Fortsetzung: Bio, heimisch und frisch auf den Tisch

Federvieh fernab der Legebatterie: Die 21-jährige Patricia Mayer zeigt eines von 350 prächtigen Hühnern, die auf dem Biohof ihrer Eltern viel Freiraum haben.
Federvieh fernab der Legebatterie: Die 21-jährige Patricia Mayer zeigt eines von 350 prächtigen Hühnern, die auf dem Biohof ihrer Eltern viel Freiraum haben. Foto: Werner Dupius

Das Mainzer Umwelt- und Landwirtschaftsministerium hat 2007 das Entwicklungsprogramm Agrarwirtschaft, Umweltmaßnahmen, Landentwicklung mit dem schönen Kurznamen Paul auf den Weg gebracht. Paul-Maßnahmen werden im Rahmen der sogenannten zweiten Säule der europäischen Agrarpolitik von der EU gefördert.

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Paul läuft allerdings Ende 2013 aus, für die Zukunft muss die Art und Weise der Förderung in der EU in Brüssel erst noch ausgehandelt werden. Das Mainzer Landwirtschaftsministerium fordert weiterhin eine adäquate finanzielle Ausstattung der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik – und damit auch des ökologischen Landbaus. Denn durch die steigenden Zahlen im Biobereich sieht sich Rheinland- Pfalz auf seinem Weg bestätigt. Dieser Weg hin zur Ökologie dauerte für die Mayers 15 Jahre.

Schweineleben nach Bioart: Josef Mayer setzt auf dem Biolandhof Sehnenmühle vom Futteranbau bis zur Vermarktung auf einen organischen und regionalen Kreislauf. Neben Kühen und Hühnern gehören 30 Schweine zum Viehbestand.
Schweineleben nach Bioart: Josef Mayer setzt auf dem Biolandhof Sehnenmühle vom Futteranbau bis zur Vermarktung auf einen organischen und regionalen Kreislauf. Neben Kühen und Hühnern gehören 30 Schweine zum Viehbestand.
Foto: Werner Dupius

Erst 2007 war Josef Mayer so weit, seinen Betrieb komplett umzustellen. Seitdem spritzt er keine Chemikalien mehr gegen Unkraut, sondern geht mit natürlichen Mitteln dagegen vor. Vielen Biolandwirten haftet dadurch das Vorurteil an, dass ihre Ackerflächen nicht besonders schön aussehen würden im Vergleich zu „polierten“ Flächen konventioneller Betriebe. Aber der Einsatz von Chemie ist im ökologischen Landbau grundsätzlich verboten – sprießendes Unkraut gehört in einem gewissen Maß dazu.

Mayer erklärt aber, dass er bereits bei der Auswahl der Getreidepflanzen mehr Wert auf hochwachsende und damit mehr Schatten werfende Sorten legt. Zudem wird der Boden gestriegelt, um Unkraut aus dem Acker zu bekommen. Bei dieser Methode wird eine Art Großrechen mit langen Metallspitzen an den Traktor gehängt; der Bauer zieht diesen Striegel bei trockenem Wetter im frühen Wachstumsstadium der Pflanzen sehr langsam über den Acker und Unkraut aus dem Boden.

Aus der Region für die Region: Heike Mayer vermarktet die Produkte des Biolandhofs Sehnenmühle auch im eigenen Hofladen.
Aus der Region für die Region: Heike Mayer vermarktet die Produkte des Biolandhofs Sehnenmühle auch im eigenen Hofladen.
Foto: Werner Dupius

Solche Prozeduren klingen nach viel Arbeit. Für die Mayers hat sich in den vergangenen Jahren allerdings gezeigt, dass es sowohl ihrem Feld als auch ihrem Vieh – und letztlich vor allem den Kunden – gut bekommt, auf Bio zu setzen. „Letztendlich lebt der Biobauer ein Stück weit freier“, sagt Heike Mayer zufrieden. Sie fühlen sich nicht mehr von der Landwirtschaft getrieben, sondern gestalten ihren Weg selbst.

„Es ist auch ein Vorteil, dass wir es einmal anders gemacht haben. Wir haben uns ja bewusst dazu entschieden umzustellen“, erklärt sie. Der wichtigste Grund für steigende Wachstumszahlen im Bereich der Biolandwirtschaft ist jedoch das Kaufverhalten der Verbraucher. Und wie sich dies in der Vergangenheit entwickelt hat, belegt ein kurzer Rundgang durch einen beliebigen Supermarkt. Natürlich beherrscht der Preis – und damit auch die Agrarindustrie und Massentierhaltung – die Regale.

Aber der Biosektor gewinnt auf kleinem Niveau immer stärker an Raum. Das Mainzer Landwirtschaftsministerium, das mit der grünen Politikerin Ulrike Höfken eine frühere Biolandwirtin leitet, erklärt, dass die regionale Nachfrage nach Ökoprodukten weiter steigt.

Ein Milliardenmarkt mit viel Wachstumspotenzial

Nach Angaben der Agrarmarkt Informations- Gesellschaft erreichte der Umsatz mit Bioprodukten im Jahr 2011 in Deutschland 6,6 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland laut dieser Erhebung Marktführer in Europa vor Frankreich. Die Tendenz ist weiter steigend: Nach Angaben des Bundesverbands der ökologischen Lebensmittelwirtschaft legte der deutsche Biomarkt im Jahr 2012 ein Umsatzplus von 6 Prozent hin – und entwickelte sein Volumen auf 7,04 Milliarden Euro.

Auf Basis solcher Zahlen entwickelt das Land Rheinland-Pfalz zurzeit ein „Konzept zur Stärkung des ökologischen Landbaus“. Darin sind als Eckpfeiler vorgesehen: finanzielle Förderung der Unternehmen, Verbesserung der Vermarktungsstrukturen und Stärkung der Beratung und des Versuchswesens. Bio ist nicht nur deshalb beliebt, weil es den Tieren im Zweifelsfall besser geht, sondern auch, weil für den Verbraucher klarer ist, woher das Fleisch kommt, das er verspeisen möchte.

Über die Ohrmarke des Tiers lässt sich im Biobereich immer genau erkennen, aus welcher Region es genau kommt. Wenn der Verbraucher seine Biowaren direkt auf dem Hof kauft, kann er sogar sehen, wo die zum Braten gehörige Kuh gegrast hat. „Der Verbraucher möchte immer in allen Bereichen das Günstigste haben – und alles muss immer verfügbar sein“, sagt Heike Mayer. Es sind Kernprobleme in der Diskussion um immer neue Lebensmittelskandale.

„Der Verbraucher muss auch akzeptieren, dass nicht immer alle Lebensmittel zuhaben sind.“ Auch wenn viele Menschen wissen, dass Erdbeeren im Januar in Deutschland nicht zur Jahreszeit passen; essen wollen sie diese trotzdem gern.

Produkte aus der Region bleiben in der Region

Die Mayers beliefern mit ihren Produkten regionale Biomärkte und haben an drei Tagen ihren Hofladen geöffnet. Sie erleben, wie flexibel Verbraucher sein können, wenn sie nachhaltig einkaufen möchten.

„Die Leute kommen und schauen, was wir in der Truhe haben“, sagt Heike Mayer. Das Angebot bestimmt dabei den Einkaufszettel mit – und nicht andersherum. Dafür stimmt eben die regionale Produktionskette: Nach einem hoffentlich angenehmen Leben kommen die Tiere der Mayers zu einem 30 Kilometer entfernten Bioschlachtbetrieb in der Region – und das Fleisch wird in der Region vermarktet.

Nach Einschätzung des Agrarministeriums lässt sich die Nachfrage nach Biofleisch in Rheinland-Pfalz durch das regionale Angebot komplett abdecken. In Zeiten von Fleischskandalen ist dies kein schlechtes Signal. Denn beim Nicht-Biofleisch, das in Rheinland-Pfalz in die Märkte kommt, ist die Herkunft häufig schwer nachzuvollziehen. Hier ist der Selbstversorgungsgrad im Land viel geringer; beim Rindfleisch beträgt er laut Ministerium 60 Prozent, beim Schweinefleisch nur 17 Prozent. Weitere 25 Prozent des Bedarfs an Schweinefleisch im Land werden über sogenannte Lebendvieheinfuhren aus Westfalen, Niedersachsen, Belgien und den Niederlanden bedient.

Der Rest – also gut 60 Prozent – basiert auf Fleischeinfuhren unterschiedlicher Herkunft. Woher das Fleisch in diesen Fällen kommt, weiß also niemand genau, darüber gibt es keine Statistiken. Für die Mayers hat sich auf ihrem Hof vom Futter bis zum Verkauf ein Kreislauf geschlossen. Sie haben ihren konventionellen Bauernhof in den Biolandhof Sehnenmühle umgewandelt, setzen auf schonenden Landbau sowie die Selbstvermarktung und sind an einer regionalen Vermarktungsgesellschaft für Biogetreide beteiligt.

Auf dem Weg vom Kuhstall zu den den Schweinen erzählt Josef Mayer davon, wie froh ihn sein Umstieg zur Biolandwirtschaft gemacht hat. Er geht mit seiner Frau und Patricia, eines der drei Kinder, über den alten Pflasterweg des Hofs. Als sie seine Schritte hören, rennen die Schweine sofort in den Außenbereich ihrer Scheune. Sie ahnen, dass es Futter gibt.

Josef Mayer beugt sich hinunter zu den munteren Tieren und hält ihnen etwas Silage vor die Schnauze. „Die Arbeit ist ganz anders als früher“, erzählt der 54-Jährige, „der Zeitablauf in unserem Betrieb ist anders, aber es ist auch viel mehr Vielfalt in unserem Tag.“ In einer Zeit, in der viele Landwirte zu Energiewirten werden, weil sie in Biogas- und Windkraftanlagen ihre wirtschaftliche Zukunft sehen, hat sich Mayer ein Stück der alten Landwirtschaft bewahrt.

Er will keine Monokulturen und Dutzende Hektar Mais anbauen, um das eigentliche Futtermittel in eine Biogasanlage zu werfen. Bio ist für ihn das, was er auf ökologische Weise produziert – und was ihn zufrieden macht. „Das Selbstwertgefühl ist ein anderes“, sagt er. Es ist kein idyllisches Bild an der Sehnenmühle im viel zu kühlen grauen Frühjahr.

Die Schweine fressen ihrem Chef nur kurz aus der Hand, dann flüchten sie zurück ins Warme. Auch wenn als Frühlingsboten Wildgänse und Wildenten auf einer Wiese neben den Stallungen angekommen sind, ist der Blick in die Landschaft trüb. Wie hier im Hunsrück und im gesamten Flächenland Rheinland-Pfalz in 20 Jahren die Landschaft aussehen wird, weiß niemand. Wenn weiter Bauernbetriebe verschwinden und im Preiskampf um immer höhere Pachten nur die Großen übrig bleiben, wird das Leben in der Landwirtschaft nicht leichter.

Biobauer Mayer ist froh über seine Nische. Die älteste Kuh auf der Sehnenmühle ist 14 Jahre alt – in vielen konventionellen Betrieben wären auch ihre Kinder längst tot. Mayer setzt auf Nachhaltigkeit und darauf, dass Bio in 20 Jahren noch Trend ist, ganz egal, ob eines seiner drei Kinder den Hof einmal übernimmt.


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