Chicago

Achtjähriger lehrt Boeing Social Media

. Wenn ein achtjähriger Flugzeugfan einen Giganten wie Boeing enthusiastisch mit einem Bild anschreibt, dann prallen zwei Welten aufeinander. Doch nach einem Standardschreiben hat der Fall eine Wende genommen.

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Chicago. – Wenn ein achtjähriger Flugzeugfan einen Giganten wie Boeing enthusiastisch mit einer Idee und einem Bild anschreibt, dann prallen zwei Welten aufeinander. Doch nach einem Standardschreiben hat der Fall eine Wende genommen.

Zunächst reagierte der Weltkonzern abgehoben: An neuen Ideen arbeiteten dort selbst genug Techniker – danke schön... In Zeiten Sozialer Netzwerker und Web 2.0 bekommt die Geschichte aber einen neuen Dreh: Der kleine Künstler Harry Wilson ist jetzt zu Boeing eingeladen – und der Konzern räumt ein, dass er das Navigieren in Sozialen Netzwerken noch lernen muss.

John Winsor, Vorstandschef einer auf Crowdsourcing spezialisierten Marketingagentur, hatte mit Vaterstolz verfolgt, wie sein Junge Bild um Bild malte. Und dann bei einem besonders schönen Gemälde eines Flugzeugs auf den Gedanken kam, den Designentwurf doch mal an Boeing zu schicken. Etwa zwölf Anläufe habe das Kind genommen, bis er mit seinem Brief zufrieden war. Was dann passierte, verleitete den Marketingstrategen zu einem Eintrag in seinem Blog. „Ist Ihr Kundenservice bereit für die neue Offenheit der Welt?“ Denn Boeing schickte ein Standardschreiben nach Boulder/Colorado an den achtjährigen „Mr. Winsor“. Ein Schreiben, das eigentlich nur eines ausdrückte: nein – und das in verschiedenen Varianten. Man bekomme viele Briefe mit Vorschlägen, könne nicht jeder Idee nachgehen, die meisten seien auch schon selbst erwogen worden. Zeit, Kosten und Risiken, die Ideen zu prüfen, seien durch die Vorteile nicht gerechtfertigt. Mit freundlichen Grüßen

Bis dahin passt das in das Bild vom arroganten Weltkonzern und dem kleinen Jungen, dessen Vater nun nicht wusste, ob und wie er dem Kind die enttäuschende Antwort beinbringt. Doch dem Blogeintrag von Vater Wilson folgte bei dem mit 716 Followern eher wenig beachteten Twitteraccount eine Nachricht von Boeing: Der Fall verlangt nach einer Antwort. Boeings Marketingdirektor Todd Blecher schrieb dann auch eine Entschuldigung im Blog von Winsor, lange bevor der Fall große Kreise gezogen hatte und dem Konzern PR-Gegenwind entgegenwehte: Er hoffe, dass sich Harry seine Begeisterung bewahrt und vielleicht Flugzeug-Designer wird. Boeing werde an sich arbeiten, schrieb Blecher.

John Winsor machte die Probe: Wenn es nicht zu viel verlangt sei, dann würde Harry gern mal Boeing besichtigen. Boeing fliegt auf den Vorschlag: Harry kann nach Seattle kommen, Mr. Winsor soll Bescheid sagen. Und der ist jetzt voll des Lobes und sagte der New York Times: „Es ist einfach cool zu sehen, wie das Unternehmen irgendwie menschlich wurde.“ Der Luftfahrtgigant hat mit wenig Aufwand Rückenwind aus dem Netz – aber sicher noch eine Menge zu tun, wenn der Umgang mit Harry zum Maßstab werden soll ...

Lars Wienand