Interview mit Vatikan-Korrespondent: Ein Papst kann viel durchsetzen

Andreas Englisch lebt seit 25 Jahren als Vatikan-Korrespondent in Rom und ist einer der erfolgreichsten religiösen Autoren. Wir haben mit ihm gesprochen.

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Herr Englisch, ist Papst Franziskus der neue Johannes XXIII.?

Der Vergleich liegt nahe. Die Art und Weise, wie er die Menschen für sich einnimmt, ist sehr mit Johannes XXIII. zu vergleichen. Was die Kirche aber insbesondere prägen wird, ist, dass er aus Lateinamerika stammt.

Ist die Herkunft so entscheidend?

Ja. Er sieht die Welt mit ganz neuen Augen. Allein schon, dass er der erste Papst ist, der auch den Lebensstil des heiligen Franziskus als Vorbild hinstellt. Das ist revolutionär! Ein Papst, der nicht im Apostolischen Palast, sondern im Gästehaus wohnt. Ein Papst, der all die prächtigen Kleider nicht tragen will.

Wie haben Sie Papst Franziskus persönlich erlebt?

Er ist atemberaubend, ich kann es nicht anders sagen. Angefangen mit den Gesten, die er zu Beginn sofort setzte. Dass er sich nach der Wahl geweigert hat, in die bereitgestellte Luxuskarosse zu steigen, sondern dass er lieber mit allen anderen Kardinälen im Bus gefahren ist. Er zeigte: Mit der Tradition der Päpste, die sich als Könige und Oberhäupter eines Kirchenstaats sahen, hat Franziskus endgültig gebrochen.

Wie kommt Franziskus damit klar, dass er so ein Hoffnungsträger für so viele Leute ist?

Ich glaube, dass er das gar nicht so spürt. Er sagt immer, dass er doch heute genau das Gleiche macht wie früher in Buenos Aires. Er fühlte sich immer bei den Armen und Einfachen wohl.

Welche Macht hat ein Papst, um Reformen einzuleiten?

Das kommt auf den Papst an! Johannes Paul II. hat oft gezeigt, was ein Papst durchsetzen kann. Das berühmteste Beispiel ist wohl sein Gebet in der Moschee von Damaskus. Vor ihm hatte noch nie ein Papst eine Moschee betreten und darin gebetet. Johannes Paul II. hat es getan, obwohl alle dagegen waren.

Das Gespräch führte Michael Defrancesco

Andreas Englisch: „Franziskus– Zeichen der Hoffnung“, C. Bertelsmann, 288 S., 17,99 Euro