Koblenz

Integrationsserie – Hintergrund: Lebenstraum endete oft in Baracken

Fatal war für viele Arbeitsmigranten in Koblenz die Wohnsituation. Eigentlich war die Unterbringung der ausländischen Arbeitnehmer staatlich geregelt: Nur jene Unternehmen durften Ausländern einen Arbeitsvertrag anbieten, die „angemessenen“ Wohnraum zur Verfügung stellen. Was angemessen ist – das wurde sehr unterschiedlich ausgelegt.

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Koblenz – Fatal war für viele Arbeitsmigranten in Koblenz die Wohnsituation. Eigentlich war die Unterbringung der ausländischen Arbeitnehmer staatlich geregelt: Nur jene Unternehmen durften Ausländern einen Arbeitsvertrag anbieten, die „angemessenen“ Wohnraum zur Verfügung stellen. Was angemessen ist – das wurde sehr unterschiedlich ausgelegt.


In der Regel wurden die Migranten in Baracken auf dem Firmengelände untergebracht, meist mit zwei bis drei Doppelstockbetten für vier bis sechs Personen in einem kleinen Raum. Für 20 Bewohner musste es mindestens eine Dusche mit warmem und kaltem Wasser geben, außerdem eine Kochgelegenheit. Männer und Frauen sowie Arbeiter in verschiedenen Schichten mussten getrennt untergebracht werden. Gerade kleine Firmen scheuten oft die Kosten für die Unterbringung und schlugen provisorische Baracken auf oder brachten ihre Arbeiter in Zimmern in Pensionen oder Privathäusern unter, die die Vorgaben nicht erfüllten.
In der Stadt waren die „Gastarbeiter“ in diesen ersten Jahren kaum präsent. Private Kontakte gab es nicht, man blieb unter sich in den Wohnheimen.
Ab Mitte der 60er-Jahre suchten sich immer mehr Arbeiter eigene Wohnungen, was ihre Wohnsituation aber oft nicht verbesserte. Meist bekamen die Arbeitsmigranten nur einfachste Wohnungen zu überhöhten Preisen. „Sie wurden regelrecht abgezockt, Privatvermieter haben die letzten Löcher vermietet“, sagt die Historikerin Dr. Henriette Holz. Der Standard lag deutlich unter dem, was die meisten in der Heimat gewohnt waren – ein Schock im vermeintlich reichen Deutschland. Waren eigene Badezimmer in Südeuropa bereits die Regel, fanden sich die Migranten auf einmal in unsanierten Wohnungen ohne Badezimmer, Heizung und mit Toilette im Flur oder sogar im Hof wieder – ein Niveau der Vorkriegszeit.
In den 70er-Jahren häuften sich in der Rhein-Zeitung Berichte über die skandalösen Wohnumstände. Eine Überschrift über einem Artikel aus Neuwied aus dem Jahr 1973 lautet: „Weil du Ausländer bist, musst du mehr bezahlen. Kleine Kinder leben zwischen Schwammwänden und Ratten“. Aus Neuendorf und Lützel gab es ähnliche Berichte.
Die Konzentration von ausländischen Bewohnern in diesen Stadtteilen entwickelte sich seit den 60er-Jahren. Die vom Hochwasser geplagten Arbeiterviertel waren vorher schon nicht gerade vornehm und zählten zu den benachteiligten Wohngegenden. Für Migranten war es schwierig, in besseren Quartieren eine Wohnung zu finden. Der Familiennachzug in den 70ern tat sein Übriges: Die Nachkommenden ließen sich meist in der Nähe ihrer Angehörigen nieder, sodass der Migrantenanteil seit den „Gastarbeiter“-Jahren ungebrochen hoch ist.

Von unserer Redakteurin Stephanie Mersmann