Im Amt bis 2016? – Kurt Beck kann gar nichts anderes sagen

Versuchen wir, uns für einen Moment in die Rolle des Ministerpräsidenten hineinzuversetzen. Was soll Kurt Beck auf die obligatorische Frage nach der Länge seiner Amtszeit antworten? „Ich weiß noch nicht, wie lange ich im Amt bleibe.“ Oder: „Ich werde mich zu gegebener Zeit zu dem Thema äußern.“ All diese ausweichenden Repliken erzeugen Unsicherheit, provozieren Nachfragen, nähren Spekulationen. Und all das würde Kurt Beck schaden.

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Versuchen wir, uns für einen Moment in die Rolle des Ministerpräsidenten hineinzuversetzen. Was soll Kurt Beck auf die obligatorische Frage nach der Länge seiner Amtszeit antworten? „Ich weiß noch nicht, wie lange ich im Amt bleibe.“ Oder: „Ich werde mich zu gegebener Zeit zu dem Thema äußern.“ All diese ausweichenden Repliken erzeugen Unsicherheit, provozieren Nachfragen, nähren Spekulationen. Und all das würde Kurt Beck schaden.

Der Ministerpräsident ist lang genug im Geschäft, um die Wirkung politischer Botschaften zu kennen – der ausgesprochenen wie der unausgesprochenen. Von daher kann er derzeit gar nichts anderes sagen als: „Ja, ich bleibe bis 2016 im Amt.“ Und: „Ja, mir macht das Regieren Spaß.“

In der Politik geht es ein wenig zu wie an der Börse. Vieles ist spekulativ, von Stimmungen geprägt. Die Werte eines Politikers bemessen sich nicht allein an der nüchternen Leistungsbilanz, sondern nach dem Eindruck, der entsteht. Ein Ministerpräsident muss auf jeden Fall vermeiden, dass er zum Kabinettschef auf Abruf wird, zur „lame duck“, zur „lahmen Ente“, wie es in den USA heißt. Versprüht er keinen Optimismus und keine Tatkraft mehr, schwindet seine politische Durchsetzungskraft, erstarken die politischen Gegner wie von selbst.

Wenn Kurt Beck jetzt noch einmal ausdrücklich betont, dass er bis 2016, also bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben will, ist das nur folgerichtig. Er hat es ohnehin schwerer als in allen anderen Amtszeiten. Sein Stern strahlt nicht mehr so hell, weil andere, die ihn beerben wollen, an Strahlkraft gewinnen. Die innerparteilichen Gewichte fangen an, sich langsam zu verschieben. Wer in der SPD Karriere machen möchte, pirscht sich an die möglichen Nachfolger heran. Ihre Gunst verheißt Zukunft, ihre Ideen geben die künftige Richtung vor. Der Marktwert der beiden Kronprinzen, Innenminister Roger Lewentz und Fraktionschef Hendrik Hering (beide SPD), ist enorm gestiegen. Kurt Beck wiederum tut alles, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er die Zügel schleifen lässt, weil er keine Wiederwahl mehr fürchten muss. In der Staatskanzlei ist die Schlagzahl eher noch gestiegen. Der Ministerpräsident absolviert nach wie vor Tag für Tag ein Mammutprogramm, das ihm nur wenig private Spielräume lässt. Kurt Beck ist ein Arbeitstier, detailversessen, unglaublich belesen, ein begnadeter Strippenzieher weit über Mainz hinaus, ein erfahrener politischer Instinktmensch, der mit seinen Vorhersagen und Prognosen oft erstaunlich gut liegt.

Doch wird er über seinen Schatten springen, wenn es darum geht, seinen Rückzug rechtzeitig einzuleiten? In der SPD sind die drängenden Stimmen, die sich einen frühen Wechsel wünschen, vernehmbar leiser geworden. Niemand will Kurt Beck ernsthaft beschädigen. Keiner, der etwas zu sagen hat, möchte innerparteilichen Streit provozieren. Wenn Beck noch nicht gehen will, werden alle – nach außen hin – so tun, als wäre das der beste Plan. Die SPD hat ihr Erfolgsrezept in Rheinland-Pfalz zu lange perfektioniert, um jetzt davon abzuweichen. Es lautet Geschlossenheit, Geschlossenheit und noch einmal Geschlossenheit.

Doch auch wenn der innerparteiliche Ruf nach Reform und Wandel derzeit nur noch als Flüstern zu hören ist, ziehen die Argumente noch immer. Die Beck'sche SPD strahlt wenig Frische aus. Sie wird dominiert von einem Patriarchen, der vieles besser weiß und dem kaum einer mehr als Gegenüber gewachsen ist. So etwas blockiert Veränderung. Würde entweder Lewentz oder Hering zur Mitte der Legislatur Regierungschef, stiegen die Chance des Beck-Nachfolgers, die SPD 2016 erneut zum Sieg zu führen.

Keine Frage: Kurt Beck ist ein Typ Politiker, der bis zur letzten Minute seiner Amtszeit sein ganzes Können, Wissen und vielleicht sogar seine Gesundheit einbringt. Das verdient Respekt. Der Regierungschef gestaltet gern, hat die langen Linien im Blick. Und er versteht es meisterlich, eine Koalition zusammenzuhalten. Als früherer SPD-Bundesvorsitzender gehört er zudem zu den einflussreicheren Ministerpräsidenten. Er kennt fast alles, was Rang und Macht hat, lange persönlich.

Aber Becks Stärke ist auch seine Schwäche. Er müsste Platz machen, um jemanden aus seinem langen Schatten treten zu lassen. Die SPD in Rheinland-Pfalz muss lernen, ohne ihn Wahlen zu gewinnen. Jemanden aufbauen, dem die Bürger die Geschicke des Landes anvertrauen wollen. Und Kurt Beck selbst? Wenn er seinen Rückzug nicht zu lang herauszögert, wird die Partei ihn auf Händen tragen. Wartet er über die Zeit, wächst das Gemurre derer, die etwas Neues beginnen wollen. Am Ende entscheidet Beck selbst, wann er geht. Doch wann er geht, entscheidet auch stets darüber, wie er gehen wird.

E-Mail: dietmar.brueck@rhein-zeitung.net