Entschleunigen zwischen Meer und Fjord
Von unserem Redakteur Marcelo Peerenboom
Und dann gibt es die Entschädigung für den Aufstieg durchs enge Treppenhaus: einen grandiosen Ausblick auf die Nordsee. Und auf den schier endlosen Strand. Und den Fjord. Es gehen einem fast die Augen über, während eine steife Brise die Nase umweht.
Wo gibt es das schon: einen Leuchtturm, der praktisch auf der Grenze zwischen zwei Gewässern steht? Vorn die Nordsee, hinten der Ringkøbing Fjord. An der dänischen Nordseeküste ist das zu finden. Immerhin 500 Kilometer zieht sie sich von der deutsch-dänischen Grenze bis hoch nach Skagen, der nördlichsten Stadt Dänemarks. Ungefähr auf halber Strecke befindet sich der Ringkøbing Fjord, der mit 300 Quadratkilometern der größte Küstensee des Landes ist. Nur eine einzige Verbindung zum Meer hat er: In Hvide Sande existiert eine Schleuse, die kleinere Schiffe durchlässt und die den Wasseraustausch gewährleistet.
Dieser lang gestreckte Fjord ist schon etwas Besonderes: Die 30 Kilometer lange Nehrung ist an der schmalsten Stelle nur wenige Hundert Meter breit; sie trennt ihn von der Nordsee. Dieser schmale Streifen ist bei Touristen sehr beliebt; nicht nur wegen seiner landschaftlichen Besonderheit, sondern auch, weil es dort eine fast unübersehbare Anzahl an Ferienhäusern gibt.
Urlaub in Dänemark – das ist oft Urlaub im Ferienhaus. Aus gutem Grund: Hotels und Restaurants sind im Vergleich zum deutschen Preisniveau recht teuer. Da ist die Selbstverpflegung im gemieteten Haus eine gute Alternative. Unser Ferienhaus liegt irgendwo in Søndervig. Wie gut, dass die Hausvermittlung uns nicht nur die Schlüssel, sondern auch einen Lageplan in die Hand gedrückt hat. Sonst hätte man kaum eine Chance, jemals das richtige Haus zu finden. Allein das Büro von Esmarch hat 1400 Häuser in dieser Gegend im Angebot. Kaum sind die Koffer ins Haus geschleppt und die Terrassentür geöffnet, macht sich Urlaubsgefühl breit. Und – oh Wunder – es fühlt sich gar nicht so an, als würde man gerade mit mehreren Tausend Deutschen gleichzeitig am selben Ort Urlaub machen. Irgendwie macht alles den Eindruck, als sei man ganz allein auf diesem schönen Fleckchen Erde zwischen Nordsee und Fjord.
Niemand ist zu sehen; selbst all die anderen Ferienhäuser sind wie verschwunden. Wie herrlich: Hier ist es nicht wie in so vielen holländischen Ferienhaussiedlungen, wo sich Haus an Haus reiht und man links sehen kann, was beim Nachbarn auf dem Grill liegt, und rechts, welches Skatblatt das Familienoberhaupt auf der Hand hat. Die Abstände zwischen den Gebäuden in der Region Hvide Sande sind so groß, dass keiner den anderen stört oder gar sieht.
Nicht nur das: Auf eine angenehme Art herrscht hier ein anderes Tempo. Das hat auch Sebastian Schaper festgestellt. Der gebürtige Deutsche lebt mittlerweile seit vielen Jahrzehnten in Dänemark und leitet die Tourismuszentrale in Hvide Sande. „Hier ist alles etwas langsamer“, sagt er und scheint froh zu sein, der deutschen Hektik schon lange entflohen zu sein. Diese Entschleunigung greift umgehend auf den Urlauber über. Auf den Straßen fährt man etwas langsamer, man genießt die Natur und weiß es zu schätzen, dass am kilometerlangen Sandstrand nicht Handtuch an Handtuch klebt. Wer den Fjord richtig kennenlernen möchte, der sollte aufs Fahrrad steigen. Exakt 105 Kilometer lang ist der Weg rund um diesen riesigen See. Da weht einem die salzgeschwängerte Meeresluft um die Nase, und die Tour führt vorbei an grasenden Pferden, blühenden Wiesen und aktiven Wassersportlern. Interessant, was unser fachkundiger Führer zu erzählen hat: Der Zaun, der an manchen Stellen zu sehen ist, schützt nicht etwa den Menschen vor den Pferden. Nein, es ist umgekehrt: „Die Pferde müssen wir vor den Menschen schützen“, stellt er fest und berichtet von unschönen Vorfällen. So haben also die Wildpferde ihre Ruhe, und auch die Vogelwelt hat ihren Schutz.
Ebenfalls um Tiere geht es diesmal beim alljährlichen Sandskulpturenfestival in Søndervig. Was hier 38 Künstler aus der ganzen Welt geschaffen haben, verschlägt einem fast den Atem. 12 000 Tonnen Sand haben sie in eine afrikanische Landschaft verwandelt. Hungrige Löwen, lauernde Leoparden oder trabende Elefantenherden: Alles ist hier zu sehen. 200 Meter lang und sieben Meter hoch ist die zentrale Skulpturenwand.
Wer's etwas traditioneller mag, der sollte sich eine Nachtwächterführung in Ringkøbing nicht entgehen lassen. Die gemütliche dänische Kleinstadt mit den roten Plesnerhäusern lernt man dabei auf eine äußerst charmante Weise kennen. Und auch hier gilt: immer schön langsam.
Weitere Infos: www.visitdenmark.de und www.hvidesande.dk/de
Wissenswertes für Reisende
Anreise: Die meisten Urlauber fahren mit dem Auto nach Dänemark, um dort ihr Ferienhaus zu beziehen.
Zielgruppe: Westjütland ist geeignet für Familien mit Kindern ebenso wie für Paare und Alleinreisende
Beste Reisezeit: Sommer; die Küste hat aber auch im Frühjahr und Herbst ihren Charme
Unsere fünf Ausflugstipps:
- Radtour rund um den Ringkøbing Fjord (auch Teilstrecken sind möglich und gut beschildert)
- Nachtwächterführung in Ringkøbing
- Besuch des Leuchtturms Lyngvig Fyr in Hvide Sande; Besichtigung ist ganzjährig möglich. Im Nebengebäude befindet sich ein kleines Museum mit Shop
- Besuch der Destillerie Stauning Whisky, die sich auf dem Gelände eines alten Hofs in Stauning befindet
- Wanderung im Gebiet Skjern Enge, das von Dänemarks wasserreichstem Fluss durchzogen ist. Highlight: die Zugfähren
Unser Autor ist gereist per Flug von Köln/Bonn nach Hamburg, dann weiter mit einem Kleinbus nach Westjütland und hat übernachtet in einem Ferienhaus in Søndervig der Hausvermittlung Esmarch. Diese Reise wurde unterstützt von Visit Denmark.
