Berlin

Das ist heftig: Viralseiten-Macher und ihr Verhältnis zu Urheberrechten

Das sind die beiden Köpfe hinter der Seite heftig.co. Peter Schilling (rechts) und Michael Glöß, Unternehmer aus Potsdam. Foto: Frank Zauritz
Das sind die beiden Köpfe hinter der Seite heftig.co. Peter Schilling (rechts) und Michael Glöß, Unternehmer aus Potsdam. Foto: Frank Zauritz

Die Macher der Seite heftig.co versichern, Urheberrechte zu achten – und zeigen zugleich ein wunderliches Verhältnis zu Rechten: Die meisten Inhalte würden ja ins Netz gestellt, um unkontrolliert verbreitet zu werden. Sonst wären ja auch Wasserzeichen und Disclaimer dabei.

Lesezeit: 6 Minuten
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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Man könnte es entwaffnend ehrlich nennen: heftig.co will die Leser zwar bei „jedem Artikel“ mit einem guten Gefühl entlassen, ist aber „explizit kein journalistisches Angebot“. Der Nachsatz der Macher wird aber viele Leser mit keinem guten Gefühl entlassen „... und muss sich auch nicht den gleichen Spielregeln unterwerfen...“ Die Seite spielt in einer Liga mit bild.de und Spiegel Online bei Facebook, fordert aber andere Maßstäbe für sich. Unsere Zeitung hat nachgehakt, wie sich die Seite zu Urheberrechten stellt. Die Antworten werden noch für Diskussionen sorgen. Wir dokumentieren sie unter dem Artikel komplett.

Am Morgen hatten sich die Macher hinter der Seite geoutet, die in Deutschland durchgestartet ist wie noch keine vor ihr: Michael Glöß (35) und Peter Schilling (39), Chefs eines Unternehmens in Potsdam. Sie erklärten auch die Strategie von heftig.co – der tristen Nachrichtenlandschaft rundum etwas entgegensetzen, den Leser aus jedem Artikel mit einem guten Gefühl entlassen. Dafür lieben auch viele Nutzer die Seite – nie zuvor wurden Artikel so rege geteilt. Die Werbeerlöse werden auf einen sechsstelligen Betrag geschätzt. Den Machern ist ein Erfolg gelungen – wenn auch zunächst anonym mit angeblichem Sitz im Steuerparadies Belize und via Panama anonym registrierter Domain.

Und auch nicht mit eigenen Inhalten – der Großteil der Inhalte waren Kopien und 1:1-Übersetzungen von US-Seiten, in der Anfangszeit überwiegend von der US-Seite viralnova.com.

Man habe aber „in der Vergangenheit stets geprüft, ob die Inhalte zur Veröffentlichung frei waren und, wenn dies nicht der Fall war, uns um die Genehmigungen der Rechteinhaber bemüht“, erklärte ein Sprecher unserer Zeitung. „Die Wahrung der Urheberrechte hat bei uns Priorität.“

Die Nachfrage, wie das dann zum Beispiel auch bei viralnova.com so war, löst ein 40-minütiges kontroverses Telefonat mit dem freundlichen und geduldigen Sprecher aus. Zitiert werden darf daraus nicht – aber er kündigt eine schriftliche Stellungnahme an und hält Wort. „Beckmesserisch“ sei die Frage – also kleinlich und pedantisch. „Es ist doch für jedermann klar erkennbar, dass die meisten Inhalte bei Viralnova selbst von anderen Webseiten kopiert sind. Also verfügt viranova offenbar selbst in der Regel gar nicht über die Rechte.“

Und am Kopieren und 1:1-Übersetzen habe sich viralnova.com ja offenbar nicht gestört, heißt es von heftig.co mit Verweis auf eine Nachfrage unserer Zeitung bei dem Gründer dieser Seite auf Twitter:

Und selbst wenn die Frage auch bei viralnova.com ungeklärt sei: „Jeder User, der viralen Content herstellt und in den Verkehr bringt, beabsichtigt diese unkontrollierbare Wirkung, weil er die Aufmerksamkeit maximieren will. Er wacht nicht eifersüchtig über seinen Content, sondern genießt im Gegenteil diesen Kontrollverlust und sucht gezielt das Spiel mit Bedeutungen und Bedeutungsverschiebungen.“

Das trifft auch uneingeschränkt zu bei einem Beispiel: „Die Freude ist um so größer, wenn unverhofft aus heiterem Himmel Hunderttausende Clicks das Google-Konto bei Youtube auffüllen.“ Ob das aber so ist, wenn heftig.co ein Video kopiert und selbst noch einmal hochlädt, steht schon auf einem anderen Blatt.

Und auch der Fotograf Stefan Dietze empfand es als „starkes Stück“, als seine Fotos eines verlassenen Hotels erst in der Daily Mail erschienen waren, die die Rechte erwoben hatte, dann aber über viralnova.com auch bei heftig.co. Auf seinen Hinweis wurde der Artikel bei heftig.co immerhin gelöscht – ohne weitere Rückmeldung an ihn. Das meinen die Macher vermutlich, wenn sie sagen: „Sollte in Einzelfällen einmal die Situation ungeklärt sein, können sich die Betroffenen jederzeit an uns wenden, so dass wir gemeinsam eine Lösung finden können.“

heftig.co steht aber auf dem Standpunkt, dass die Inhalte „irgendwann von Usern ins Netz gestellt worden, damit sie genau das tun: sich verbreiten.“ Bei derartigem Content würden doch komplett andere Spielregeln gelten als zum Beispiel in einem journalistischen Angebot. „Und hier liegt der Kern Ihres Mißverständnisses: heftig.co ist explizit kein journalistisches Angebot und muss sich auch nicht den gleichen Spielregeln unterwerfen.“ Um Verwertung und Urheberrechte gehe es den Nutzern da ja auch in der Regel gar nicht: „Sonst wäre er ja auch mit Disclaimern oder beispielsweise digitalen Wasserzeichen gekennzeichnet.“

Wer vor heftig.co sicher sein will, kann sich auch an ein anderes Unternehmen von heftig-Kopf Peter Schilling wenden. Er bietet mit PriorMart eine Seite mit dem Motto: „Schützen Sie das Copyright Ihrer Werke durch notarielle Hinterlegung.“ Damit verhindere man, dass sich ein anderer als Urheber ausgibt und schütze sich vor Plagiaten und Ideenklau.

Aber vielleicht ist das ja auch doch alles gar kein Problem – wenn man denn der Ankündigung Glauben schenkt: „In Zukunft werden wir noch mehr eigene Inhalte erstellen und unser Rechtemanagement für Fremdinhalte weiter professionalisieren.“ Einem Bericht der FAZ zufolge hatte auch Adam Fletcher, Autor des Buchs „How to be a German in 50 Easy Steps eine Mail von “Sven Heftig„ im Postfach: Ob er nicht einige seiner Schritte für heftig.co zur Verfügung stellen wolle. Fletcher wollte, wurde verlinkt – und konnte zusehen, wie sein Buch in den Amazon-Charts nach oben schoss.

Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)

Hier die Erklärung der heftig.co-PR-Agentur im Wortlaut:

Zu Ihrer Frage “Wenn ich das [gemeint: die Stellungnahme zur Beachtung von Urheberrechten, siehe unten, Anm. d. Red.] richtig lese, habe ich heftig also in der Vergangenheit Unrecht getan und muss Abbitte leisten: Es war also mit viralnova abgesprochen, deren Inhalt zu übersetzen, ja?„

Diese Frage ist ziemlich beckmesserisch. Es ist doch für jedermann klar erkennbar, dass die meisten Inhalte bei Viralnova selbst von anderen Webseiten kopiert sind. Also verfügt viranova offenbar selbst in der Regel gar nicht über die Rechte. Die Inhalte, die hier von verschiedenen Portalen immer wieder kaum mehr nachvollziehbar hin und her gereicht werden und sich dabei ständig wandeln, sind ja irgendwann von Usern ins Netz gestellt worden, damit sie genau das tun: sich verbreiten. Das entspricht ja dem Wesen des „viralen“ Contents, dass er ähnlich einem biologischen Virus, von Mensch zu Mensch weitergetragen wird. Jeder User, der viralen Content herstellt und in den Verkehr bringt, beabsichtigt diese unkontrollierbare Wirkung, weil er die Aufmerksamkeit maximieren will. Er wacht nicht eifersüchtig über seinen Content, sondern genießt im Gegenteil diesen Kontrollverlust und sucht gezielt das Spiel mit Bedeutungen und Bedeutungsverschiebungen. Er freut sich gerade dann am meisten, wenn sein Inhalt ohne sein Zutun in völlig fremden Kontextualisierungen auftaucht, oder gar andere Narrative hitchhiked. Das sind doch komplett andere Spielregeln als zum Beispiel in einem journalistischen Angebot. Und hier liegt der Kern Ihres Mißverständnisses: heftig-co ist explizit kein journalistisches Angebot und muss sich auch nicht den gleichen Spielregeln unterwerfen. Und: Ein urheberrechtliches Verwertungsinteresse steht hier doch in der Regel gar nicht an erster Stelle. Sonst wäre er ja auch mit Disclaimern oder beispielsweise digitalen Wasserzeichen gekennzeichnet. Im Gegenteil, die Freude ist um so größer, wenn dann unverhofft aus heiterem Himmel Hunderttausende Clicks das Google-Konto bei Youtube auffüllen.

Man könnte Ihre Frage, ob wir uns mit viralnova abgesprochen haben, auch salopp beantworten: Der Mann hinter Viralnova scheint ja selbst sehr schwer erreichbar zu sein. Und er hat gar kein Interesse an einer Kooperation. Das hat niemand anderes unter Beweis gestellt, als Sie selbst. Sie hatten ja Ende April via Twitter bei ihm selbst angefragt. Seine lapidare Antwort war: “I've been contacted probably by 50 people about doing a non-English version of VN. Just not something I want to do.„ Also ist doch spätestens jetzt – mit Ihrer aktiven Hilfe – der Fall geklärt.“

Thomas Huber
semanticom GmbH

Die vorige Stellungnahme von heftig.co, die zur Nachfrage geführt hatte:

Die Wahrung der Urheberrechte hat bei uns Priorität. Wir haben in der Vergangenheit stets geprüft, ob die Inhalte zur Veröffentlichung frei waren und, wenn dies nicht der Fall war, uns um die Genehmigungen der Rechteinhaber bemüht. Sollte in Einzelfällen einmal die Situation ungeklärt sein, können sich die Betroffenen jederzeit an uns wenden, so dass wir gemeinsam eine Lösung finden können. Das trifft auch auf den Fall mit den Fotos des Hotels zu, über die Sie bereits berichtet haben. Dort wurden die Fotos innerhalb kürzester Zeit wieder entfernt. In Zukunft werden wir noch mehr eigene Inhalte erstellen und unser Rechtemanagement für Fremdinhalte weiter professionalisieren.

Thomas Huber
semanticom GmbH