Euro-Streit: Pofalla pöbelt Bosbach an

Als Bosbach sagte: „Ronald, guck doch bitte mal ins Grundgesetz, das ist für mich eine Gewissensfrage“, habe ihm Pofalla entgegengeschleudert: „Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe!“ Einen solcher verbaler Ausfall ist selten in der deutschen Politik.

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Berlin – Der Druck auf die Koalition bei der Abstimmung über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms war immens – und entsprechend wurden offensichtlich auch Abweichler bedrängt.

Wie schockierend blank die Nerven in der Unionsspitze liegen, zeigt ein Vorfall, der erst jetzt bekannt wurde: Bei einem Treffen der nordrhein-westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten vor einer Woche soll Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (rechts) den Innenpolitiker Wolfgang Bosbach (links) derart wüst beschimpft haben, dass der Merkel-Vertraute Pofalla nun selbst mit schärfster Kritik überzogen wird. Hintergrund: Bosbach hatte erklärt, er werde gegen die Erweiterung des Rettungsschirms stimmen.

Konkret: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“, soll Pofalla Bosbach daraufhin beim Herausgehen aus dem Sitzungssaal angeblafft haben, berichteten Anwesende. „Du machst mit deiner Scheiße alle Leute verrückt.“ Als Bosbach sagte: „Ronald, guck doch bitte mal ins Grundgesetz, das ist für mich eine Gewissensfrage“, habe ihm Pofalla entgegengeschleudert: „Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe!“

In der Union löste Pofallas Ausfall Kopfschütteln aus. Dies sei „keine Art und Weise, mit verdienten Fraktionsmitgliedern“ umzugehen, sagte die CDU-Politikerin Erika Steinbach. „Es darf nicht sein, dass wir Kollegen mobben oder sogar beschimpfen, wenn sie eine andere Meinung haben und auch dazu stehen.“ Unionsfraktionsvize Michael Meister sagte unserer Zeitung, er persönlich bewerte die Meinungen seiner Kollegen nicht, auch wenn er sie nicht immer teile. „Wir sollten uns mit persönlichen Bewertungen zurückhalten. Das bringt nichts für die Zukunft, in der noch wichtige Entscheidungen zum Euro anstehen.“

Der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter warf Pofalla derweil vor, mit seinen „Ausrastern“ das politische Klima in der Koalition zu vergiften. „Das stellt seine Eignung als Kanzleramtsminister infrage.“ CSU-Chef Horst Seehofer warb um mehr Verständnis für die Abweichler. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass eine große Volkspartei auch abweichende Meinungen aushalten können müsse.

Später versuchte der Kanzleramtsminister, den Schaden zu begrenzen, und lenkte ein: „Pofalla hat mir eine freundliche SMS geschrieben, mich später auch angerufen. Wir haben uns zu einem Vier-Augen-Gespräch im Kanzleramt verabredet“, sagte Bosbach unserer Zeitung. Damit sei der Streit mit Pofalla für ihn erledigt. Er überlegt allerdings weiterhin, ob er zur Bundestagswahl 2013 noch mal für die CDU antritt. Bosbach kommt wie Pofalla aus Nordrhein-Westfalen und ist seit 1994 im Bundestag. Von 2000 bis 2009 war er stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, seit Ende 2009 ist er Vorsitzender des Innenausschusses.

Die Opposition griff den Streit in der CDU nur zu gern auf: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der Zeitung „Die Welt“: „Ronald Pofalla ist offenbar nicht in der Lage, seinen Job angemessen auszuüben.“ Die Szene zeige, „wie sehr die Nerven in der Union und vor allem im Kanzleramt blank liegen“. Nahles forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich in der Angelegenheit zu erklären.

Von unserer Berliner Korrespondentin Birgit Marschall