Lotsen im olympischen Datenmeer – Wie die Welt von den Londoner Spielen erfahren wird

Im Olympiastadion in London laufen die technischen Vorbereitungen auf Hochtouren.
Im Olympiastadion in London laufen die technischen Vorbereitungen auf Hochtouren. Foto: dpa

London – Diese Aussicht lässt die Herzen schneller schlagen. Aus den Fenstern des 200 Meter hohen HSBC-Bankenturms im Londoner Osten schaut man kilometerweit über die glitzernde Themse, die ehemaligen Docks, die igelartige Kuppel der O2-Arena und die grauen Betonburgen der Tower Hamlets bis hin zum weißen Oval des Olympiastadiums in der Ferne. Allerdings haben die Mitarbeiter des Technology Operations Centre (TOC) der Firma Atos keine Zeit, um das großartige Panorama zu genießen.

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London – Diese Aussicht lässt die Herzen schneller schlagen. Aus den Fenstern des 200 Meter hohen HSBC-Bankenturms im Londoner Osten schaut man kilometerweit über die glitzernde Themse, die ehemaligen Docks, die igelartige Kuppel der O2-Arena und die grauen Betonburgen der Tower Hamlets bis hin zum weißen Oval des Olympiastadiums in der Ferne. Allerdings haben die Mitarbeiter des Technology Operations Centre (TOC) der Firma Atos keine Zeit, um das großartige Panorama zu genießen.

Computerexperten der Firma Atos testeten vor dem Beginn der Londoner Spiele insgesamt 200 000 Stunden lang mehr als 11 000 elektronische Komponenten in der riesigen Olympia-Infrastruktur.
Computerexperten der Firma Atos testeten vor dem Beginn der Londoner Spiele insgesamt 200 000 Stunden lang mehr als 11 000 elektronische Komponenten in der riesigen Olympia-Infrastruktur.
Foto: Alexei Makartsev

Im 2 000 Quadratmeter großen Raum mit sechs langen Tischreihen starren einige Dutzend Männer und Frauen konzentriert auf ihre Computermonitore. „Dies ist das elektronische Nervenzentrum der Olympischen Spiele“, erklärt Operations Manager Pieter-Jon Buitelaar, der zufrieden seine Kommandozentrale hinter einer schalldichten gläsernen Wand betrachtet. „Wenn es in vier Wochen gut funktioniert, wird niemand von uns etwas hören. Wir wären damit sehr zufrieden“.

Fechtvorführung in der Londoner Atos-Kommandozentrale (TOC). Die Ergebnisse von solchen und anderen Wettkämpfen sollen in den Olympiawochen binnen einer Drittelsekunde in die ganze Welt übermittelt werden – noch eher als die Menge im Stadion zu jubeln anfängt.
Fechtvorführung in der Londoner Atos-Kommandozentrale (TOC). Die Ergebnisse von solchen und anderen Wettkämpfen sollen in den Olympiawochen binnen einer Drittelsekunde in die ganze Welt übermittelt werden – noch eher als die Menge im Stadion zu jubeln anfängt.
Foto: Alexei Makartsev

Olympia ist eine technische Herausforderung

Olympia – das sind nicht nur Rekorde, Emotionen, Hymnen und schöne Bilder. Es ist auch eine enorme technische Herausforderung. Ein Meer von Statistiken, Ergebnissen, Namen und Daten, geschätzte zwei Millionen Informationen zu 300 Medaillen-Events in 17 Tagen, die über die extra verlegten 4 200 Kilometer Kabel von 96 Wettkampf-Orten blitzschnell an 8,5 Milliarden internetfähige PCs, Tablets, Laptops und Handys in aller Welt gesendet werden müssen. „Der technische Aufwand an jedem Olympia-Tag entspricht etwa sechs Champions-League-Finalspielen“, sagen die Verantwortlichen beim multinationalen Unternehmen, das für das Internationale Olympische Komitee (IOC) den größten IT-Vertrag der Sportgeschichte erfüllen soll. Atos ist bereits seit 1992 im Olympia-Geschäft. Nach Meinung der erfahrenen Computerexperten seien die technischen Hürden noch nie so hoch gewesen wie bei den XXX. Spielen in London, deren Datenvolumen noch um 30 Prozent das der letzten Olympiade in Peking übersteigen soll.

Für alle Pannen gewappnet

Pieter-Jon Buitelaar ist kein Mann, der gerne ein Risiko eingeht. Schon gar nicht, wenn Milliarden Menschen weltweit zuschauen. „Um 20 Uhr Ortszeit am 27. Juli werden die Spiele eröffnet. Egal, was passiert, die Übertragung muss stehen. Darum richten wir uns hier auf jede erdenkliche Panne ein“, erklärt der IT-Profi, der seit zwei Jahren das größte Sportfest der Menschheit penibel vorbereitet. 2010 prüfte Buitelaars Team insgesamt 200 000 Stunden lang ein riesiges Netzwerk aus 11 500 Rechnern, 1100 Notebooks, 900 Servern und unzähligen Monitoren, Druckern und Security-Komponenten, die bei den Spielen zum Einsatz kommen sollen. Im August 2011 richtete Atos im HSBC-Turm das Krisenzentrum TOC ein, in dem rund um die Uhr etwa 500 Techniker arbeiten werden.

„Jeder Olympia-Schauplatz ist autonom, darum haben wir keine Kontrolle über die Informationen, sondern wir überwachen lediglich den Datenfluss und greifen im Notfall ein“, erklärt Buitelaar. Die Systeme haben keine direkte Verbindung mit dem Internet und gelten als sicher vor Hacker-Angriffen. Auch für Stromausfälle und Terroranschläge ist vorgesorgt. Atos baut ein zweites Datenzentrum und ein Ersatz-TOC in London auf, die im Katastrophenfall binnen zwei Stunden online gehen sollen. Wo genau? “Sorry, das ist streng geheim”, lautet die höfliche Antwort der IT-Spezialisten.

Das mediale Interesse an den Olympischen Spielen an der Themse ist gewaltig. Alleine die BBC sendet 2500 Stunden Olympia-Geschehen auf 29 Fernseh- und Radiokanälen sowie im Internet. Erstmals in der Geschichte sollen einige Wettkämpfe live in 3D übertragen werden. Mit Hilfe eines neuen Programms namens „myInfo+“ werden die Athleten auf ihren Tablets und Smartphones Zugriff auf Wetterdaten, Trainingspläne, Zeiten und Rangtabellen haben. Eine weitere Premiere von Atos soll das Kommentieren der Ereignisse zum Kinderspiel machen. „Unser System ,Remote CIS‘ macht bei jedem Wettkampf binnen einer Drittelsekunde alle Ergebnisse global verfügbar – noch eher die Menschenmenge zu jubeln anfängt“, erklärt Pieter-Jon Buitelaar. „Damit kann beispielsweise ein Fernsehreporter in Helsinki oder Lissabon ein Rennen genauso gut für seine Zuschauer live kommentieren, wie wenn er in London im Stadion sitzen würde“.

Die riesige Infrastruktur von Atos ist getestet und einsatzbereit. Kann etwas schief gehen? Ja, gestehen die IT-Lotsen im olympischen Datenmeer. „Alles geht immer schief. Darum ist es wichtig, einen Plan B zu haben“.

Von unserem Korrespondenten Alexei Makartsev