London

Asyl für Assange: Die Probleme fangen erst an

Asyl für Assange
Ecuador gewährt Wikileaks-Gründer Assange Asyl. Foto: Archiv/Facundo Arrizabalag

Julian Assange sprach in einer Pressemitteilung von einem „historischen Sieg“, fügte aber hinzu: „Unser Kampf hat erst richtig begonnen“. Mit Ecuadors Entscheidung, ihm Asyl zu gewähren, ist die Lage für niemanden übersichtlicher geworden.

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London – Julian Assange sprach in einer Pressemitteilung von einem „historischen Sieg“, fügte aber hinzu: „Unser Kampf hat erst richtig begonnen“. Mit Ecuadors Entscheidung, ihm Asyl zu gewähren, ist die Lage für niemanden übersichtlicher geworden.

Die Briten haben seit 2010 diese bittere Lektion lernen müssen: Wo Julian Assange auftaucht, gibt es Probleme. Der umstrittene „Wikileaks“-Gründer strapazierte erst die Geduld seines englischen Gastgebers Vaughan Smith, als er 1,5 Jahre lang unter Luxus-Hausarrest auf seinem Landhaus gewohnt und mit der Justiz gestritten hat. Dann floh Assange in die Botschaft von Ecuador und verletzte damit seine Arrestauflagen, weswegen seine Unterstützer in London insgesamt 255 000 Euro an Bürgschaften verlieren werden. Jetzt gibt es einen diplomatischen Streit zwischen London und Quito um das gewährte politische Asyl für den Australier und eine mögliche Polizeiaktion in der Botschaft. Die in einem Tweet vom Außenministerium ausgedrückte „Enttäuschung“ drückt das noch diplomatisch verbrämt aus.

Eigentlich geht das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Assange, Schweden und den USA die Briten gar nichts an. Doch sie haben das Pech, im Finale dieses internationalen juristischen Marathons den Schwarzen Peter gezogen zu haben.

Es reicht nicht, dass die Steuerzahler des Königreichs für die Polizeimaßnahmen und die teuren Prozesse gegen Assange aufkommen müssen. Mit seiner rechtlich korrekten, aber taktisch unklugen (Über)reaktion auf das Zögern des Präsidenten Rafael Correa im Fall des Internet-Aktivisten hat Großbritannien nun einige Länder in Südamerika gegen sich gestimmt und seine eigenen diplomatischen Vertretungen im Ausland in Gefahr gebracht.

Die Entscheidung Ecuadors ist keine Lösung im Streit um den Enthüller, die wahren Probleme fangen erst gerade an. Auf den ersten Blick gibt es keinen, der sich in dieser Situation als großer Gewinner bezeichnen kann. An wenigsten Assange, der möglicherweise Wochen, Monate oder sogar Jahre in der Botschaft bleiben muss, weil ihn die Briten nicht ungehindert gehen lassen. Faktisch ist das eine Verlängerung des Hausarrests. Auch Ecuador dürfte von seiner humanitären Geste kaum profitieren.

Zwar kann sich Präsident Correa als Kämpfer für Menschenrechte und die Freiheit der Meinungsäußerung um eine neue Amtszeit bei der Wahl 2013 bewerben. Doch indem sein Land den Europäischen Haftbefehl (EuHB) ignoriert, macht es sich gewiss keine Freunde in Europa. Zudem muss sich Ecuador auf einen möglichen, teuren Rechtsstreit mit Großbritannien um eine vorübergehende Aufhebung des exterritorialen Status seiner Botschaft einstellen.

Womit wir beim dritten Verlierer wären. Großbritannien wurde vor eine unerfreuliche Wahl gestellt: Entweder seine EuHB-Verpflichtungen verletzen und Assange davonziehen lassen oder aber den Australier in der Botschaft verhaften und einen schweren diplomatischen Eklat zu riskieren. Es ist die Wahl zwischen einer öffentlichen Demütigung und einem gefährlichen Präzedenzfall mit unvorhersehbaren Konsequenzen. Keine der Alternativen ist wirklich tragbar.

Die Briten werden womöglich warten und hoffen, dass dem „politisch verfolgten“ Wahrheitssucher oder seinen Gastgebern eines Tages die Geduld ausgeht. Dann erst könnte das letzte Kapitel der unendlichen Geschichte von Julian Assange geschrieben werden.

Von Alexei Makartsev