Juli 2011: Ende eines Mittsommers

Ferieninsel Utøya
Idylle, die zum Ort der Trauer, aber auch des Trosts wurde: die Ferieninsel Utøya im Tyrifjord nordwestlich von Oslo. Foto: DPA

Freitag, 22. Juli, 15.26 Uhr: In Norwegen endet das sichere Leben. Eine Bombe explodiert in Oslo, wenig später fallen Schüsse auf der Ferieninsel Utøya, viele sterben. Ein Massenmord im Mittsommer.

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Mittsommer – die schönste Zeit des Jahres für die Norweger, die dann traditionell aufblühen und das Licht feiern. Wie alle Skandinavier. Strahlende Menschen, wohin man auch blickt. Freude Allerorten. Doch dieser Mittsommer 2011 sollte jäh beendet werden.

Es war am späten Freitagnachmittag, als in unsere Redaktionskonferenz diese Eilmeldung platzte: „Explosion im Osloer Regierungsviertel“. Schon bald gab es die ersten Spekulationen: ein islamistischer Terroranschlag? Eine Gasexplosion? Ein Amoklauf?

Wiederum wenig später die nächste Eilmeldung: „Schüsse in einem sozialistischen Jugendlager auf der Ferieninsel Utøya.“ 40 Kilometer von Oslo entfernt. Und schon bald hieß es: „Es gibt einen Zusammenhang.“

Besuch auf der Todesinsel
Überlebende des Massakers und Angehörige auf Utoya
Foto: DPA
Es waren die Stunden, in denen Norwegen in Schockstarre verfiel, in denen der rechtsradikale Anders Breivik – ein Norweger, einer von ihnen – 77 Menschenleben eiskalt auslöschte, davon allein 69 im Jugendlager. Getrieben von abgrundtiefem Hass gegen den Islam, gegen Linke und gegen alles Fremde, wie der 32-Jährige später bereitwillig gestand. Neun Jahre lang soll er seine perfiden Taten geplant haben.

In der Osloer Innenstadt zündete er einen selbst gebastelten Sprengsatz aus Chemikalien und Kunstdünger, den er sich zuvor umfangreich besorgt hatte. Als verkleideter Polizist fuhr er danach mit einem Taxi zur Insel Utøya, eröffnete sofort das Feuer, erschoss Dutzende Kinder und richtete sein Schnellfeuergewehr noch auf sie, als sie ins Wasser sprangen und um ihr Leben schwammen. Breivik wollte möglichst viele Menschen töten, sollte er später sagen. Auch ein Anschlag auf das Osloer Schloss war geplant.

Einsatz in Utoya
Einsatz in Utoya: Lebensretter bringen einen Verletzten zum Notarztwagen.
Foto: DPA
Fast eineinhalb Stunden mordete Breivik auf der Ferieninsel, ließ sich dann widerstandslos festnehmen und bezeichnete im Geständnis seine Taten als „grausam, aber notwendig“. Wenige Stunden vor dem Massenmord hatte der 32-Jährige seinen tödlichen Plan im Internet verbreitet, sein 1500-seitiges Manifest „2083“, nach dem Europa von Marxismus und Islamisierung befreit werden sollte, auch an Mitglieder der rechtsextremen Szene in Deutschland verschickt, darunter an die NPD in Berlin.

2012 wird sich Breivik, von dem sein Vater sagt, er hätte „sich lieber sein eigenes Leben nehmen sollen, statt so viele andere Menschen zu töten“, für jeden einzelnen der Morde verantworten müssen.

Da Gutachter ihn als unzurechnungsfähig einstufen, kann der 32-Jährige nicht zu Haft verurteilt, sondern nur in eine Psychiatrie eingewiesen werden. Die Menschenleben, die Breivik in seinem Wahn ausgelöscht hat, wird kein Strafmaß der Welt wiederbringen. Den Norwegern, die bis zu diesem Tag im Juli überhaupt keinen Terror kannten, bleiben nur die Trauerarbeit und die Gewissheit, dass nichts mehr so sein wird, wie es war.

Von unserem Redakteur Rainer Stauber

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