Altendiez

Auszüge aus Zwanzigers Buch (3): Blatter will reformieren

Ex-DFB-Chef
Theo Zwanziger hält FIFA-Präsident für absolut tragbar. Foto: Marius Becker

Auch nach seinem Abgang als DFB-Präsident zieht Theo Zwanziger noch viele Fäden. Im Fifa-Exekutivkomitee, der Weltregierung des Fußballs, steht der Sportfunktionär aus Altendiez einer Kommission vor, die solche Strukturen überprüfen und reformieren soll, durch die in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle bewiesener und vermuteter Korruption begünstigt wurden.

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Den Auftrag dazu gab ihm der Präsident des Weltverbands, zu dem Zwanziger seine eigene Meinung hat, wie er in seiner Autobiografie „Die Zwanziger Jahre“ verrät:

„Im Vorfeld der WM 2006 habe ich Sepp Blatter als kompetenten und verlässlichen Partner kennengelernt. Wir haben im Laufe der Jahre ein persönliches und freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Blatter ahnt, dass dies seine letzte Amtszeit ist, und er will nicht als Chef eines korrupten und reformunwilligen Verbands in die Geschichte eingehen. Deshalb hat er, vielleicht gerade noch rechtzeitig, die Kurve genommen.“

Begeisterung
FIFA-Präsident Joseph S. Blatter zeigte sich in Moskau von den WM-Vorbereitungen angetan.
Foto: Yuri Kochetkov

Zwanziger interessiert sich nicht in erster Linie dafür, wer von seinen Funktionärskollegen Dreck am Stecken hat:

„Unsere Aufgabe war es nicht, die Integrität der Fifa-Mitglieder zu prüfen. Mir ging es darum herauszufinden, inwieweit die Strukturen und Statuten der Fifa ein Fehlverhalten begünstigten. Und da wurde ich schnell fündig. Zwei grundsätzliche Schwächen wies das Regelwerk auf. Zum einen war die bisherige Ethik-Kommission ermittelnde und Recht sprechende Behörde in einem. Und als zweites enthielt das Ethik-Reglement der Fifa von 2006 einen kleinen Passus, der all die wohlklingenden Worte über die Sauberkeit und Unbestechlichkeit der Funktionäre zur Makulatur machte: ,Offizielle müssen Vorkommnisse, die einen Verstoß gegen die Verhaltensweisen dieses Reglements beweisen, dem Fifa-Generalsekretär melden.’ Nicht ein wie konkret auch immer formulierter Verdacht, sondern handfeste Beweise mussten also her, um überhaupt ein Verfahren einzuleiten. Man stelle sich vor, wenn die Staatsanwaltschaften hierzulande erst auf Beweise warten müssten, bevor sie ermitteln dürfen – dann käme es wohl nie zu Gerichtsprozessen.“

Zwanziger und seine Mitstreiter haben die notwendigen Reformen auf den Weg gebracht:

„Wir haben der Ethik-Kommission ein Zweikammersystem verordnet, wie es im DFB mit Kontrollausschuss und Sportgericht seit eh und je üblich ist. Beide Kammern, sowohl die Ermittlungsbehörde wie auch die Recht sprechende Kammer, die über Bestrafung oder Freispruch entscheidet, sollen mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzt werden. (...) Die Ethik-Kommission kann sich auch mit zurückliegenden Fällen beschäftigen. Im neuen Ethik-Reglement der Fifa ist festgehalten: „Bestechung und Korruption unterliegen keiner Verjährungsfrist.“ Das bedeutet, dass die viel diskutierte WM-Vergabe an Russland und Katar durchaus wieder in den Fokus rücken kann, genauso wie andere Vorkommnisse, die Verdacht erweckt haben.“

Sein (Zwischen-)Fazit:

„Sepp Blatter hat eindeutig Macht aus der Hand gegeben. Das bestätigt meinen Eindruck, dass er die Fifa tatsächlich reformieren will. (...) Wir sind weitergekommen, auch wenn noch einiges zu tun bleibt. Die Alternative wäre gewesen, mich so zu verhalten, wie es Uli Hoeneß fordert: 80 Prozent der Exekutivmitglieder aus dem Gremium zu schmeißen. Für solche populistischen Forderungen bekommt man immer Beifall, sie helfen in der Praxis aber nicht weiter.“

Auch im europäischen Verband Uefa hat Zwanziger als Mitglied der Exekutive viel Einfluss. Den Präsidenten Michel Platini lobt er für seine neuen Ideen:

„Die nächste Europameisterschaft 2016 findet bekanntlich mit 24 statt 16 Mannschaften statt. Deshalb ist es geradezu die Pflicht des Uefa-Präsidenten, über Alternativen nachzudenken. Von seinem Vorschlag, das Endturnier nicht mehr in einem oder zwei Ländern, sondern in den großen Stadien der europäischen Metropolen auszutragen, war auch ich überrascht, aber ich würde Platini deshalb nicht, wie viele andere es tun, von vorn herein hart kritisieren. (...) Nehmen wir als Beispiel eine EM in Nordeuropa. Dazu gehören natürlich die skandinavischen Länder, Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen, dazu Hamburg, Berlin und London – das ist nicht aufwendiger als ein Turnier in Polen und der Ukraine. Oder weiter im Süden eine Region mit den Eckpfeilern München, Wien, Budapest, Prag, Mailand, Paris, Lyon – wäre das wirklich so absurd?“

red