Kontra: Gesund mit der Nadel

Kontra Akkupunktur Foto: Fotolia

Die Wirksamkeit der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wird von wissenschaftlicher Seite bestritten. Eine der Kritiker ist Prof. Dr. Jutta Hübner vom Universitätsklinikum Jena. Sie rät von TCM ganz klar ab.

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„Wenn man sich die westlichen Studien anschaut, stellt man fest, dass Akupunktur zwar besser ist, als Rezepte auszustellen und den Patienten eine Pille schlucken zu lassen, aber es wirkt, egal, wohin man sticht“, sagt Hübner. Die TCM setzt ihre Nadeln an sogenannten Meridianen. Das sind Kanäle, in denen die Lebensenergie Qi fließen soll. Durch die Nadeln sollen diese wieder stimuliert werden. „Fakt ist: Es gibt diese Meridiane aber überhaupt nicht“, betont Hübner. „Es gibt keinen biologischen Befund, was das sein sollte. Zu Deutsch: Das Ganze ist ein kompletter Schwindel.“

Die Kosten für Akupunktur, also ein Teilgebiet der TCM, wird in Bezug auf Knie- und Rückenschmerzen von Krankenkassen teilweise übernommen. „Das führt eben dazu, dass die Menschen auch glauben, dass etwas dahintersteckt“, sagt die Ärztin. „Aber das ist nicht so. Akupunktur wirkt, weil es eine Placebobehandlung ist. Und davon bin ich ein strikter Gegner.“ Laut Hübner sind viele Knie- und Rückenschmerzen psychosomatisch bedingt. Die Akupunkturnadel habe dort den gleichen Effekt, wie ein gutes Gespräch. „Ich bin kein Anhänger mehr der Akupunktur, obwohl ich als Ärztin selbst eine Ausbildung in Akupunktur habe und das früher auch gemacht habe“, hebt sie ausdrücklich hervor.

Warum ist TCM dann heute noch so populär? Im 19. Jahrhundert kam die westliche Medizin auch in China an und verdrängte die eigenen medizinischen Lehren. Dann kam Staatspräsident Mao Zedong an die Macht. Das war die Zeit, in der die TCM reanimiert wurde. „Heute versucht der chinesische Staat, aus der TCM einen Exportschlager zu machen“, sagt Hübner. Die Ärztin ist nach eigenen Angaben „extrem kritisch“, was Studien aus China betrifft. Es sei aufgefallen, dass die Daten, die dort erhoben werden, nicht immer stimmten. „Bei unseren westlichen Studien gibt es ein gut entwickeltes System, mit dem eine hohe Qualität der Studien sichergestellt wird“, macht sie deutlich.

Auch hinsichtlich der meditativen Bewegungskunst der TCM gibt es Studien. „Im Vergleich mit normaler, deutscher Krankengymnastik stellt man fest, dass die Ergebnisse gleich gut sind“, erläutert die Ärztin die Ergebnisse. „Denn jede konzentrierte Bewegung hilft beim Gesundungsprozess.“

Bei den chinesischen Kräutern sehe das etwas anders aus: Man könne davon ausgehen, dass in der TCM tatsächlich wirksame Heilkräuter gefunden wurden. „Ich glaube sogar, dass in den einzelnen Pflanzen ein enormes Potenzial steckt“, sagt Hübner. „Das Problem ist nur die Mischung der Kräuter. In der TCM werden verschiedene Kräuter kombiniert mit dem Ziel, dass sich die Wirkungen addieren, die Nebenwirkungen aber auf einem niedrigen Level bleiben. Das funktioniert auch bis zu einem gewissen Punkt. Aber: Es handelt sich um schlecht definierte Zusammensetzungen und Inhaltsstoffe.“ Häufig sei unklar, welche Substanzen tatsächlich enthalten seien. „Das heißt, es gibt auch ein großes Gefährdungspotenzial. Das kann richtig gefährlich sein“, sagt die Ärztin.

„Ich kenne einen Fall, bei dem eine Frau beinah durch TCM-Kräuter an Leberversagen gestorben wäre. Erst durch die Absetzung dieser schwarzen Kügelchen aus der TCM haben sich ihre Leberwerte wieder erholt. Und davon gibt es mehrere Berichte.“ Heilpflanzen sind nach Angaben der Ärztin potenziell immer gefährlich. Eine wirksame Substanz beinhalte auch stets das Risiko einer Überdosis. Gefährlich werde es zum Beispiel bei der Behandlung von Krebspatienten. Durch eine Wechselwirkung könne es zu einer Abschwächung der Chemotherapie kommen, was laut Hübner tödlich für den Patienten sein kann.

Es gibt diese Meridiane aber überhaupt nicht. Es gibt keinen biologischen Befund, was das sein sollte. Zu Deutsch: Das Ganze ist ein kompletter Schwindel.

Dr. Jutta Hübner zu den „Leitbahnen“, in denen laut traditioneller chinesischer Medizin (TCM) die Lebensenergie fließt.

„Ich halte derzeit nichts davon, westliche und östliche Medizin zu kombinieren“, betont Hübner. „Allerdings sehe ich bei den Heilkräutern ein hohes Forschungspotenzial. Aber da brauchen wir eine analytische, westliche Methode.“ Auch in der westlichen Medizin basiert ein Teil der medizinischen Erfolge auf Kräuterkunde. Beispielsweise das Aspirin, das aus dem Extrakt der Weidenrinde stammt.

„Vorsichtig muss man bei der TCM auch bei der Antlitzdiagnose sein“, sagt Hübner. „Denn es ist nicht möglich, Krankheiten innerer Organe mit dem Auge zu erkennen.“ Wichtig sei zu wissen, dass die Chinesische Medizin beispielsweise die Diagnose Krebs gar nicht kannte. Denn damals kannte man weder Anatomie noch Biochemie. Es existierte keine Vorstellung von der Funktion der Organe. „Das war ja genau der Fortschritt, in der europäischen Medizin“, betont Hübner.

Protokoll: Verena Hallermann