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Kreis Neuwied

Ein Leben lang in einer Partei: Ein Auslaufmodell?

Seit Jahrzehnten verlieren CDU, SPD und FDP Mitglieder. Manche bleiben aber auch für immer treu. Die RZ hat langjährige Mitglieder getroffen. Drei Perspektiven auf das Leben mit einer Partei.

Lesezeit: 7 Minuten
Als die Männer von der Gestapo vor der Tür stehen, um ihren Vater abzuholen, da erkennt Regina Paulsen, dass es ein großes Geheimnis ist, das er hütet. „Wir waren Staatsfeinde“, sagt die Frau, die die geheimen Treffen ihres Vaters und der anderen Männer und Frauen in dem kleinen Raum über ...
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Parteienforscher: Der Ortsverein bleibt unverzichtbar

Kreis Neuwied. Dem Schulz-Effekt zum Trotz: Seit Jahrzehnten verlieren die Parteien Mitglieder, auch im Kreis Neuwied. Der Landauer Parteienforscher Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli erklärt, was Menschen motiviert, Parteien beizutreten und warum Ortsvereine kein Modell von gestern sind.

Herr Sarcinelli, seit Jahrzehnten forschen Sie als Politologe auch über die Parteien in der Bundesrepublik. Sind Sie auf eine Formel gestoßen, was Menschen motiviert, einer Partei beizutreten?

Eine allgemeingültige Lehrformel für den Parteieintritt gibt es nicht. Bei den Motiven, Parteimitglied zu werden spielen Persönlichkeitsmerkmale, gesellschaftliche Entwicklungen und vor allem auch zeithistorische Umstände und damit verbundene Problemlösungserwartungen eine Rolle.

Viele langjährige Parteimitglieder nennen starke Persönlichkeiten als Grund für ihren Beitritt. Mit Blick auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen der Volksparteien, hieße das, sowohl CDU als auch SPD hatten in den 70ern bis Anfang der 90er Jahre ihre charismatischsten Leute. Eine These, der Sie zustimmen können oder sehen Sie andere Gründe für den Mitgliederschwund?

Starke, charismatische und überzeugende politische Persönlichkeiten, die man als Vorbilder und als politische Leitfiguren ansieht, waren wichtige Beitrittsmotive. Wenn dann auch noch heftige Debatten über politische Alternativen hinzukommen wie etwa beim Streit über die Westintegration unter Adenauer oder über die neue Ostpolitik unter Willy Brandt, dann wirkt dies alles mobilisierend. Das vermeintliche Fehlen charismatischer Persönlichkeiten erklärt aber kaum den starken Mitgliederschwund der Parteien über die letzten Jahrzehnte hinweg. Viel entscheidender war und ist die nachlassende politische Bindungsbereitschaft – neudeutsch: die Volatilität – unserer individualisierten Gesellschaft. Mehr denn je spielt inzwischen das persönliche Nutzenkalkül für politisches Engagement eine Rolle.

Kann die politische Großwetterlage mit Rechtsruck und zunehmendem Populismus auch eine Chance für die Altparteien sein und Motivation für Menschen, gerade jetzt in eine dieser Parteien einzutreten?

Populismus und Rechtsruck allein werden kaum zu Parteieintritten in größerem Umfange führen. Entscheidend wird vielmehr sein, dass es den Parteien und insbesondere den Volksparteien gelingt, das verbreitete Gefühl eines Allparteienkonsenses zwischen den demokratischen Kräften zu überwinden. Erfahrungsgemäß führt die Polarisierung durch erkennbare politische Alternativen zu Engagement und Mobilisierung. Mit Blick auf die politische Großwetterlage – Flüchtlingsfrage, Krise der EU, Konflikte im transatlantischen Verhältnis und mehr – wäre Streit über die besseren Lösungen die beste Medizin gegen Parteienverdruss.

Welche Rolle spielt heute – in Zeiten des Internets, da die große, internationale Politik allgegenwärtig ist – der kleine Ortsverein, bei der Entscheidung der Menschen, sich parteipolitisch zu engagieren?

Das Internet spielt eine zunehmende Rolle bei der Themensetzung und auch in der Beeinflussung politischer Stimmungen, nicht selten an den ‚klassischen Medien‘ vorbei. Das Internet sollte aber nicht überschätzt werden. Wir sind nicht in den USA, wo Parteien kaum mehr als Wahlkampfmaschinen sind, die sehr viel Geld in gekaufte elektronische Wahlwerbung stecken. Die Ortsvereine sind hierzulande nach wie vor eine wichtige Integrations-, Kommunikations- und vor allem Mobilisierungsbasis für die Parteien.

Demnach ist der Ortsverein kein Modell von gestern?

Nein, ganz gewiss nicht! Die kommunale Ebene ist und bleibt ein wichtiges Trainingsfeld für politische Selbstverständigung, Willensbildung und Kompromissfindung. Entscheidend für das Modell Ortsverein ist allerdings, dass mit zeitgemäßen Methoden innerparteiliche Kommunikation organisiert wird, Ortsvereine für junge Menschen attraktiver werden und damit auch der Überalterung der Mitglieder entgegenwirkt wird.

Die Fragen stellte Robin Brand

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