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Kreis Bad Kreuznach

„Der Boss liegt im Bett“: Sterbebegleiter erzählen von ihrer Arbeit

hüü Foto: picture alliance

Sie kümmern sich um Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben: Die Mitarbeiter des Christlich Ambulanten Hospizdienstes an der Nahe blicken dem Tod tagtäglich ins Auge. Anders als in einem stationären Hospiz gehen die Bad Kreuznacher Hospizdienstmitarbeiter zu den Patienten nach Hause, nehmen Ängste, erfüllen letzte Wünsche oder sind einfach nur da. Wir haben mit drei von ihnen gesprochen: den beiden ehrenamtlichen Sterbebegleitern Karin Decker und Peter Manthey sowie der Hauptamtlichen Lilo Mayer.

Lesezeit: 6 Minuten
Frau Decker, andere Menschen kümmern sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich um Flüchtlinge oder Senioren. Sie besuchen todkranke Menschen. Wie kommt man zu einem solchen Ehrenamt? Ich komme eigentlich aus der Hotellerie. Als wir unser Hotel verkauften, habe ich mich neu orientiert und eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht. Dann wurde meine Mutter ...
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Neue Hospizbegleiter gesucht: Kurs startet im Januar 2018

Bad Kreuznach. Alles, was die todkranke alte Dame möchte, ist noch einmal in ihrem Garten zu sitzen. Damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist Organisationstalent gefragt. Helga Borlinghaus, Koordinatorin des Christlich Ambulanten Hospizdiensts an der Nahe, tüftelt, telefoniert, wälzt Terminkalender und sorgt schließlich dafür, dass ein Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen zehn Stunden am Tag mit der Palliativpatientin in deren Garten verbringen kann. Eine Woche lang geht das so. Dann stirbt die alte Dame an ihrer schweren Krankheit.

Was für die einen der Garten ist, sind für den anderen die Tüte mit Gummibärchen, die Gesänge von Shantychören oder der Duft frisch gebackenen Brotes, der noch einmal durchs Haus zieht – Menschen im letzten Stadium ihres Lebens haben unterschiedliche Bedürfnisse, und das Hospizdienstteam tut sein Möglichstes, um diese letzten Wünsche zu erfüllen. 140 Menschen wurden 2016 begleitet.

Beim Hospizdienst, der in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert, arbeiten 5 haupt- und 45 ehrenamtliche Sterbebegleiter. Sie decken den gesamten Kreis Bad Kreuznach ab. „Das Thema Sterben ist immer noch angstbesetzt“, sagt Helga Borlinghaus. Das Aufgabengebiet ist breit gefächert: „Das reicht von kleinen lebenspraktischen Dingen wie dem Spülen bis hin zu Beratungen zur Schmerz- und Symptombekämpfung. Am meisten fürchten sich die Patienten vor den Schmerzen. Leider gibt es immer noch Haus- und Landärzte, die sehr sparsam mit Morphin umgehen. Das behalten wir im Blick.“

Borlinghaus ist eines wichtig: „Wir pflegen nicht. Wir sind für Herz und Seele da. Manchmal beschränkt sich eine Begleitung auch nur darauf, nichts zu tun, am Bett zu sitzen und da zu sein.“ Nur der Wunsch des Patienten zähle: „Der Sterbende geht voraus, wir gehen hinterher. Wir mischen uns nicht in religiöse Fragen ein und auch nicht in die Therapie, aber wenn wir gefragt werden, haben wir eine klare Haltung.“

Wer sich vorstellen kann, in seiner Freizeit todkranke Menschen zu begleiten, der kann sich beim Hospizdienst zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter ausbilden lassen. Noch bis November läuft die Anmeldung, im Januar 2018 startet der neue Kurs, der zehn wöchentliche Kursabende sowie vier Wochenendveranstaltungen umfasst. Abgerundet wird die Ausbildung von einem 20-stündigen Praktikum in einer entsprechenden Einrichtung. Es können maximal 15 Teilnehmer aufgenommen werden.

Wer Hospizbegleiter werden möchte, muss sich in der Ausbildung sehr intensiv mit der eigenen Biografie beschäftigen. „Man spricht über seine eigenen Erfahrungen mit Sterben und Tod und darüber, warum man diese Arbeit machen möchte“, sagt Borlinghaus. In Rollenspielen wird das Wahrnehmen von Emotionen erlernt, und auch die verschiedenen Sterbe- und Trauerphasen sind Thema, um zu verstehen, was Menschen bewegt, die einen Angehörigen verlieren.

„Die Arbeit in der Ausbildung ist sehr intensiv“, sagt Borlinghaus. „Man findet schnell zueinander. Viele sagen, dass sie noch nie so schnell Vertrauen zu Menschen gefasst haben wie im Kurs und dass sie durch die Arbeit mit den Patienten erfahren, was wirklich wichtig ist im Leben.“ Ein Mindestalter, um Sterbebegleiter zu werden, setzt der Hospizdienst nicht: „Es kommt auf die Persönlichkeit an.“ Borlinghaus freut sich über möglichst viele Interessenten: „Wir brauchen Menschen, die flexibel und eigenständig sind. Sie weist jedoch daraufhin, dass nicht jeder für eine solche Arbeit geeignet ist: „Ein angehender Sterbebegleiter sollte weder psychotherapeutisch behandelt werden noch selbst trauern. Da sollte man mindestens drei Jahre Trauerzeit einhalten. Ein Mindestspektrum an Zeit ist ebenfalls notwendig.“

Das Hospizdienstteam versucht, nach Möglichkeit auf die Wünsche der Ehrenamtlichen einzugehen. „Manche möchten zum Beispiel ungern in einem Raucherhaushalt eingesetzt werden, andere gehen nicht gern in Seniorenheime, wiederum andere haben sich auf bestimmte Heime spezialisiert oder arbeiten zusätzlich mit Therapiehunden. Wir machen da viel möglich.“ Regelmäßige Supervisionen sorgen dafür, dass die Ehrenamtlichen bei ihrer oftmals belastenden Tätigkeit nicht selbst auf der Strecke bleiben. Wenn es während der Betreuung zu Problemen kommen sollte, stehen die Hauptamtlichen den Ehrenamtlichen mit Rat und Tat zur Seite. In den Betreuungen gibt es keinen festgesteckten Rahmen. Die Hospizbegleiter können sich im Ehrenamt frei entfalten, solange es mit den Wünschen des Patienten konform ist. „Man kann nicht alle Eventualitäten durchspielen“, sagt Borlinghaus. Das Leben lehrt uns, was zu tun ist.“ Einfach Mensch zu sein, sei das beste Rezept.

Silke Bauer

Mehr Infos unter Telefon 0671/838 28 35 oder per E-Mail an h.borlinghaus@caritas-rhn.de