RZ-KOMMENTAR: Ein neues Konzil wäre ein machtvolles Zeichen

Das Zweite Vatikanische Konzil hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Die Dokumente, die dort nach langem Ringen verabschiedet wurden, konnten ihre theologische Strahlkraft bis heute bewahren. Bischöfe, Priester, Laien – gleich welcher Richtung sie angehören –, sie alle sind stolz darauf, was vor 50 Jahren gelungen ist.

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Die katholische Kirche hat damals ihre Fenster weit aufgerissen, beherzt Überkommenes über Bord geworfen, einen Aufbruch gewagt, der Menschen in aller Welt faszinierte. Katholisch zu sein, war plötzlich ein Lebensgefühl, das von Offenheit und sprühender Ideenvielfalt geprägt war. Innerhalb der römischen Mauern vollzog sich eine Revolution, die mutige Hinwendung zur Moderne. Das alles geschah Jahre bevor die 68er-Revolte die säkulare Welt erschüttern sollte.

Natürlich war der damalige Reformprozess nur eine Etappe auf dem ewigen Weg der Erneuerung. Und selbstverständlich versuchten konservative Kreise nach der historischen Zusammenkunft, ihre Deutungsmaschine anzuwerfen, um den Impulsen des Vatikanums ein wenig die Kraft zu nehmen. Aber der Geist dieses Konzils war viel zu mächtig, als dass man ihn zurück in die Flasche hätte sperren können. Der Weitblick der Konzilsväter reicht bis in die Gegenwart.

Und doch hat die Begeisterung, mit der noch immer auf das Zweite Vaticanum zurückgeblickt wird, auch eine Schattenseite. Denn nie mehr hat die katholische Kirche es geschafft, sich derart fruchtbar und schöpferisch dem Zeitgeist zu stellen, ohne die eigenen Traditionen zu verraten. Seit einigen Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten sind die kreativen Impulse rar geworden. Vor allem die römische Kurie hat sich immer mehr in traditionalistischen Positionen eingeigelt. Die Ökumene stockt. Katholiken, die nach einer gescheiterten Ehe noch einmal heiraten, dürfen noch immer keine Sakramente empfangen. Am Priesterzölibat wagt schon gar niemand zu rütteln. Frauen sind von der Führungsebene weiterhin ausgeschlossen. Und die zahlreichen Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen haben die Kirche viel Reputation gekostet.

Natürlich ist nicht alles gut, was modern ist. Es hilft einer Kirche aber auch nicht weiter, sich mehr und mehr vom Lebensgefühl der Gläubigen zu entfernen, was vor allem in Europa geschieht. Die Herde lässt sich längst nicht mehr von jedem Hirten führen. Es ist Zeit für einen neuen, kraftvollen Aufbruch – gern in Gestalt eines Dritten Vaticanums.

E-Mail: dietmar.brueck@rhein-zeitung.net