Trier

Beschuldigter Ex-Kaplan droht mußmatlichem Opfer mit Unterlassungsklage

Diesen Gang zum Briefkasten wird S. nicht vergessen: Per Anwaltsschreiben hat ihm ein ehemaliger Kaplan und Priester, der in den 1960er und 1970er Jahren in der Eifel und in Trier tätig war und zig Kinder missbraucht haben soll, mit einer Unterlassungsklage gedroht.

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Der ehemalige Geistliche wehrt sich gegen „Behauptungen, (…) im Rahmen seiner kirchlichen Tätigkeit Kindesmissbrauch begangen zu haben“, heißt es in dem Anwaltsschreiben.

„Das ist an opferbeschämender Dreistigkeit nicht zu überbieten“, sagt S. Das Brisante: Laut Pressesprecher André Uzulis haben sich beim Bistum Trier bislang 17 Personen gemeldet, die behaupten, von dem ehemaligen Geistlichen sexuell missbraucht worden zu sein. Es gab auch mehrere Strafanzeigen gegen den Mann; doch die Taten waren bereits verjährt. Von den 17 mutmaßlichen Opfern sind elf vom Bistum entschädigt worden. Offiziell sagt Sprecher Uzulis zu dem Anwaltsscheiben: „Da sich die Unterlassungsanforderung nicht an das Bistum, sondern an das Opfer richtet, können wir dazu nur sagen, dass der ehemalige Priester jederzeit das Recht hat, die aus seiner Sicht notwendigen Schritte zum Schutz seiner Persönlichkeitsrechte zu ergreifen.“ Die zuständigen Gerichte müssten entscheiden.

Gegenüber S. äußerte sich Peter Rütten, Missbrauchsbeauftragter im Bistum Trier, allerdings anders: Das Vorgehen des Ex-Pfarrers sei zutiefst verstörend und empörend, heißt es in einer E-Mail Rüttens an S. Der bischöfliche Generalvikar empfehle eine Anwältin. „Diese leitet ihre Rechnung dann direkt an den Generalvikar weiter, der die Kosten übernimmt“, heißt es weiter.

Beschuldigter habe einen Missbrauch bereits bestanden

S. fordert: „Der Beschuldigte muss endlich mit der Akte konfrontiert werden.“ Der ehemalige Bistumssprecher Stephan Kronenburg hatte im Februar 2010 mitgeteilt, der Beschuldigte habe einen Missbrauch während seiner Kaplanszeit gestanden – das sei aktenkundig.

Opferverbände und Vertreter kirchlicher Organisationen sind entsetzt. „Dass der Täter ein Opfer mit einer Unterlassungsklage bedroht, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass er die Schwere seiner Schuld nicht anerkannt hat“, sagt Jutta Lehnert, geistliche Leiterin der katholischen Jugendorganisation KSJ. Auf ein Schuldeingeständnis hinzuwirken, sei das Mindeste, was die Verantwortlichen der Kirche für die Opfer tun müssten. Hermann Schell von der Betroffeneninitiative „Schafsbrief“ formuliert schärfer: „Mal wieder die Bestätigung dafür, dass der innerkirchliche Aufklärungswille nicht vorhanden ist.“ Triers Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der katholischen Kirche, sei eine Last für alle Betroffenen sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche.

Weitere Opfer und Zeugen sollen dem Bistum bekannt sein

Dabei hat Schell noch einen weiteren Fall im Blick: Ein Pfarrer soll in einer saarländischen Pfarrei in den 1980er Jahren mehrere Kinder sexuell missbraucht haben. Das mutmaßliche Opfer D. hatte im vergangenen Sommer beim Bistum Trier angezeigt, missbraucht worden zu sein, sowie einen Antrag auf finanzielle Entschädigung gestellt. Im Januar dieses Jahres hatte das Bistum Trier den Fall an die Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegeben. Auch D. hatte im März dort Anzeige erstattet. „Der Vorfall ist verjährt“, sagt der Saarbrücker Staatsanwalt Thomas Reinhardt. Der Betroffene wartet unterdessen auf weitere kirchenrechtliche Untersuchungen und Konsequenzen.

Nach Informationen des Trierischen Volksfreunds gibt es wohl noch weitere Opfer und Zeugen, die dem Bistum bekannt sind. „Ich hatte 1984 beim damaligen Dechanten einen weiteren Fall angezeigt“, sagt etwa Zeuge K. gegenüber dem Trierischen Volksfreund. „Ich verstehe nicht, warum sich alles so lange hinzieht und dass der Priester weiter zelebrieren darf“, sagt D.

Bistum will zunächst Ergebnisse der staattlichen Ermittlungen abwarten

Warum zögert das Bistum Trier mit der Aufklärung? Dem Betroffenen wurde mitgeteilt, das Bistum warte ab, bis auch er eine Mitteilung über die Verjährung von der Staatsanwaltschaft Saarbücken erhalten habe. „Wenn nicht präventive Gründe zu einem raschem Handeln drängen“, sagt Uzulis, „wartet das Bistum die Ergebnisse der staatlichen Ermittlungen ab.“ Zum einen, weil durch paralleles Agieren die Ermittlungen der staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht erschwert oder gar behindert werden sollten, sagt der Bistumssprecher und verweist auf die Leitlinien. Staatsanwalt Thomas Reinhardt sieht das anders: „Das Bistum kann durchaus parallel ermitteln“, sagt der Jurist.

„Mir drängt sich der Verdacht der Verzögerungstaktik auf, da sich die Aussagen einiger Bistumsangestellter und die der Staatsanwaltschaft nicht decken“, sagt der Betroffene. Er fühle sich nicht gehört und ein zweites Mal missbraucht.

Von Katja Bernardy, Trierischer Volksfreund