Rheinland-Pfalz

Der Einzelhandel prägt das Stadtleben

Fußgänger mit Einkaufstüten
Einzelhandel prägt das Stadtleben Foto: DPA

Ohne den Handel wäre das Land, volkswirtschaftlich betrachtet, ein ganzes Stück ärmer. Rund ein Zehntel der gesamten Bruttowertschöpfung in Rheinland-Pfalz entfällt auf diesen Wirtschaftsbereich – das entspricht dem Wert für ganz Deutschland.

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Von unserem Redakteur Jörg Hilpert

Und der Handel ist auch ein großer Arbeitgeber, denn für das Verkaufen braucht es besonders viel Personal: Dieser Anteil an der Zahl aller Erwerbstätigen liegt deshalb sogar bei 14 Prozent, berichtet das Statistische Landesamt mit Blick auf das vergangene Jahr.

Ohne den Handel würde aber auch den Städten einiges an Einnahmen fehlen. Denn anders als international agierende Großkonzerne wie etwa Amazon (siehe Text unten) können die lokal agierenden Einzelhändler ihre Gewinne nicht ins Ausland verlagern. „Sie haben einfach keine Möglichkeit dazu, Steuern zu ,optimieren'“, sagt Prof. Gunnar Schwarting, Geschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz.

Innenstädte sollen belebt werden

Für Schwarting steht allerdings etwas ganz anderes im Mittelpunkt. „Wenn wir uns für den Einzelhandel einsetzen, geht es uns nicht so sehr um die Gewerbesteuer – sondern darum, die Innenstädte zu beleben.“ Den Spruch „Handel geht auch ohne die Stadt – aber die Stadt nicht ohne den Handel“ will er trotzdem so nicht unterschreiben. Das sei doch sehr plakativ, meint Schwarting. Sicher, der Stadt würde ohne den Handel „eine Kernkompetenz fehlen“. Aber die Händler seien doch andererseits auf die Kundschaft der Städte angewiesen.

Tatsächlich ist der Einzelhandel aber auf jeden Fall wesentlich mehr als Umsätze, Arbeitsplätze und Steuern: Er prägt das gesamte Stadtbild, er bietet oft genug auch die Gelegenheit zum Gespräch, Menschen kommen seinetwegen zusammen. Letztlich erfüllt er damit eine soziale Funktion – die nicht in Euro und Cent gemessen werden kann.

Gunnar Schwarting ist überzeugt davon, dass sich die Innenstädte trotz der wachsenden Konkurrenz im Internet nicht entleeren. Handel war schon immer im Wandel – „und die Städte haben über die Jahrhunderte alle Veränderungen aufgefangen“. Wer Bilder beispielsweise aus den 60er-Jahren anschaut, stellt rasch fest: Die damals typische Einzelhandelsstruktur würde heute überhaupt nicht mehr funktionieren. Und mit dem Internet hat das zunächst wenig zu tun.

Neu ist allerdings, wie schnell der Wandel, getrieben durch E-Commerce, vonstatten geht. „Den Einzelhändlern bleibt kaum noch Zeit, sich darauf einzustellen“, fürchtet der Städtetags-Geschäftsführer. Er müsse mit seinen Stärken punkten – vor allem mit kompetenter Beratung.

Gerade der demografische Wandel könnte dabei sogar eher Chance als Risiko sein. Zwar werden die Menschen weniger, was den Handel natürlich eher schwächt. Sie werden im Schnitt aber auch älter – und sind dann oft nicht mehr so mobil. Verbunden mit dem Trend, dass viele im Alter zurück in die Städte wollen (Stichwort Landflucht), könnte dies den stationären Einzelhandel stärken: Er bietet im Idealfall auf kleinem Raum ein breites Sortiment in der Innenstadt. Und während junge Menschen eher sagen: „Ich schau mir die Fernseher selbst an“, wünschen sich ältere Menschen oft Beratung. „Ob die Bewertungsbuttons im Internet das ausgleichen, da bin ich skeptisch“, meint Schwarting.

Verkaufsoffene Sonntage beliebt

Dass die Menschen die Innenstädte nach wie vor schätzen, zeigen seiner Ansicht nach die verkaufsoffenen Sonntage: Da kommen Kunden in Strömen. Einfach zwei zusätzliche verkaufsoffene Sonntage einzuführen – oder die Öffnungszeiten generell noch weiter auszudehnen -, davon hält Schwarting nicht viel. „Damit bringen sie die Menschen, die lieber online kaufen, nicht von ihrer Grundeinstellung ab.“

Hoffnung macht den Städten eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger im Auftrag von ECE, Europas Nummer eins in der Entwicklung, Realisierung und dem Management von Einkaufszentren: Vor allem teure Produkte werden offenbar nach wie vor lieber im Geschäft gekauft. Patric Raeschke, Referent für Handel und Stadtmarketing bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz, beobachtet zudem: Der Billigladen-Boom ist vorbei. Beides spricht dafür, dass sich womöglich gerade die hochwertigen Sortimente halten – und damit auch die Städte nicht verarmen.