Gefährlicher Badespaß – Nur jedes zweite Grundschulkind kann sicher schwimmen

Eine Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG von Dezember 2009 hat gezeigt, dass 45 Prozent aller Schüler gegen Ende der Grundschulzeit nicht sicher schwimmen können.

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Ariane Peters (38) hat ihre Kinder schon im Alter von vier und fünf Jahren zu Schwimmkursen angemeldet: „Mir und meinem Mann war es wichtig, dass die beiden gut schwimmen können. Das ist uns einfach ein Sicherheitsbedürfnis, denn wie schnell hat man als Eltern mal nicht hundertprozentig aufgepasst?“, meint die Kölnerin.

Sie selbst hat im Urlaub schon einmal ein fremdes Kind aus dem Swimmingpool gerettet: „Der Vater hatte sich mit jemandem unterhalten und gar nicht mitbekommen, dass seine Tochter untergegangen war. Das war für mich ein einschlägiges Erlebnis.“

Was bedenklichist: Die tüchtigen Schwimmer werden weniger. In den 70er Jahren waren es laut DLRG zeitweise unter zehn Prozent, die die Grundschule wasseruntauglich verließen.

Zwar haben heutzutage 77 Prozent der Schüler am Ende des vierten Schuljahrs die Anfänger-Prüfung „Seepferdchen“ bestanden, für die sie 25 Meter am Stück schwimmen müssen. „Aber das ist wenig aussagekräftig“, sagt Martin Janssen von der DLRG. „Das ist als Motivation für die Kinder gedacht, weiterzumachen. Aber nur nicht unterzugehen, reicht natürlich nicht aus.“

Sicher wird's erst ab Bronze

Erst mit dem Bronze-Abzeichen fange das sichere Schwimmen langsam an. Es werde aber nur von 55 Prozent der Grundschüler erworben. Für Bronze sind Springen, Tauchen und 200 Meter Schwimmen erforderlich. Deutlich besser sei das Jugendschwimmabzeichen Silber mit 400 Metern in Bauch- und Rückenlage. „Dann erst können sie auch größere Distanzen zurücklegen und sind auch vom Schwimmstil her sicher“, sagt Janssen.

Die Grundschulzeit ist offenbar essenziell fürs Schwimmenlernen. Denn 74 Prozent aller Deutschen lernen laut DLRG zwischen dem fünften und dem zehnten Lebensjahr schwimmen. „Nach dem 18. Lebensjahr sind es dagegen nur noch 5,1 Prozent. Erwachsene tun sich sehr schwer damit“, sagt Janssen. Nur zwei Drittel der unter 18-Jährigen aber können schwimmen, teilte die DLRG in diesem Frühjahr mit.

Nichtschwimmer werden zu sicheren Wasserratten – aber nicht in zehn Schulstunden

Besonders in den ersten Schuljahren sind also Eltern und Schulen gefordert, Nichtschwimmer in sichere Wasserratten zu verwandeln. Doch gerade von den Schulen fühlen sich viele Mütter und Väter im Stich gelassen. „Mein Sohn hatte im dritten Schuljahr gerade einmal zehn Stunden Schwimmunterricht – wer soll in dieser kurzen Zeit zu einem sicheren Schwimmer werden?“, will Ariane Peters wissen.

Auch Adolf Hillebrand vom nordrhein-westfälischen Landesverband des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) in Duisburg sieht „deutliche Schwachstellen in der Schule“: „Es gibt zu wenig Schwimmunterricht, oder er fällt ganz aus. Den Schulen sind die Anfahrtswege zu den Bädern zu lang, sie meinen, dass ihnen zu viel Zeit verloren geht, und obendrein fehlt das Fachpersonal.“

Problem: Es gibt immer weniger Schwimmbäder

Einer Studie der Universität Bielefeld zufolge wird in Grundschulen der Schwimmunterricht zu 50 Prozent von fachfremden Kräften geleitet. 20 Prozent der Grundschulen haben überhaupt keinen Zugang mehr zu Schwimmbädern.

Ein weiteres großes Problem ist, dass immer mehr Schwimmbäder schließen. Nach Angaben der DLRG waren in den vergangenen zehn Jahren 1.100 Bäder davon betroffen. Zudem seien die meisten Bäder in den 60er und 70er Jahren entstanden, so dass nun ein erheblicher Renovierungsbedarf mit hohen Kosten bestehe, sagt Martin Janssen: „Wir sprechen über einen zweistelligen Milliardenbetrag.“

Dies wirkt sich nicht nur auf die Schulen, sondern auch auf die Schwimmkursanbieter aus. Ihnen werden deutlich weniger Zeiten in den Bädern zugestanden. „Die Nachfrage nach Schwimmkursen ist hoch, und die Vereine kommen nicht nach“, sagt Adolf Hillebrand vom Deutschen Schwimm-Verband: „Es gibt Wartezeiten von bis zu sechs Monaten.“

Viele Experten befürchten, dass die Schwimmfähigkeit von Kindern immer mehr eine Frage des Bildungsstands und des Einkommens der Eltern wird. „Bildungsnahe Eltern fördern die Schwimmausbildung ihrer Kinder eindeutig mehr“, sagt Martin Janssen von der DLRG. Und Adolf Hillebrand muss feststellen, dass Kinder mit Migrations-Hintergrund in Schwimmkursen wenig anzutreffen sind. „Sie kommen häufig aus Ländern, wo Schwimmen einfach keine Tradition hat.“

„Eltern sollte klar sein, dass Schwimmen nicht nur ein Kulturgut ist“, sagt Martin Janssen. „Es geht auch und vor allem um die Sicherheit ihrer Kinder.“ In Deutschland sind im vergangenen Jahr 37 Kinder ertrunken.

www.dlrg.de

www.dsv.de