Mainz/Tuttlingen

„Gefällt mir“ nun auch bei Facebook-Alternative Diaspora – 17-Jährige Deutsche gehören zu Kernentwicklern

Der „Gefällt mir“-Button hat bei der möglichen Facebook-Alternative Diaspora Einzug gehalten. Die Neuerung hat durchaus symbolischen Charakter, nachdem neugierige Nutzer zum Start vielfach enttäuscht waren. Doch Diaspora mausert sich, und maßgeblich beteiligt sind drei 17-Jährige aus Süddeutschland.

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Mainz/Tuttlingen – Der „Gefällt mir“-Button gehört nicht mehr nur Facebook: Er hat jetzt auch bei der möglichen Alternative Diaspora Einzug gehalten. Die Neuerung hat durchaus symbolischen Charakter, nachdem neugierige Nutzer zum Start vielfach enttäuscht waren. Doch Diaspora mausert sich, und maßgeblich beteiligt sind drei 17-Jährige aus Süddeutschland.

Dennis Schubert, Sebastian Gruhler und Markus Abrell (von links) sind 17 – und treiben Diaspora in Deutschland maßgeblich voran. In der Schule haben sie es da nicht immer einfach.
Dennis Schubert, Sebastian Gruhler und Markus Abrell (von links) sind 17 – und treiben Diaspora in Deutschland maßgeblich voran. In der Schule haben sie es da nicht immer einfach. „Da sehen viele gar kein Problem, wer was mit ihren Daten macht.“
Foto: Lars Wienand

„Alpha“ steht noch auf dem Kopf der Internetseite. Es wird wohl nicht mehr so lange dauern, bis dort Beta steht und es eine API-Schnittstelle gibt, sagt einer der Entwickler. „Wir trauen uns noch nicht, viele Nutzer erwarten dann wieder einen Funktionssprung.“ Dabei kann sich Diaspora inzwischen durchaus sehen lassen. In Rheinland-Pfalz wird deshalb überlegt, es in die Strukturen der professionellen Jugendarbeit einzubinden.

Auch „Dislike“-Button geplant

Geraspora ist die Heimat von mehr als 8000 Nutzern von Diaspora – buchstäblich. Deren Daten liegen auf dem Server „GERman diASPORA“. Diaspora ist der Gegenentwurf von Facebook, die Daten sollen auf möglichst vielen dezentralen Server isoliert liegen, idealerweise hat jeder Nutzer seinen eigenen.

Nach der Anmeldung wird gefragt, ob man die Türe zu Facebook öffnen will. Die Integration macht es möglich, ausgewählte Facebook-Freunde einzuladen. Es ist aber auch möglich, Status-Updates aus Diaspora bei Facebook zu veröffentlichen. Das ist auch unter den Entwicklern umstritten. Allerdings halten es die Macher für notwendig, um neuen Nutzern Diaspora schmackhaft zu machen.

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Eine Statusmeldung, hier vom dreiköpfigen Geraspora-Team.

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Eine „Freundschaftsanfrage“, die nicht so heißt. In diesem Beispiel geht eine Anfrage an das Geraspora-Team, das zugleich dem Aspekt „Workshop“ zugeordnet wird. „Aspekte“ sind Gruppen, und beim Versenden von Statusmeldungen kann der Nutzer entscheiden, ob er seine Nachricht nur an bestimmte Gruppe – also etwa unter dem Aspekt Familie – senden will oder an alle, mit denen geteilt wird.

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Hier entsteht eine Statusmeldung an alle, mit denen man Inhalte teilt, ...

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... die dann in der Timeline so aussieht. Auch andere Videoplattformen sollen perspektivisch eingebunden werden.

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Wer gefunden werden will, wird auch angezeigt.

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Ein Nutzer verbreitet einen Link. In diesem Fall kurz vor der Einführung der „Gefällt mir“-Funktion, sonst hätte die Nachricht von den Facebook-kritischen Nutzern wohl einige „Daumen nach oben“ mehr bekommen.

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Blick in das Fach für die (System-)Benachrichtigungen.

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Und so sieht es im Postfach der Direktnachrichten aus. Diese Nachrichten können auch an mehrere zugleich verschickt werden. Das Foto zeigt den Autor der ersten Nachricht, der Name zeigt an, wer zuletzt dazu geschriebn hat.

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Auch Diaspora erkennt Erwähnungen anderer Nutzer.

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Nur nicht zu früh die Erwartungen zu hoch hängen, meinen aber Dennis Schubert, Markus Abrell, und Sebastian Gruhler. Sie sind das Geraspora Team und tragen nicht nur mit ihrem Zugang zu Diaspora viel dazu bei, dass die Erwartungen mit Recht wachsen können. Das Trio darf sich als ein Teil des siebenköpfigen Kernentwicklerteams fühlen, das den Gegenentwurf zu Facebook vorantreibt. Die Daten der Nutzer liegen dezentral, sie gehören den Nutzern, es gibt kein AGB-Dickicht. Facebook hat in seinem Rechenzentrum Zugriff auf die Daten seiner mehr als 700 Millionen Mitglieder und arbeitet stetig daran, möglichst auf noch mehr Wegen mehr zu erfahren. Das gefällt nicht allen. Bei Diaspora würden da wohl besonders viele den „Gefällt mir nicht“-Button drücken. Den wird es auch geben, wie die drei auch im Video-Interview bestätigen.

Idee war furios gestartet

Die Idee, die der US-Amerikaner Maxwell Salzberg mit Diaspora hatte, kam im vergangenen Jahr so gut an, dass das Projekt über die Seite kickstarter mit Spenden zu 2000 Prozent überfinanziert wurde, wie er auch vor kurzem auf der Re:Publica in Berlin erklärte (Video). 10.000 Dollar hatte er erzielen wollen, 200.000 kamen zusammen – das bis dato erfolgreichste Crowdfunding-Projekt. Die Idee fanden wohl viele bestechend – teile, was Du willst, mit wem Du willst. „Das macht uns anders und eventuell durchsetzungsfähig“, glaubt Markus Abrell aus dem Trio.

Der Alpha-Code kam raus, als Facebook gerade mal wieder besonders unter Beschuss stand. Doch der neue Heilsbringer war noch unreif, viele technisch wenig bewanderte Nutzer fühlten sich verlassen in der Diaspora und kehrten ihr den Rücken. Das Trio aus dem Raum Tuttlingen, zwei Schüler an einem technischen Gymnasium und ein Azubi zum Fachinformatiker, blieb dabei. Open Source, das Entwickeln von Software mit vielen anderen, fanden sie gut, für Datenschutz sensibilisiert waren sie auch. Also entwickeln sie in ihrer Freizeit, etwa an der API für Plugins – und haben anderen eine Heimat bei Diaspora gegeben.

Daten von mehr als 8000 Nutzern

Mehr als 8000 Nutzer haben ihre Daten auf dem Pod „Geraspora“, das damit das größte Diaspora-Zuhause in Deutschland ist. Der Grundgedanke ist eigentlich, dass möglichst viele Nutzer ihren eigenen Server aufsetzen – doch das ist nicht so einfach; und bei den Dreien ist es unkompliziert, eine Einladung ist auch bei ihnen anders als etwa beim eigentlichen JoinDiaspora-Server nicht nötig. Die Schattenseite: Ende März hatten sie technische Probleme und entschuldigten sich in ihrem Blog, dass Nutzerdaten vom Wiki und vom Forum verloren gingen. Backupspace ist teuer.

Kosten übersteigen Spenden

Und von überreicher Unterstützung wie Salzberg können die Drei nur träumen. Trotz Flattr-Button und PayPal-Möglichkeit legen sie Monat für Monat drauf. Etwa 20, 25 Euro seien in den vergangenen Monaten jeweils reingekommen, 70, 80 Euro kostet sie der Server im Monat. „Ich habe ja ein Azubi-Gehalt, das geht“, sagt Dennis Schubert.

Wenn Facebook daran arbeitet, wie noch mehr über die Nutzer und deren Vorlieben in Erfahrung zu bringen ist, dann bringen die Entwickler von Diaspora über Feedback-Programme in Erfahrung, welche Vorlieben die Nutzer für das Netzwerk haben: Über die Programme UserVoice und GetSatisfaction gehen Wünsche zur Umsetzung ein, die dort auch bewertet werden können. Die Liste ist lang, die Entwickler stimmen sich ab, wer sich an was macht.

Aus dem Kreis der Nutzer kam auch der Wunsch nach der „Gefällt mir“-Funktion. Ist jetzt umgesetzt, offenbar unter Mitwirkung auch eines Deutschen, MrZYX. Und auch nach „Gefällt mir nicht“. Das wurde aber vorerst wieder deaktiviert.

Die Entwickler gehen Kompromisse ein. Ein Zugeständnis ist auch die Schnittstelle zu dem Netzwerk, zu dem Diaspora doch eine Alternative sein will. Updates können an Facebook übergeben werden. Ein Zugeständnis daran, dass viele Nutzer ihre Brücken nicht abbrechen wollen zu denen, die den Sprung noch nicht gewagt haben. Auch zu Twitter kann kommuniziert werden.

Plattform für Medienpädogen im Land?

Als die Drei den Stand des Projekts bei einem Workshop des Instituts für Medienpädagogik und Medientechnik in Mainz vorstellten, war Begeisterung die Reaktion. Das Institut beim Landesfilmdienst verantwortet etwa auch jugend.rlp.de, die Informationsplattform zum Thema Jugend in Rheinland-Pfalz. Und Inistitutsleiter Albert Treber sieht darin bereits „ein professionelles Werkzeug für unsere Anforderungen an Kommunikation. Wir werden schauen, dass wir es nutzbar für Rheinland-Pfalz.“ Zum einen könnte Diaspora als Plattform zwischen den Menschen dienen, die in der Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz tätig sind. Zum anderen: Die Medienpädagogen in der Fläche werben bei „ihren“ Jugendlichen dafür. Treber ist optimistisch: „Das wird was.“

„Wir könnten uns das gut vorstellen, wir könnten eine Keimzelle sein“, meinte etwa eine Mitarbeiterin der Stadtjugendförderung Bad Kreuznach. Die heißen Diskussionen dort, auf Facebook zu setzen oder nicht, hätten sich dann damit erledigt.

Lars Wienand