Mainz

Festmahl und frühe Erinnerungen: Weihnachten in Altenheimen

Weihnachten ist ein hoch emotionales Fest. Erinnerungen an die Kindheit werden wach, an Familientraditionen – besonders bei den Bewohnern der rheinland-pfälzischen Altenheime. Deren Mitarbeiter lassen sich einiges einfallen, um die Festtage für die Senioren zu etwas Besonderem zu machen – vom gemeinsamen Plätzchenbacken bis zur Weihnachtsfeier, vom Gottesdienst an Heiligabend bis zum Festmahl.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

„Das Weihnachtsfest ist für Heimbewohner ganz wichtig“, weiß Abteilungsleiterin Solveigh Schneider von der Diakonie Rheinland-Pfalz, die für die Pflegeheime im ganzen Land zuständig ist. Schon bei der Aufnahme werde nach der Biografie gefragt. „So können wir berücksichtigen, welche Rituale die Menschen gelebt haben.“ Dazu gehöre für viele der Gottesdienstbesuch. „Wer noch mobil ist, wird in die Kirche begleitet“, sagt Schneider. Pfarrer oder Heimseelsorger sind meist bei den Weihnachtsfeiern in den Heimen dabei. Auch Angehörige sind eingeladen. „Wir wollen den Menschen ein Fest bieten, wie sie es von daheim gewöhnt sind.“

Eine große Rolle spielen laut der Abteilungsleiterin Weihnachtslieder und das gemeinsame Singen. „In der Adventszeit werden von den Einrichtungen oft Singgruppen oder Chöre eingeladen.“ Auch Kindergartenkinder kommen zu Besuch und begeistern die Senioren. Oder es wird gebacken – der Duft frischen Gebäcks erfreut nach Schneiders Worten selbst Patienten mit schwerer Demenz.

„Mit dementen Patienten wird viel gesungen“, berichtet auch Andreas Artelt vom DRK-Seniorenzentrum Altenkirchen im Westerwald, in dem über die Hälfte der Bewohner an Demenz leidet. „Selbst schwerst Demente können oft sämtliche Verse der Weihnachtslieder.“ An Heiligabend gibt es im Heim einen Gottesdienst, danach feiern Bewohner und Personal mit Gedichten und Gesang. Auch die Bescherung fehlt nicht: „In diesem Jahr schenken wir allen Bewohnern ein Nachtlicht mit Bewegungsmelder“, verrät Artelt.

An Heiligabend gibt es Kartoffelsalat mit Würstchen. „Das ist bei uns Kult.“ An den Weihnachtstagen tischen die Mitarbeiter Festmenüs auf: Am ersten Feiertag gibt es gefülltes Hähnchenbrustfilet mit Bärlauch, tags darauf Wildgulasch mit Waldpilzen. Die Tischdekoration nimmt Rücksicht auf die dementen Bewohner: Es werden Schokostückchen, Salzbrezeln oder Petersilie als Girlanden ausgelegt. So gibt es laut Artelt keine Probleme, wenn Demenzpatienten die Deko in den Mund stecken.

„Oft sei es nötig, die alten Menschen aufzufangen“

Im Diakoniezentrum Pirmasens in der Pfalz ist seit drei Jahren an Heiligabend das Personal fast komplett im Einsatz – mitsamt den Führungskräften. „Weihnachten ist für alle Bewohner emotional sehr hoch besetzt“, sagt Martina Sand, die zwei der Diakonie-Altenheime und das Hospiz leitet. Oft sei es nötig, die alten Menschen aufzufangen. Beispielsweise wenn sie keinen Besuch bekommen. Das sei von einer ausgedünnten Mannschaft nicht zu leisten.

Seit 2011 ist auch die große Weihnachtsfeier im Advent gestrichen. „Das war oft zu anstrengend“, berichtet Sand. Stattdessen organisieren die Mitarbeiter im Heim einen Weihnachtsmarkt mit Buden, an denen Glühwein oder Waffeln angeboten werden. Das wecke Erinnerungen: „Viele Bewohner kommen ja nicht mehr raus.“ Über das Weihnachtsessen durften sie selbst abstimmen: An den Feiertagen gibt es Entenbrust und Hirschgulasch. Auch im Hospiz bekommen die Patienten ihr Wunschessen. Ente und Knödel werden sogar püriert, wenn die Bewohner nicht mehr kauen können. „Das ermöglicht ihnen das Geschmackserlebnis“, sagt Sand.

Team sorgt für „heimeliges Gefühl“

Im städtischen Mainzer Altenheim gibt es an den Feiertagen nicht nur Entenkeule und Wildlachs, sondern auch ein Glas Wein, wie Pflegedienstleiter Willi Müller berichtet. Weil viele Bewohner Medikamente nähmen oder dement seien, werde normalerweise kein Wein ausgeschenkt. Auch sonst bemühe sich sein Team um ein „heimeliges Gefühl“ an Weihnachten – vom Gottesdienst bis zum Singen von Liedern. Manch ein Bewohner bleibt laut Müller sogar an Heiligabend lieber im Heim, als seine Familie zu besuchen.

Im AWO-Seniorenzentrum „Laubach“ in Koblenz geht es schon während der ganzen Adventszeit musikalisch zu. „Es gab mehrere Konzerte im Haus, außerdem eine große Weihnachtsfeier“, sagt Leiter Jürgen Gerz. An Heiligabend werde familiär auf den Stationen gefeiert. Weihnachten sei für die durchweg pflegebedürftigen Bewohner sehr emotional. „Deshalb wollen wir ein fröhliches Fest, nicht so sehr ein besinnliches.“ Das wird auch bei der Liedauswahl berücksichtigt. Weil bei „Stille Nacht“ immer viele Tränen fließen, singe man lieber „O du fröhliche“, berichtet Gerz.