Allein im Segelboot über den Atlantik: Koblenzer Dwersteg will sich Traum erfüllen

Sanft gleitet das Boot durch das Wasser. Der Blick geht zum Mast und zu den Segeln, die ideal im Wind stehen. Es weht eine ordentliche Brise, das Schiff macht gute Fahrt. Die wärmenden Sonnenstrahlen tun ihr Übriges, um für einen perfekten Tag zu sorgen. In Momenten wie diesen fühlt sich Guido Dwersteg eins mit der Natur und den Elementen, draußen auf der schier unendlichen Weite des Meeres bietet sich auch die Gelegenheit, um ein bisschen den Gedanken nachzuhängen.

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Das mag romantisch klingen, macht aber für den 42-Jährigen ein Stück weit die Faszination des Segelns aus. Mehr noch: Es ist inzwischen eine Leidenschaft, die ihn seit Jahren fasziniert und mit der Zeit einen großen Traum hat reifen lassen. Ende des Jahres wird der Koblenzer in einem Zehn-Meter-Boot den Atlantik überqueren. Allein – oder „Einhand“, wie es im Fachjargon heißt.

Dann geht es von Lissabon über Madeira und die Kanarischen Inseln nach Süden bis hin zu den Kapverden – und dann immer in Richtung Westen bis in die Karibik. Rund 3500 Seemeilen (etwa 6300 Kilometer) umfasst die Strecke, ein Abenteuer und eine Herausforderung gleichermaßen.

„Ich wollte schon immer etwas von der Welt sehen“, erzählt Dwersteg, der Anfang der 90er-Jahre auch schon mit ein paar Kumpels auf dem Motorrad quer durch die Sahara gefahren ist. Statt zwei Rädern ist nun die „Carpe Diem“ sein Gefährt, das ihn sicher über den Großen Teich bringen soll. Und: Mit seiner Reiselust will der Selbstständige ganz nebenbei auch Gutes tun. In Zusammenarbeit mit unserer Zeitung und dem Verein HELFT UNS LEBEN wird die Reise mit einer Spendenaktion für ein Projekt in der Sahel-Zone in Afrika unterstützt (siehe nebenstehenden Artikel).

Akribische Vorbereitungen

Angefangen hat der große Traum mit einem kleinen Buch, das ihm seine Lebensgefährtin geschenkt hatte. Dwersteg war bereits durch Törns mit Freunden auf dem Ijsselmeer auf den Geschmack gekommen, ehe ihn die Geschichte eines gewissen Johannes Erdmann fesselte. Der hatte sich 2005 in jugendlicher Unbekümmertheit nach dem Abitur ein Boot bei ebay ersteigert – sich anschließend kurzerhand auf den Weg über den Atlantik gemacht und später seine Erfahrungen in einem ebenso spannend wie authentisch erzählten Bericht festgehalten. Die Neugier des Koblenzers war geweckt, in zahlreichen Kursen bildete er sich in nahezu allen Bereichen des Segelns fort, erwarb etliche Patente. Es folgten Touren im Mittelmeer, der Ostsee sowie rund um die Kanaren, ehe die Idee von der Atlantiküberquerung Gestalt annahm. „Ich habe natürlich viel Respekt, ab und an auch ein mulmiges Gefühl“, räumt Dwersteg ein. Damit das Projekt kein Himmelfahrtskommando wird, hat er sich mehr als ein halbes Jahr lang akribisch vorbereitet, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Da ging einiges an Ersparnissen drauf

Einiges an Ersparnissen ist für die entsprechende Ausrüstung draufgegangen. Segel und Leinen gibt’s doppelt und dreifach, auch die Technik ist entsprechend erweitert. Unter anderem wurde die „Carpe Diem“ mit einem GPS-Ortungssystem ausgerüstet, das dem Radar ähnelt und anzeigt, ob sich andere Schiffe auf Kollisionskurs befinden. Die Elektronik wurde zudem um eine Seenotfunkbake erweitert, die im Notfall ein Signal an eine Leitzentrale in Bremerhaven sendet, um möglichst schnell gefunden werden zu können. Hilfreich ist auch der eigens installierte Windpilot, der quasi als Autopilot fungiert. Und nicht zuletzt hat Dwersteg ein Satellitentelefon an Bord.

Begonnen hat die Tour im Frühjahr mit der Überführung der „Carpe Diem“ von ihrem Winterquartier auf Fehmarn durch den Nord-Ostsee-Kanal bis ins Ijsselmeer, wo auf einer Werft in Lemmer noch letzte Arbeiten für die große Reise durchgeführt wurden. Weiter ging es durch den Ärmelkanal bis zum Zwischenstopp nach Brest im äußersten Westen Frankreichs. Von dort dauerte die Nonstop-Passage durch die Biskaya fünf Tage, als Ziel bot sich La Coruna an. Die nächste Etappe führt im Oktober entlang der spanischen und portugiesischen Küste bis nach Madeira. Als weitere Orientierungspunkte dienen weiter südlich die Kanarischen Inseln – dem eigentlichen Ausgangspunkt der Atlantiküberquerung – und die Kapverdischen Inseln vor der Küste von Senegal. Auf dem 16. Breitengrad geht es dann immer in Richtung Westen – unterstützt vom Nordost-Passat. Dieser tropische Wind gilt als mäßig und beständig, die sogenannte Barfußroute ist eine beliebte Passage unter Seglern. Auf der anderen Seite des Atlantiks wird noch Barbados passiert – ehe die Karibik-Insel St. Lucia das Ziel der Träume ist.

Wenig Schlaf auf hoher See

Trotz aller Planungen bleiben viele Unwägbarkeiten. Natürlich ist das Wetter Thema Nummer eins. Die Erfahrungen zahlreicher Atlantik-Passagen lehren, dass bei Dwerstegs gewählter Route in dieser Jahreszeit keine Stürme zu erwarten sind. Obendrein gelten die dortigen Passatwinde als beständig. Nicht zu unterschätzen ist der Schlafmangel. Mehr als 30 bis 45 Minuten am Stück sind nicht drin, bei aller technischen Unterstützung muss ständig der Kurs überprüft und Ausschau nach anderen Schiffen gehalten werden. „Natürlich kann es zwischendurch auch Längen geben“, ahnt der Koblenzer, der gleichwohl ausreichend Beschäftigung haben wird. Navigieren und die entsprechenden Manöver prägen den Tagesablauf ebenso, wie das Logbuch zu führen und Erlebnisse auf Video zu dokumentieren.

Und klar, selbst ist der Mann – zwischendurch wird unter Deck auch gekocht. Auf aufwendige Mahlzeiten muss während der Überfahrt zwar verzichtet werden, dafür gibt’s aber nahrhafte Fertiggerichte. Spaghetti Bolognese aus der Tüte (die durchaus schmecken), Risotto und Dosenbrot stehen ebenso auf dem Speiseplan wie ein Hamburger aus der Dose, der im Wasserbad erhitzt wird (was bereits in einem Feldversuch getestet wurde). Weitaus bekömmlicher ist allerdings die Belohnung, die am Ziel in der Karibik wartet: ein kühles Bier.

Sven Sabock