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Arnstein

Patres erinnen an 75. Todestag von Alfons Spix: Konsequenter Christ starb im KZ Dachau

Ein Grabstein zeigt auf dem Friedhof der Klosterkirche die Stelle an, an der eine Urne mit Asche aus dem KZ Dachau begraben wurde.  Foto: Rosenkranz
Ein Grabstein zeigt auf dem Friedhof der Klosterkirche die Stelle an, an der eine Urne mit Asche aus dem KZ Dachau begraben wurde. Foto: Rosenkranz

In der Zeit des Nationalsozialismus standen auch die Arnsteiner Patres wie alle christlichen Ordensgemeinschaften unter besonderer Beobachtung der Nationalsozialisten. Für den damaligen Superior des Klosters Arnstein, Pater Alfons Spix (Jahrgang 1894), endete dies tödlich: Weil an seinen Gottesdiensten polnische Zwangsarbeiter teilgenommen hatten, wurde er 1941 von der Gestapo verhaftet und starb schließlich am 9. August 1942 im KZ Dachau.

Lesezeit: 1 Minute
Walter Spix hatte die Missionsschule der Arnsteiner Patres im niederländischen Simpelveld besucht. Nach Ableistung seines Militärdienstes im Ersten Weltkrieg trat er 1919 als 25-jähriger Novize in die Kongregation in Arnstein ein, wo er den Ordensnamen Alfons erhielt. 1924 legte er die Ordensprofess ab und wurde 1925 in Simpelveld zum Priester geweiht. ...
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Interview: Pater war kein Held, aber ein Vorbild

Der Theologe Stefan Diefenbach hat 1991 zum Abschluss seines Studiums eine wissenschaftliche Abhandlung unter dem Titel „Von Arnstein nach Dachau. Pater Alfons Spix SS. CC. Opfer des nationalsozialistischen Kirchenkampfes“ veröffentlicht. Für die Zeitschrift der Arnsteiner Patres, „Apostel“, hat Thomas Meinhardt mit dem aus Lahnstein stammenden Diefenbach über Pater Alfons Spix ein Gespräch geführt. Diefenbach gehörte selbst einst zum Konvent und leitet heute den Welt-Laden im Frankfurter Stadtteil Bornheim.

Welche Bedeutung hat Pater Alfons Spix für Sie?

Als junger Novize habe ich seinen Grabstein in Arnstein gesehen, ohne einen Hinweis auf den Tod im Konzentrationslager. Man erzählte aber, dass er ein Märtyrer ist und in Dachau ums Leben kam. Genaueres konnte mir niemand sagen. In meinem ersten kirchengeschichtlichen Seminar zum Thema »Kirche und Orden im Nationalsozialismus« habe ich dann eine Seminararbeit über ihn geschrieben. Und mein Interesse war geweckt, mehr über diesen Mitbruder zu erfahren. Da die Quellenlage eher dürftig war, habe ich die Gelegenheit genutzt, mit überlebenden Dachau-Priestern zu sprechen und im Archiv des Konzentrationslagers zu forschen. So konnte ich dann meine Diplomarbeit über Alfons Spix als Opfer des nationalsozialistischen Kirchenkampfes schreiben. Begeistert hat mich insbesondere sein seelsorgliches Engagement. Die polnischen Zwangsarbeiter waren für ihn keine Untermenschen, sondern Menschen, die ein Recht haben, zur Beichte und zum Gottesdienst zu gehen, die man christlich behandeln muss, ohne nach Herkunft und Nationalität zu unterscheiden.

Für Sonntag, 13. August, 10.30 Uhr, laden die Arnsteiner Patres zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 75. Todestages von Pater Alfons Spix ein. Am 9. August 1942 starb der damalige Superior von Kloster Arnstein im KZ Dachau. Er war von der Gestapo verhaftet und später in Dachau interniert worden, da er polnische Zwangsarbeiter am Gottesdienst teilnehmen und ihnen etwas zu essen geben ließ. Der Tag beginnt mit einem Gedenkgottesdienst. Anschließend gibt es einen Gang über das Klostergelände zu den Erinnerungsorten von Pater Spix. Am Eingang zum Kloster erinnert ein Stolperstein an Pater Alfons Spix, außerdem gibt es eine Gedenktafel. Gegen 12 Uhr folgt eine Gesprächsrunde mit der Kirchenhistorikerin Barbara Wieland und dem Theologen Stefan Diefenbach. Dabei geht es darum, was man vom Lebenszeugnis von Pater Spix für das heutige Leben und Handeln lernen kann. Um 13 Uhr wird ein Imbiss gereicht, anschließend gibt es Kaffee. Um die Verpflegung planen zu können, bitten die Patres um eine verbindliche Anmeldung bis 4. August an Pater Heinz Josef Catrein SSCC, Kard.-v.-Galen-Straße 3, 59368 Werne, Telefon 0173/693 80 86, E-Mail provinzialat@sscc.de

Taugt Pater Spix für Sie als Vorbild für christliches Handeln oder ist er eher ohne sein Wollen in etwas hineingeschlittert?

Er war sicher kein Held und auch kein aktiver Widerstandskämpfer. Er war ein vorsichtiger Mensch, der sich später darüber geärgert hat, dass er es den Nationalsozialisten so einfach gemacht hat. Im Nachhinein hätte er sicher lieber diskretere Wege zur Unterstützung der polnischen Zwangsarbeiter und zur Ermöglichung des Sakramentenempfangs gewählt; allein schon weil er sich als Superior für die Mitbrüder in Arnstein verantwortlich fühlte. Sein Glaube hat ihn widerstandsfähig gemacht gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie und er hat kreativ immer nach pastoralen Spielräumen gesucht, um für die konkreten Menschen Seelsorger zu sein. Er ist für mich ein Vorbild, wie man im Alltag trotz aller Widerstände verantwortungsvoll christlich und menschlich handeln kann, ohne ein Held sein zu müssen.

Können wir von Alfons Spix etwas für heute lernen?

Ja, vor allem aufmerksam zu sein, gegenüber totalitären Ideologien, gegenüber rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien. Aufmerksam zu sein, wenn die Menschenrechte nicht mehr geachtet werden, wenn sich Hass und Gewalt gegen die Schwächsten richten. Das Engagement vieler Menschen – auch vieler Christen und der Kirchen – für die zu uns geflüchteten Menschen ist für mich ein positives Beispiel. Lernen können wir auch, dass Widerstand gegen inhumane Politik durchaus auch eine christliche Tugend ist und dass es zum Glaubensleben gehört, widerständig und widerborstig zu sein, wenn es um das Wohl der Menschen geht.

Wann und wo sollte ein Christ Widerstand leisten?

Zunächst immer da, wo das Leben auf dem Spiel steht. Unser Gott ist ein lebendiger Gott, der das Leben in Fülle für alle will. Immer da, wo Leben eingeschränkt, verhindert, behindert, missbraucht wird, da sind wir als Christen gefordert, uns für ein Mehr an Gerechtigkeit einzusetzen, Möglichkeiten zu suchen, Menschen wieder Lebensmöglichkeiten zu eröffnen. Das gilt für mich nicht nur für politische Unterdrückung, auch für wirtschaftliche Ausbeutung, für die Zerstörung unserer Umwelt. Insbesondere gilt für uns Christen: Es gibt nicht mehr Mann und Frau, Jude und Heide, ihr seid alle eins in Christus. Das wäre für mich ein Leitbild in der Tradition von Alfons Spix. Und das gilt für mich auch bei Konflikten in unserer Kirche, zum Beispiel wenn es um den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen oder Homosexuellen geht. In dieser Perspektive gilt auch: Ihr seid nicht Deutsche und Zugewanderte, sondern ihr seid Menschen. Menschen, die fast alle nicht im Krieg, sondern im Frieden leben wollen, die sich ein gutes Leben für ihre Kinder und Enkel wünschen. Das verbindet uns viel mehr als uns kulturelle oder religiöse Unterschiede trennen. Dies habe ich auch durch die Beschäftigung mit der Lebensgeschichte von Pater Alfons Spix für mein Leben und Handeln als Christ gelernt.

Diefenbach: Spix war ein weitsichtiger Mann

Pater Alfons Spix hat schon zu Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland Ungemach auf das Land und den Orden zukommen sehen. „Er war ein weitsichtiger Mann“, sagt der Theologe Stefan Diefenbach, der sich im Rahmen seiner Abschlussarbeit intensiv mit dem Leben Spix' auseinandergesetzt hat. Schon früh habe Spix der Ordensleitung ans Herz gelegt, den Ordensnachwuchs nach Argentinien in Sicherheit zu bringen. Der Pater konnte sich laut Diefenbach jedoch mit seinem Vorschlag nicht durchsetzen. Die Folgen waren dramatisch. „Gut die Hälfte der jungen Patres oder der Bewerber sind im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen“, sagt Diefenbach. Dabei habe es sich um 20 bis 25 junge Männer gehandelt. „Sie hätten gerettet werden können“, wenn man Spix Bitte gefolgt wäre, meint der Theologe. Das Grab des Märtyrers auf Arnstein enthält Diefenbach zufolge eine Urne. „Die Urne enthält Asche, aber sicher nicht seine“, sagt Diefenbach. Nach seinem Tod im Konzentrationslager Dachau sei Pater Alfons Spix im dortigen Krematorium eingeäschert worden. Als das Provinzialat um die sterblichen Überreste des Paters für eine Bestattung auf Arnstein gebeten habe, sei von den Nazis die nächstbeste Asche aus dem Krematorium in die Urne gefüllt worden. Dennoch habe sich die Ordensleitung damals dafür entschieden, ein Begräbnis mit Requiem für Spix durchzuführen. Die Grabstätte auf Arnstein sei kein eigentliches Grab des Paters, aber eine Gedenkstätte, „denn dort ist in jedem Fall ein Opfer des Nationalsozialismus beerdigt“, sagt Stefan Diefenbach. crz

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