhein-zeitung.net