Hilfe, die Plagiatsjäger kommen! Was passiert, wenn das Schnüffeln in Doktorarbeiten zum Beruf wird

Berlin/Nürnberg – Er ist der bekannteste Plagiatsjäger Deutschlands und einer der wenigen, die für die Suche nach Plagiaten in wissenschaftlichen Arbeiten Geld verlangen: Martin Heidingsfelder aus Nürnberg. Für 50 Euro bestellt er jede beliebige Arbeit und scannt sie ein, für weitere 100 Euro lässt er eine Texterkennung über die Scans laufen. Eine erste Analyse kostet 300 Euro, jeder weitere Arbeitstag eines Plagiatssuchers 500 Euro.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Für fachlich anspruchsvolle Arbeiten unterhält er ein Netzwerk an Experten, teilweise Professoren. „Seit einem Jahr kann ich von den Aufträgen gut leben“, sagt Heidingsfelder.

Der Nürnberger gilt als Gründer von Vroniplag Wiki, einem Portal, auf dem sich seit März 2011 jeder anonym als Plagiatsjäger betätigen kann. „Angefangen hat für mich alles nach einem Zufallsfund in der Arbeit von Guttenberg“, erinnert er sich. „Und danach wurde das Suchen von Plagiaten für mich so etwas wie ein gesellschaftlicher Auftrag.“

Plagiatsvorwürfe haben schon manchen Politiker im In- und Ausland in Bedrängnis gebracht. Nicht immer dauerten die Verfahren so lang wie im Fall der Bundesbildungsministerin Annette Schavan.

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU): Die Vorwürfe gegen den Bundesverteidigungsminister werden am 16. Februar 2011 öffentlich. Schon sieben Tage später entzieht ihm die Universität Bayreuth den Titel. Er hatte gravierende Fehler eingeräumt und selbst um die Aberkennung gebeten.

Silvana Koch-Mehrin (FDP): Die Universität Heidelberg erfährt im April 2011 von den Vorwürfen gegen die Europapolitikerin. Im Juni teilt die Uni mit, Teile der Doktorarbeit seien abgeschrieben – der Titel wird aberkannt.

Jorgo Chatzimarkakis (FDP): Kurz nach der ersten Kritik bittet der Europapolitiker die Universität Bonn im Mai 2011 um Überprüfung seiner Dissertation. Die Doktorwürde wurde ihm im Juli 2011 aberkannt.

Margarita Mathiopoulos (FDP): Am 12. Juli 2011 kündigt die Universität Bonn nach neuerlichen Vorwürfen an, die Dissertation der FDP-Beraterin zu überprüfen. Die Arbeit war erstmals in den 90er-Jahren in die Kritik geraten. Am 18. April 2012 teilt die Uni mit, der Fakultätsrat habe den Entzug des Titels beschlossen.

Pal Schmitt (Präsident Ungarn): Schmitt trat im vergangenen Jahr wegen einer Plagiatsaffäre von seinem Amt zurück. Dem Rücktritt war ein tagelanges Tauziehen vorausgegangen. Eine Kommission der Budapester Semmelweis-Universität hatte festgestellt, dass Schmitt mindestens 197 der 215 Seiten starken Dissertation von Autoren abgeschrieben hatte.

Dass Heidingsfelder jetzt Geld für seine Arbeit verlangt, sorgt im Internet derzeit für Diskussionen über gewerbliche Plagiatsjäger. Wissenschaftler und Blogger Michael Schmalenstroer etwa befürchtet, Heidingsfelder habe allen redlichen Plagiatssuchern damit einen Bärendienst erwiesen: „Plagiatsprüfung gegen Geld, damit kann man ganz sicherlich nicht den Vorwurf entkräften, dass es den Plagiatsjägern nicht um die Wissenschaft geht, sondern um politische Blutgrätschen“, schreibt er auf seinem Blog. „Wer Plagiatsprüfung als Mittel des Rufmordes in die politische Praxis einbringt, zerstört ihren eigentlichen Zweck: die wissenschaftliche Redlichkeit.“

Prof. Dr. Kristian Bosselmann-Cyran, Präsident der Hochschule Koblenz

Prof. Dr. Dietrich Holz, Vizepräsident der Hochschule Koblenz, Standort Remagen

Gregor Daschmann, Prodekan des Fachbereichs 2 an der Uni Mainz, der sich ausdrücklich über die Entziehung des Titels von Schavan kein Urteil erlauben möchte, würde in einem solchen Fall bei sich an der Uni ähnlich vorgehen wie seine Kollegen in Düsseldorf – nämlich streng nach den Verfahrensvorschriften. Die Kriterien zur Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit sind seit den letzten Jahrzenten unverändert.

Gegen den Strich – Horst Haitzinger: Faust III

Horst Haitzinger

Prof. Dr. Roman Heiligenthal, Präsident der Universität Koblenz-Landau

Die Motivation seiner Auftraggeber blieben meist im Dunkeln, sagt Heidingsfelder. „Ich persönlich frage nicht nach.“ Ein weiterer Blogger kommentiert: „Relevant dafür, ob Plagiate vorliegen oder nicht, ist nicht die Frage nach Heidingsfelders Motiven.“ Wie sich diese Entwicklung in Zukunft auf die Politik auswirkt, kann selbst Heidingsfelder nicht sagen. „Ich gehe aber davon aus, dass sich mit der heranrückenden Bundestagswahl noch mehr Aufträge bei mir einfinden.“

Derweil befeuert er dies mit einer Liste sämtlicher Bundestagswahlkandidaten auf seinem Portal, deren Arbeiten er überprüfen will. Dafür wirbt er um Geld. Er schreibt dort zur Begründung: „Politiker sollten Vorbilder sein, insbesondere, was Ehrlichkeit anbelangt.“ Zu seinen Kunden zählten aber auch beispielsweise „Lieschen Müller, die gehörnte Ehefrau oder das Opfer eines Arztfehlers“, sagt er. Und Plagiatsprüfung, das gibt er zu, gehöre eigentlich an die Universitäten. Man habe ihn auch schon aufgefordert, sich initiativ als Plagiatssucher dort zu bewerben.

UPDATE, 7. Februar 2013, 11.42 Uhr: Aufgrund einiger Nachfragen zu Martin Heidingsfelders Engagement bei Vroniplag Wiki und politischer Orientierung hier einige Ergänzungen: Schon im Jahr 2011 haben Aktive der Plattform Vroniplag Wiki Heidingsfelder die Administratorenrechte entzogen und ihn ausgeschlossen. Sie werfen ihm vor, sich nicht genügend mit der Gruppe abgestimmt und Mehrheitsentscheidungen übergangen zu haben. Heidingsfelder selbst spricht unserer Zeitung gegenüber von Mobbing. Als User mit dem Pseudonym Goalgetter ist er aber noch auf weiteren Enthüllungsportalen, wie zum Beispiel auch Schavanplag Wiki, aktiv.

Heidingsfelder ist darüberhinaus noch während seiner SPD-Mitgliedschaft, die er im Oktober 2012 beendete, bei den Piraten in Bayern aktiv und Mitglied geworden. Derzeit kandidiert er für die Piraten für den bayrischen Landtag. Dazu sagt er: „Ich möchte, dass die Piraten es 2013 in den Bundestag schaffen.“ Auf die Frage danach, warum er die Partei gewechselt habe, antwortet er: „Die Piraten liegen mir mehr als die SPD, weil sie basisdemokratisch aufgestellt sind.“

Von unserer Reporterin Sandra Elgaß