Birkenfeld

Birkenfeld fürchtet bei Abzug eine kleine Katastrophe

Seit mehr als 50 Jahren ist Birkenfeld Garnisonsstadt. Mit der aktuellen Bundeswehrreform droht der Kreisstadt mit rund 7000 Einwohnern der Abzug der Truppen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Stadtbürgermeister Peter Nauert, was das für die Stadt bedeutet und warum ein Verbleib der Truppen nur gerecht wäre.

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Birkenfeld – Seit mehr als 50 Jahren ist Birkenfeld Garnisonsstadt. Mit der aktuellen Bundeswehrreform droht der Kreisstadt mit rund 7000 Einwohnern der Abzug der Truppen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Stadtbürgermeister Peter Nauert, was das für die Stadt bedeutet und warum ein Verbleib der Truppen nur gerecht wäre.

Ist Birkenfeld gleich Bundeswehr?

Die Stadt ist seit 1964 Bundeswehrstandort, die Entscheidung wurde aber bereits 1958 getroffen. Derzeit haben wir in der Stadt rund 420 militärische und zivile Dienstposten. Vor allem durch das Kommando 2. Luftwaffendivision, das einen Wirkungsbereich über ganz Deutschland hat, ist Birkenfeld auch bundesweit ein Begriff.

Wie hat das Militär die Stadt geprägt?

Vor allem als Wirtschaftsfaktor ist die Bundeswehr extrem wichtig, sie schafft Arbeitsplätze und Kaufkraft. Zum Beispiel gibt es viele Aufträge an das heimische Gewerbe, die die Instandhaltung der Kasernen betreffen; in den Autowerkstätten werden die Autos des Bundeswehr-Fuhrparks repariert. Aber auch kulturell bereichern sich Stadt und Militär.

Ist die Truppe für Birkenfeld unverzichtbar?

Ja. Denn neben dem wirtschaftlichen Einschnitt wäre der Abzug der Luftwaffe auch ein enormer Imageverlust. Der Name Birkenfeld verschwindet dann von der militärischen Landkarte.

Was passiert, wenn alle 420 Soldaten und Zivilbeschäftigten abgezogen werden?

Wir sind ein strukturschwaches Gebiet. Das war ein Grund, warum die damalige Regierung die Bundeswehr hier ansiedelte – wofür wir noch heute dankbar sind. Aber an dieser Strukturschwäche hat sich im Grundsatz bis heute nichts geändert. Jeder Bäcker, jeder Metzger, jeder Handwerker, jede Tankstelle, ja der gesamte Einzelhandel würde erhebliche Einbußen erleiden. Zudem würde der Wohnungsmarkt entscheidend geschwächt. Für die Stadt wäre das eine kleine Katastrophe – aber das eigentliche Ausmaß würde man erst sehen, wenn die Soldaten weg sind.

Ist der Staat in der Pflicht?

Natürlich wird Berlin sagen, dass es nicht Hauptaufgabe der Bundeswehr ist, Strukturfragen zu lösen. Das kann ich verstehen. Aber dann sehe ich die Landesregierung in der Pflicht, die strukturpolitischen Fragen in die Gespräche mit dem Ministerium einzubringen.

Das Land hat unter dem Stichwort „Konversion“ bereits zahlreiche militärische Liegenschaften in zivile Einrichtungen umgewandelt. Besteht die Chance in Birkenfeld?

Wir haben hier bereits ein US-Lazarett in eine Fachhochschule umgewandelt. Aber ein Projekt dieser Größe wird wohl nicht noch einmal gelingen. Es wird sicher Jahre dauern, bis eine Vermarktung der verbliebenen Liegenschaften in Birkenfeld gelingt.

Ist das Konversionspotenzial in Birkenfeld ausgereizt?

Vordergründig ja, da müssten wir uns sicher etwas ganz Neues einfallen lassen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben würde ebenfalls zur Vermarktung den Schulterschluss mit der Stadt suchen.

Was kann die Stadt gegen den drohenden Abzug tun?

Seit Mitte der 90er-Jahre hat der Standort mehr als 1000 Dienstposten verloren. Seitdem kämpfen wir fast ununterbrochen um unsere Bundeswehreinheiten. Im Vorfeld der seinerzeitigen Verlegung der Radarführungsabteilung sind wir auch auf die Bonner Hardthöhe gefahren, um für unsere Stadt als Standort zu werben.

Doch der Abbau ging stetig weiter. Fühlen Sie sich machtlos?

Nein, aber bei der Reform 2004 fühlten wir uns ziemlich gelinkt.

Warum?

Der Standort wurde damals – obwohl es kritisch war – erfreulicherweise gehalten. Was uns aber verschwiegen wurde, ist, dass damit der Abzug des Programmierzentrums wenig später beschlossen war. Wir fielen aus allen Wolken.

Und trotzdem sind Sie wieder aktiv geworden?

Ja, sobald die aktuelle Reform angekündigt wurde, habe ich mich um einen Termin im Verteidigungsministerium bemüht. Es kam zum Gespräch mit Staatssekretär Thomas Kossendey und der Abgeordneten Julia Klöckner, zu dem auch der damalige Minister Karl-Theodor zu Guttenberg hinzukam.

Welches Ergebnis hatte das Gespräch?

Ich hatte den Eindruck, dass unsere Argumente – zum Beispiel, dass Birkenfeld eine hervorragende IT-Infrastruktur hat – überzeugend waren. Aber wir haben nur zurückhaltende Antworten bekommen. Eine wohlwollende Überprüfung der Argumente wurde zugesagt.

Haben Sie nach dem Ministerwechsel einen neuen Vorstoß gemacht?

Ja, auf schriftlichem Weg. Vor einigen Tagen wurde in allgemeiner Form geantwortet, „dass alle für die Bundeswehrreform notwendigen Entscheidungen nach objektiven Maßstäben und unter sorgfältiger Abwägung aller relevanten Faktoren getroffen werden“. Die Entscheidung würde am 26. Oktober bekannt gegeben.

Haben Sie resigniert?

Nein, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie dem 26. Oktober entgegen?

Mit gemischten Gefühlen und größter Sorge um den Standort, denn wir stehen natürlich in Konkurrenz zu anderen Kasernen im Land – und dann ist immer 2004 im Hinterkopf.

Wäre es für Sie deshalb nur gerecht, wenn Birkenfeld als Standort erhalten bleibt?

Ja, das wäre gerecht und eine strukturell wichtige Entscheidung. Im Übrigen kann die hiesige Kaserne auch andere Truppenteile aufnehmen.

Das Gespräch führte Peter Lausmann