Entertainment, Abriss und Quatsch: Das war YouTube 2015

Eine Münze einwerfen und schon ertönt der Wunschsong – gratis. Was bei der Jukebox von einst undenkbar war, ist im Zeitalter von YouTube ganz normal. Das Videoportal ist gefragt – besonders bei den Kids. Und daher sind es neben den endlosen Film- und Fernsehausschnitten und der schier unüberschaubaren Masse an Selbstgedrehtem – vor allem Videoclips und Chartsongs der Marke Bieber & Co – die massenhaft geklickt werden. Die Google-Tochter YouTube mit ihrem Mega-Datenvolumen ist ein gigantischer Publikationskanal für Musikstars. Und was noch? Wir schauen zurück auf 2015.

Lesezeit: 3 Minuten
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Von René Weiand

Eine Top-Liste der meistgesehenen Videos aller Zeiten bei Wikipedia zeigt es Schwarz auf Weiss. Dort steht tatsächlich noch immer der Dancesong „Gangnam Style“ mit inzwischen unfassbaren 2,4 Milliarden Klicks auf dem ersten Platz. Der massive Erfolg im Netz hievte den Party-Hit des asiatischen Popstars Psy im Jahr 2012 bis in höchste Chartregionen. Auf den Plätzen folgen – weit abgeschlagen, aber dennoch mit Klicks jenseits der Milliarden-Grenze – Musikclips von Taylor Swift, Justin Bieber, Katy Perry und Songs wie „Uptown Funk“ von Mark Ronson Feat. Bruno Mars.

Den Upload von „officialpsy“ können wir uns in Deutschland leider nicht anschauen...

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Auf den insgesamt 30 Plätzen der Top-Liste trifft man in der Mehrheit auf die musikalischen Zugpferde der Major-Plattenfirmen, die YouTube sehr schnell als Marketing-Tool für sich entdeckt und erobert haben. Lediglich drei der Platzierungen sind keine Songtitel: „LittleBabyBum“ (Platz 12) und „Marsha & The Bear“ (Platz 17) sind Episoden aus Kinderserien. Und auf Platz 23 hat es mit 830 Millionen Klicks ein selbstgedrehtes, lustiges Amateur-Video geschafft, in dem Baby Charlie seinem Bruder in den Finger beißt. Verrückt, das.

Das Medium der Massen

Zum 10-jährigen Geburtstag von YouTube stellte zum Beispiel auch pcwelt.de im Frühjahr 2015 die erfolgreichsten Video-Clips aller Zeiten vor. Zu sehen war dort unter anderem das als „allererstes YouTube-Video“ bekannt gewordene „Me at the Zoo“, ein 18-Sekunden-Filmchen, das einen der YouTube-Mitbegründer vor einem Elefantengehege im Zoo zeigt. Der Clip wurde insgesamt 27 Millionen Mal geklickt und der Erfolg des Videos zeigte, dass sich mit simplen Mitteln eine große Masse an interessierten Zuschauern erreichen lässt. Das fand schnell Nachahmer.

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Was gab es bei YouTube im vergangenen Jahr Besonderes zu sehen? Viele inzwischen regelrecht zu Superstars mutierte YouTuber von Y-Titty bis Gronkh und DieLochis bis Dagi Bee waren auch 2015 wieder für ihre Fans sehr aktiv und lieferten Lustiges, Informatives, Skurriles, Parodien, Schminktipps und mehr über ihre Kanäle. Und dürften sich mit Werbeeinnahmen eine goldene Nase verdienen. Das Konzept hat mittlerweile eine unüberschaubare Masse an Trittbrettfahrern nach sich gezogen.

„In der Zukunft wird jeder 15 Minuten weltberühmt sein“, prophezeite der 1987 verstorbene Pop Art-Visionär Andy Warhol. Oh wie wahr! Hier präsentiert sich YouTube als Publikationsmedium für Amateur-Filmer und Selbstdarsteller jeder Couleur. Viel Interessantes, Nützliches, Produktives durchaus. Aber eben auch eine gewaltige Lawine von Schwachsinnigem von Bekloppten für Bekloppte: Endlos-Entertainment, Abriss und viel Quatsch mit Soße. Hauptsache laut, wie das Beispiel Jan Böhmermann und seine Hip-Hop-Parodie „Ich hab Polizei“ zeigt.

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Kampf gegen totale Verblödung

Aber es gibt Hoffnung. Zur Verteidigung der zahllosen qualitatitiv guten, rechtschaffenenen „Programm-Macher“ und professionellen Video-Künstler auf YouTube muss man sagen: Viele gehen die Dinge mit Konzept an und nehmen den Kampf „Grips gegen die totale Verblödung“ an. So gab es im Sommer beispielsweise ein Interview von LeFloid alias Florian Mundt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, das dem deutschen YouTube-Star große Aufmerksamkeit und Auftritte im TV bescherte. Über seinen Kanal ruft LeFloid mit kritischen Videos im Netz regelmäßig Millionen zur Diskussion auf und debattiert über Themen wie Rassismus und Flüchtlinge.

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Medienhäuser wie die öffentlich-rechtlichen TV-Sender präsentierten sich auch 2015 gewohnt rührig im Netz und versuchen, weiter neue Zielgruppen zu erschließen bzw. sie zu erhalten. Der ZDF-Kanal „Neo Magazin Royale“ beispielsweise dürfte mit seinen Spaßvideos, Musikclips und sonstigem vermeintlichen Unsinn in etwa die Geschmacksnerven des gemeinen YouTube-Konsumenten treffen. Hier gibt es unter anderem den scharfzüngigen Satire-Profi Jan Böhmermann zu sehen, der jüngst als Polizei-Rapper „einen blitzschnellen YouTube-Hit“ (Spiegel Online) mit Klicks im Millionenbereich landete. Der Rapper Psy darf sich allerdings entspannt zurücklehnen: die Top-Platzierung seines „Gangnam Style“ ist nicht in Gefahr.