Claus Ambrosiuszum Ärger um die Schau im Gutenberg-Museum

Flagge zeigen auch vor Ort

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Mainz – Muss man um einen Zettel im Keller des Gutenberg-Museums, der nicht einmal mehr an seinem Platz hängt, so ein Aufsehen machen? Leider ja, denn das Verhalten der Stadt war rund um die Ausstellung armenischer Druckkunst in hohem Maße enttäuschend.

Dass es auch um den Völkermord gehen muss, wenn im Titel einer historischen Ausstellung das Wort „Armenien“ steht, sollte klar sein, Abertausende Opfer stellen nun einmal die einschneidendste Zäsur in der Geschichte Armeniens dar. Auch klar ist: Fällt der Begriff „Völkermord an den Armeniern“, werden türkische Offizielle protestieren. Seit Jahren verschärft sich die Kampagne der türkischen Regierung gegen Andersdenkende im eigenen Land, dies ist einer der Gründe, warum die Verhandlungen um die Aufnahme der Türkei in die EU als Vollmitglied stocken.

Deutschland versucht den Eiertanz: Im Beschluss des Bundestages 2005 wurde in der Begründung, nicht aber in der Resolution von einem Völkermord gesprochen – man will es sich mit dem Handelspartner nicht verderben. Ähnlich verklausuliert ist auch die Presseerklärung der Stadt Mainz, die frei übersetzt heißt: Wir sind ja im Großen und Ganzen mit den Armeniern einer Meinung, wollen aber lieber nicht Partei ergreifen. Das ist der Stadt mit dem Aufhängen der türkischen Relativierung gründlich misslungen: So hat man der Ausstellung, die man stolz mit dem Ministerpräsidenten der Republik Armenien eröffnet hatte, Gewalt angetan – und auch dem Ruf des Gutenberg-Museums. Überzeugungen haben heißt auch, vor Ort Flagge zu zeigen – und nicht nur, aus bequemer Distanz der Kanzlerin flammende Plädoyers für Menschenrechte in allen Teilen der Welt abzuverlangen.

E-Mail: claus.ambrosius@rhein-zeitung.net