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Rheinland-Pfalz/Brüssel

Wie die EU unser Leben täglich beeinflusst: Millionen-Fördergeld von Brüssel nach Rheinland-Pfalz

Stellen Sie sich vor, die EU wäre ein Auto: Brüssel wäre dann wohl der Bordcomputer, das Navigationssystem für den richtigen Weg. Deutschland und Frankreich wären gemeinsam der Motor. Und die anderen Mitgliedstaaten wären all die größeren und kleinen Leitungen, Rädchen, Riemen und Ventile, die verantwortlich dafür sind, dass der Wagen ohne Probleme funktioniert.

Lesezeit: 6 Minuten
Solange das Auto fährt, denkt man nicht darüber nach, wann es das nächste Mal zum TÜV muss. Aber was ist, wenn es im Getriebe rappelt, wenn die Kupplung blockiert oder wenn das Auto nicht mehr anspringt? Am 25. März 1957 unterschrieben Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten die Römischen Verträge – ...
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Unsere Serie: Europa vor Ort

Gurken dürfen nicht mehr krumm sein, und im Restaurant sind keine offenen Olivenölkännchen erlaubt – viele Menschen sehen in der EU mittlerweile ein Bürokratiemonster, das unsinnige und wirklichkeitsfremde Gesetze erlässt. Dabei beeinflusst Europa den Alltag der Menschen mehr, als häufig angenommen wird.

Rheinland-Pfalz ist in Brüssel auf unterschiedliche Arten vertreten: durch die gewählten Europa-Abgeordneten, durch die Landesvertretung oder durch den Ausschuss der Regionen. In einer dreiteiligen Serie stellt unsere Zeitung diese Bürgervertretungen vor und gibt einen Überblick darüber, wie „Europa vor Ort“ in Rheinland-Pfalz wirkt.

1. Oose Lade: EU bringt den Dorfladen zurück

In dem kleinen Örtchen Greimersburg im Landkreis Cochem-Zell leben weniger als 700 Einwohner, doch seit 2011 können diese wieder in einem kleinen Laden in ihrem Dorf einkaufen. Auf Initiative der Dorfgemeinschaft wurde Oose Lade gegründet. Hier können die Dorfbewohner neben Lebensmitteln auch Briefmarken kaufen oder in dem angrenzenden Café zusammensitzen.

Um den Dorfladen realisieren zu können, unterstützte die Dorfladenagentur M.Punkt-RLP die Dorfgemeinschaft mit einer Machbarkeitsanalyse und stand Oose Lade bis zur Eröffnung beratend zur Seite. Die Arbeit der Dorfladenagentur wurde mit rund 92.000 Euro durch den Europäischen Sozialfonds (EFS) unterstützt. Bürgermeister Hans-Werner Junglas freut sich seitdem jeden Tag über den Laden: „Das ist unheimlich wichtig, da gerade so etwas das Dorfleben und den Zusammenhalt im Dorf enorm stärkt. Der Dorfladen ist unser Treffpunkt und zugleich unser Kommunikationspunkt.”

2. Terroir Moselle: Weinbau über Grenzen hinweg

Terroir Moselle ist ein gemeinsames Projekt von Winzer- und Tourismusverbänden entlang des Moseltals. Das Ziel ist es, die Weinbaugebiete von Frankreich, Luxemburg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz zu vernetzen und eine überregionale Zusammenarbeit zu ermöglichen. 2011 wurde das Projekt ins Leben gerufen und umfasst insgesamt Kosten in Höhe von 250.000 Euro.

51 Prozent davon wurden von der deutschen Seite getragen, die wiederum mit rund 61.000 Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (Leader) gefördert wurden. „Meine Stelle wurde dadurch geschaffen“, erzählt die Geschäftsführerin von Terroir Moselle, Ségolène Charvet. „Es ist aber auch wirklich ein Wirgefühl entstanden unter den Winzern. Jetzt machen sie gemeinsame Verkostungen oder besuchen zusammen eine Messe. Man sieht nicht mehr nur sein Gebiet an der Mosel, sondern man sieht es als Ganzes“, erklärt sie.

3. Moselsteig: Zu Fuß im Dreiländereck

365 Kilometer. für jeden Tag im Jahr einen Kilometer Moselsteig. Vom Dreiländereck aus, in Perl, startet der Wanderer seine Tour, die ihn bis nach Koblenz bringt. Der Moselsteig erschließt damit den gesamten deutschen Teil der Mosel.

2009 wurde mit der Planung begonnen, 2014 wurde er schließlich eröffnet. Der Moselsteig soll Rheinland-Pfalz als Wanderland im deutschen Mittelgebirge etablieren. Die Projektkosten liegen bei rund 610.000 Euro, die zu gleichen Teilen vom Land und vom Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) getragen wurden. Mit dem Geld wurden teils ganz neue Wanderwege angelegt, teils aber auch Schilder entlang der schon bestehenden Wege aufgestellt. Außerdem konnten Picknicktische und Bänke am Wegrand aufgebaut werden. „Ohne die Förderung wäre das Projekt in dieser Größenordnung nicht möglich gewesen“, erklärt Thomas Kalff, stellvertretender Geschäftsführer der Mosellandtouristik.

4. Europäische Rechtsakademie: EU-Recht büffeln in Trier

Die Europäische Rechtsakademie (ERA) wurde 1992 auf Initiative des Europäischen Parlaments in Trier gegründet. Der Standort wurde deshalb ausgewählt, weil Trier zum einen in der Nähe des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg liegt und zum anderen, weil es zwischen den Europastädten Straßburg und Brüssel liegt, erklärt Simone Thiel, Pressesprecherin der ERA.

Die ERA bietet Anwälten und Beamten Fortbildungen, Expertenkolloquien und Tagungen für europäisches Recht an. Diese dauern zwischen zwei und sieben Tagen. 2015 fanden insgesamt 157 Fortbildungsveranstaltungen mit rund 7000 Juristen aus 54 Ländern statt. Die ERA beschäftigt in Trier 70 Mitarbeiter. Insgesamt wird sie von der EU jährlich mit 2,45 Millionen Euro aus dem Erasmus-Plus-Programm unterstützt.

5. Erasmus Plus: Als Student in Europa lernen

Im Ausland zu studieren, gehört mittlerweile zu einer Uni-Karriere genauso dazu, wie Klausuren zu schreiben oder in der Mensa zu essen. Doch wie finanziert sich ein Student so einen Auslandsaufenthalt? Die EU fördert unter anderem mit dem Erasmus-Programm Studienaufenthalte im EU-Ausland. Bis zu 500 Euro bekommt ein Student pro Monat, je nach Land.

Meena Morbach aus Mainz gehörte zu den Glücklichen, die über das Erasmus-Programm nach Clermont-Ferrand in Frankreich gehen konnten. Sie schwärmt bis heute davon, wie sehr sie von dem Programm und dem Auslandssemester profitiert hat: „Ich habe damals Französisch studiert und bin jetzt Lehrerin für Französisch“, erzählt sie. Insgesamt konnten über das Stipendienprogramm 2095 Rheinland-Pfälzer in den Jahren 2013 und 2014 ins EU-Ausland gehen. 1241 Studenten konnten wiederum mithilfe des Erasmus-Programms nach Rheinland-Pfalz kommen.

6. Food Hotel: Arbeitsplätze für Neuwied

2010 eröffnete das Food Hotel in Neuwied als Europas erstes Supermarkthotel – also als ein Hotel, das sich voll und ganz dem Thema Supermarkt verschrieben hat und diese Idee beispielsweise in der Einrichtung aufnimmt. Angesiedelt in unmittelbarer Nähe zur Bundesfachschule des Lebensmittelhandels, sollen Lehrgangsteilnehmer im Food Hotel geeignete Zimmer finden.

Aber auch normale Touristen können hier übernachten: Mit jährlich nahezu 23.000 Reservierungen hat das Haus einen großen Anteil an der wachsenden touristischen Entwicklung der Stadt. Die Übernachtungszahlen schossen wenige Wochen nach Eröffnung des Hotels um 50 Prozent in die Höhe. Das Haus wurde mit etwa 670.000 Euro aus dem europäischen Fonds EFRE bezuschusst. Rund 40 Arbeitsplätze wurden damit geschaffen. „Ohne diese Fördermittel wäre das Hotel wahrscheinlich nicht so schnell so erfolgreich gewesen“, sagt Geschäftsführer Thorsten Fuchs.

7. SKA Plus: Unterstützung für Auszubildende

Laut Statistiken bricht in Deutschland jeder Vierte seine Ausbildung ab. Um das zu verhindern, unterstützt das Projekt SKA Plus junge Erwachsene während ihrer dualen Ausbildung. Die Idee dahinter: Das Projekt soll Auszubildenden in verschiedenen Trainingseinheiten soziale Kompetenzen näherbringen.

In Workshops lernen die Azubis beispielsweise den Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz, wie sie sich gegen sexuelle oder rassistische Diskriminierung wehren können oder wie Stress am besten umgangen werden kann. Das Projekt läuft seit 2011 und hat in fünf Jahren Laufzeit bisher 8557 Azubis an insgesamt 32 berufsbildenden Schulen in ganz Rheinland-Pfalz erreicht. Das Tolle daran: Es kostet die Schulen nichts. Denn das Projekt wird von der EU gefördert. Dieses Jahr beträgt der Zuschuss knapp 140.000 Euro. „Ohne eine EU-Förderung würde es das Projekt vermutlich nicht geben“, sagt Projektkoordinator Rainald König.

8. Hof Hagdorn: Lernen auf dem Bauernhof

Der Biobauernhof Hagdorn der Familie Euteneuer liegt ganz im Norden von Rheinland-Pfalz, bei Betzdorf im Westerwald. Der Hof ist aber mehr als ein landwirtschaftlicher Betrieb – seit zehn Jahren bietet Familie Euteneuer Kindern an, ihren Bauernhof kennenzulernen.

Der „Lernort Bauernhof“ – ein Projekt der EU, an dem insgesamt 65 Höfe teilnehmen – gibt Schülern Einblicke in einen landwirtschaftlichen Betrieb. Maik Euteneuer, der gemeinsam mit seinen Eltern den Hof Hagdorn leitet, erklärt: „Es kommen Schulklassen zu uns, die helfen dann im Stall mit, beim Füttern der Tiere oder wir pflanzen mit ihnen gemeinsam auf dem Feld Gemüse an.“ Dafür bekommt der Hof für insgesamt acht Gruppen im Jahr jeweils 150 Euro EU-Zuschuss. 2016 wurde dem Hof zudem ein zusätzlicher EU-Zuschuss gewährt, sodass die Familie einen neuen Stall für 100 Rinder und 120 Schweine bauen konnte.
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