Wo Sankt Nikolaus beerdigt ist

Eine goldene Sonne markiert die Stelle in der Krypta von San Nicola, wo die Gebeine von Sankt Nikolaus ruhen. Im süditalienischen Bari wird der beliebte Heilige verehrt. Foto: Michael Defrancesco
Eine goldene Sonne markiert die Stelle in der Krypta von San Nicola, wo die Gebeine von Sankt Nikolaus ruhen. Im süditalienischen Bari wird der beliebte Heilige verehrt. Foto: Michael Defrancesco

In Bari werden die sterblichen Überreste des wohl beliebtesten Heiligen der Deutschen verehrt. Wir haben uns nach Apulien aufgemacht und die Basilika San Nicola besucht.

Lesezeit: 4 Minuten
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Von unserem Reise-Chef Michael Defrancesco

Es muss ein übler Tag im sonst so sonnigen Apulien gewesen sein. Der Tag, an dem den Einwohnern von Bari klar wurde, dass es so nicht weitergehen konnte. Um das Jahr 1000 n. Chr. war die süditalienische Metropole eine mächtige Handelsstadt und hatte einen wichtigen Hafen. Doch mit der normannischen Invasion 1071 und dem Abzug der Byzantiner drohten die guten Handelsbeziehungen in den Südosten abzubrechen. Für die Baresi war klar: Es musste etwas geschehen, bevor man in Bedeutungslosigkeit und Armut versinken würde.

Man weiß heute nicht mehr, wer auf die Idee kam, den heiligen Nikolaus um Hilfe anzuflehen – jenen Bischof von Myra, der nach heutigen Erkenntnissen am 6. Dezember 343 gestorben war und um den sich zügig ein großer Heiligenkult in der Ostkirche entwickelt hatte. Er galt schon damals als Patron der Seefahrer – also ein idealer himmlischer Ansprechpartner für die Baresi. Und man weiß auch heute nicht mehr, wer auf den Gedanken kam, aus dem Gebet zum heiligen Nikolaus eine Wallfahrt nach Myra zu machen – oder noch besser: einen Raubzug! Denn: Der Heilige könnte ja noch ein viel besserer Schutzpatron von Bari sein, wenn er auch am Ort wäre. In Gestalt seiner Knochen. Und obendrein war mit Pilgerströmen zu rechnen, was weiteres Geld in die Kassen Baris spülen würde.

Was heute noch überliefert ist und in Bari den Touristen erzählt wird: Eine Gruppe von Baresi brach nach Myra auf, um die Gebeine des heiligen Nikolaus zu stehlen. Doch während der Schiffsreise kamen der Besatzung Bedenken. Man überlegte sogar, wieder umzukehren. Doch widrige Winde zwangen die Seeleute schließlich zur Landung in Myra – natürlich wurde dies als göttliches Zeichen gedeutet, dass Nikolaus persönlich nach Bari wollte.

Am 9. Mai 1087 trafen die Gebeine des Heiligen in Bari ein – und seitdem lieben und verehren die Süditaliener ihren San Nicola. Bari baute dem Heiligen eine Basilika und wurde zum Zentrum der Nikolaus-Verehrung, die sich bald immer weiter ausbreitete.

Der heutige Pilger wird auf dem Vorplatz der Basilika schon von einer überlebensgroßen Nikolaus-Statue begrüßt. Die Basilika wirkt mit ihrem romanischen Stil sehr nüchtern – auch im Inneren erwartet den Besucher nicht allzu viel Gold und Pomp. Irgendwie passend zu den Legenden, die sich um den Heiligen ranken.

Wer hinunter in die Krypta geht, ist ebenfalls angenehm überrascht: ein ruhiger, fast heimeliger und vor allen Dingen heller, freundlicher Ort. Ein kleiner Altar wurde über dem Grab errichtet, alles ist mit einem Gitter geschützt. Ein Ort, an dem der Besucher einen Moment verweilen und über all die Geschichten nachdenken kann, die Sankt Nikolaus erlebt haben soll. Stets kümmerte er sich um die Menschen. Als einmal kaiserliche Schiffe im Hafen von Myra zwischengelandet waren, die Getreide aus Ägypten geladen hatten, soll Bischof Nikolaus dieses Getreide gegen den Widerstand der Schiffsbesatzung an die hungernde Bevölkerung ausgeteilt haben.

Oder denken wir an den Vater, der seine drei Töchter nicht verheiraten konnte, weil er kein Geld für die Mitgift hatte. Weil die Familie arm war, schickte der Vater die Töchter in die Prostitution. Als Bischof Nikolaus davon erfuhr, schenkte er dem Mann für jede der drei Töchter je eine Goldkugel, sodass sie sich einen guten Ehemann nehmen konnten. So erzählt es die Legende.

Bari feiert jedes Jahr zu Ehren des Heiligen vom 7. bis 9. Mai, dem Tag der Ankunft der Reliquienräuber, ein Fest. Die Straßen und Plätze werden geschmückt. Die Statue des Sankt Nikolaus, die ansonsten links vom Haupteingang in der Basilika steht, wird in einer Prozession von der Basilika bis zum Hafen getragen, begleitet von rund 400 Personen in historischen Kostümen. Auf einem Boot umrundet man dann damit die Bucht.

Beäugt wird dies schon seit Langem von der Türkei. Myra heißt heute Demre und liegt in der türkischen Provinz Antalya – dort kann man heute noch in der Kirche des heiligen Nikolaus von Myra das leere Grab besichtigen. Immer wieder stehen Rückforderungswünsche im Raum – offiziell wurde noch kein türkisches Gesuch an Italien ausgesprochen. Für die Baresi kommt dies auch gar nicht infrage. Bei den sterblichen Überresten handle es sich um kein Kulturgut, sie seien „zu verehren, nicht in einem Museum zu besichtigen“, sagte der Rektor der Basilika San Nicola, Damiano Bova, laut der italienischen Tageszeitung „Il Giornale“. „Was wollen sie machen, die ganze Basilika San Nicola überführen, die zu seiner Verehrung gebaut wurde?“

Wissenswertes für Reisende:

Informationen: Bari ist wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Region Apulien. Abseits des Massentourismus hat der Südosten Italiens viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt. Großflächige Olivenhaine, Weinbaugebiete und verträumte Küstenorte erwarten den Besucher.

Anreise: Von Frankfurt-Hahn aus fliegt Ryanair nonstop nach Bari, von Köln/Bonn aus fliegt Eurowings.

Beste Reisezeit: Im Hochsommer, wenn die Italiener selbst Urlaub haben, ist Süditalien heiß und übervoll. Beste Urlaubsmonate sind Mai und Juni sowie September und Oktober.

Unsere Tipps:
Einzigartige Nudeln: Orecchiette (zu deutsch: Öhrchen) sind eine Pasta-Art, die aus Apulien stammt. Man nennt sie daher auch Orecchiette pugliesi. Sie sind das kulinarische Symbol der Stadt Bari. Diese Pasta wird traditionell mit Stängelkohl oder mit einer Tomatensoße gegessen.
Alberobello: Die Stadt unweit von Bari ist für ihre Trulli-Häuser berühmt, die nach dem Vorbild der Bauweise von Hirtenhütten in dieser Gegend entstanden. In Alberobello bestehen ganze Stadtteile aus Trulli. Darum gehört der Ort heute zum Unesco-Weltkulturerbe. Ein Besuch im „Schlumpfdorf“ lohnt sich.