Istanbul

Christen: Viele fühlen sich verraten

Wegen der Proteste und des Polizeieinsatzes am Istanbuler Taksim-Platz hat die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Istanbul fast alle Veranstaltungen abgesagt. „Seit Beginn der Auseinandersetzungen liegt Tränengas und Pfefferspray-Gas über den an den Taksim angrenzenden Wohngebieten, auch über unserem Viertel, und es zieht immer wieder auch in die Kirche und die Wohnräume“, berichten die Auslandspfarrerin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Ursula August, und die Öffentlichkeitsreferentin der Gemeinde, Susanne Landwehr.

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Die evangelische Kreuzkirche liegt etwa zwei Kilometer vom Taksim- Platz entfernt.

Gewalt auf beiden Seiten verurteilt

„Die Räumung vom Dienstag hat im gesamten Land großes Entsetzen ausgelöst“, sagten August und Landwehr. Durch die gewaltsame Beendigung der Proteste fühlten sich viele verraten.

Die deutsche evangelische Gemeinde versteht die Proteste, auch wenn sie die Gewalt auf beiden Seiten verurteilt. Die geplante Bebauung des beliebten Gezi-Parks, der Auslöser der Proteste, ist nur die Spitze des Eisbergs, erklärten die Vertreterinnen der Gemeinde.

Seit Jahren treibe die Regierung mit großen Bauprojekten die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voran. Der Bau von Flughäfen, Brücken und Wasserkraftwerken sei umstritten, weil sie Lebensraum, historische Stätten oder die Umwelt zerstörten. Die Menschen seien meist nicht einbezogen worden. Die Regierung habe aber auch viel erreicht, sagen August und Landwehr.

Das Land sei wirtschaftlich erfolgreich und habe die politische Öffnung zu den Nachbarländern vorangetrieben. Es gebe ein Antidiskriminierungsgesetz und eine überparteiliche Zusammenarbeit gegen Ehrenmorde und Gewalt an Frauen. Außerdem spreche Erdogan mit den nicht muslimischen christlichen Minderheiten.

Von Holger Spierig