Berlin

Merkel und Trump: Kopfmensch trifft Hitzkopf

Im Weißen Haus in Washington treffen mit der deutschen Kanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten zwei Persönlichkeiten aufeinander, die verschiedener nicht sein könnten. Donald Trump ist emotional, extrovertiert und risikofreudig. Angela Merkel ist bekannt für Rationalität, ihren sparsamen Umgang mit Gefühlen und ihre Vorsicht.

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Von der „New York Times“ war Merkel nach der Trump-Wahl als die Anführerin der freien Welt ausgerufen worden. So viel Pathos und Verantwortung behagten ihr nicht. Dennoch wird sie beim Treffen die Rolle übernehmen müssen, die Errungenschaften der freien westlichen Welt von Frieden, Freiheit und Humanität zu verteidigen.

Wirtschaft: Eine zentrale Rolle bei den Gesprächen mit den Amerikanern werden Handelsfragen einnehmen. Begleitet wird die Kanzlerin von Siemens-Chef Joe Kaeser, BMW-Konzernchef Harald Krüger und vom Chef des Autozulieferers Schaeffler, Klaus Rosenfeld. Aus Kreisen der Bundesregierung wurde betont, dass sich die Investitionen deutscher Firmen auf einen Wert von insgesamt 271 Milliarden Euro belaufen. Hier zeichnet sich von deutscher Seite die Strategie ab, den amerikanischen Plänen für Schutzzölle mit einer Auflistung von Vorteilen zu begegnen, die die Amerikaner aus dem Handel mit dem Exportweltmeister Deutschland ziehen.

Nato: Für die deutsche Regierung ist es von zentralem Interesse zu erfahren, welche strategische Position die Amerikaner künftig gegenüber Russland einnehmen. Bislang waren die Signale widersprüchlich. Kanzlerin Merkel dürfte darauf vorbereitet sein, dem US-Präsidenten die komplizierte Gefechtslage in der Ukraine zu erläutern und ihm die europäische Sichtweise auf den Syrien-Krieg, den Irak, das Atomabkommen mit dem Iran und den Nahost-Friedensprozess aufzuzeigen. Im Gegenzug werden die Amerikaner einen konkreten Plan fordern, wie Deutschland sein Ziel erreicht, spätestens ab 2024 mindestens 2 Prozent seines Bruttoinlandprodukts in Verteidigung zu investieren. Die Deutschen wissen allerdings, dass dieses Ziel kaum zu erreichen ist.

EU: Für die Europäische Union hat Trump bislang vor allem Verachtung gezeigt. Er sieht die EU als ein politisches Konstrukt, von dem vor allem Deutschland Vorteile hat. Merkel wird dem US-Präsidenten erklären, dass weder Deutschland noch ein anderer EU-Staat allein Handelsabkommen mit den USA abschließen können. Merkel setzt darauf, dass die EU und die USA „Handels- und Wertepartner“ bleiben, wie es aus Regierungskreisen hieß.

G 20: Nicht zuletzt reist Merkel als Gastgeberin des G 20-Gipfels, der im Juli in Hamburg stattfindet, nach Washington. So soll es auch um die Themen des Gipfels gehen: Klima, Gesundheit, Frauen, Entwicklungsarbeit, Flüchtlingshilfe. Ob Merkel den US-Präsidenten für diese Themen erwärmen kann, ist freilich offen. Mehrfach hieß es aus Regierungskreisen, dass es vor allem darum geht, eine gemeinsame Gesprächsebene zu finden. Es sei besser, miteinander zu reden als übereinander. Dieser Hinweis darf als indirekte Kritik an Trumps harschen Worten gegenüber Merkels Flüchtlingspolitik gewertet werden.

Gespannt darf man auch darauf sein, wie sich Merkel Trumps offensivem Körperkontakt entzieht. So hielt der US-Präsident mit der britischen Premierministerin Theresa May Händchen, was die Regierungschefin zu Hause viel Renommee kostete. Merkel, die weiß, dass 90 Prozent der Deutschen den US-Präsidenten kritisch sehen, wird dies zu verhindern wissen.

Eva Quadbeck