Bad Kreuznach

Pulver-Kurt bricht vor Urteil zusammen

Pulver-Kurt bricht vor der Urteilsverkündung zusammen und wird in ein Krankenhaus gebracht.
Pulver-Kurt bricht vor der Urteilsverkündung zusammen und wird in ein Krankenhaus gebracht. Foto: Sine Weisenberger

Die Urteilsverkündung gegen den als Pulver-Kurt bekannten Waffennarr und Militariasammler Kurt N. aus Hundsbach ist geplatzt: Der 64-Jährige war kurz vor der Urteilsverkündung zusammengebrochen und in ein Krankenhaus gebracht worden. Zuvor hatte die Anklage vier Jahre Haft ohne Bewährung gefordert – zu viel für den Mann.

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Bad Kreuznach – Die Urteilsverkündung gegen den als Pulver-Kurt bekannten Waffennarr und Militariasammler Kurt N. aus Hundsbach ist geplatzt: Der 64-Jährige war kurz vor der Urteilsverkündung zusammengebrochen und in ein Krankenhaus gebracht worden. Zuvor hatte die Anklage vier Jahre Haft ohne Bewährung gefordert – zu viel für den Mann.

Mittwoch, 9.30 Uhr: Die Verhandlung vor der 2. Großen Strafkammer des Kreuznacher Landgerichts beginnt mit halbstündiger Verspätung, weil Verteidiger Dr. Ulrich Stange sich in der Uhrzeit geirrt hat. Christel Bäcker aus Becherbach tritt als Zeugin auf. Ihr gehört die Scheune, in der Kurt N. Unmengen an Waffen und Sprengstoffen gehortet hatte. Bäcker wollte „eigentlich mit dem Ganzen nichts mehr zu tun haben“. Sie sagt doch aus, denn „ich bin das meinem Ort schuldig“. Pulver-Kurt hatte schließlich, berichtet die Altenpflegehelferin, „alles bewusst nach Becherbach und uns in Gefahr gebracht“.

Der Prozess gegen den als Pulver-Kurt bundesweit bekannt gewordenen Militariasammler Kurt N. aus Hundsbach hat am 25.07.2012 vor dem Landgericht Bad Kreuznach begonnen.

Benjamin Stoess

... und endete gleich mit einer Überraschung: Ein psychologisches Gutachten soll in den nächsten Wochen klären, ob der 64-jährige Angeklagte an Objektophilie leidet, einer wahnhaften Sucht, bestimmte Gegenstände besitzen zu wollen.

Benjamin Stoess

Damit folgte das Landgericht einem Antrag von Verteidiger Dr. Ulrich Stange.

Benjamin Stoess

Kurt N. hat zu Hause in Hundsbach und in einer Becherbacher Scheune ein großes Waffenarsenal angehäuft, das im Januar 2011 von der Polizei ausgehoben wurde. Damals musste Becherbach evakuiert werden.

Benjamin Stoess

Staatsanwältin Annette Boeckl wirft Kurt N. in der Anklage vor, ohne die erforderlichen Berechtigungen nach dem Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz viele Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Gewehre, Pistolen und Revolver, Waffenteile, Handgranaten, zahlreiche teilweise mit TNT und anderen Substanzen selbst gefertigte Sprengkörper, eine Antipersonenmine, eine große Menge panzerbrechende Munition und weit über 100 Kilo verschiedene Sprengstoffe sowie Pyrotechnik unterschiedlichster Art und Herkunft besessen und gelagert zu haben.

Benjamin Stoess

Rentner Pulver-Kurt macht vor dem Landgericht einen angegriffenen Eindruck. Nur selten huscht ein leichtes Lächeln über sein Gesicht. Anwalt Stange nimmt seinen Mandanten in Schutz: „Er hat noch nie so im Interesse gestanden. Das ist nicht ganz einfach.“ Der frühere Werkzeugmachermeister habe gesundheitliche Schwierigkeiten.

Benjamin Stoess

Ulrich Stange beschreibt Kurt N. als „angesehenen Bürger“. „Er lebt in geordneten Verhältnissen.“ Seine Arbeit bei der Firma Hay in Bad Sobernheim musste er aufgeben, „weil mir die Lehrlinge so zugesetzt haben“. Pulver-Kurt legt nämlich großen Wert auf Verlässlichkeit,

Benjamin Stoess

Mit Waffen kam er frühzeitig in Berührung: „Bei uns im Ort hat überall das Zeug rumgelegen. In jedem Haus stand der Karabiner. Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.“ Der Vorsitzende Richter, Dr. Bruno Kremer, fragt: „Warum haben Sie so viele Waffen?“

Benjamin Stoess

Pulver-Kurt berichtet: „Viele Leute hatten Waffen, die sie loswerden wollten. 1969/70 ging's los, und so ging es immer weiter.“ Und noch eins will Pulver-Kurt klarstellen: Er möchte nicht in die „rechte Ecke“ gerückt werden. Dass in seinem Wohnhaus eine Hakenkreuzfahne sichergestellt wurde – damit habe er nichts zu tun.

Benjamin Stoess

Wieso er große Mengen Waffen und Sprengstoffe in der Scheune in Becherbach lagerte, will Dr. Kremer wissen. Kurt N. antwortet kurz und knapp: „Ich wollte das Zeug nicht bei mir zu Hause haben.“ Über die Gefährlichkeit gaben Experten der Polizei Auskunft: „Es hätte in einer Katastrophe enden können.“

Benjamin Stoess

Dass der Hundsbacher Rentner in ihrer Scheune Waffen und Sprengstoffe lagerte, wusste sie nicht, beteuert Christel Bäcker: „Das ist nicht meine Welt.“ Als dort im Jahr 2010 Installationen für eine Fotovoltaikanlage eingebaut wurden, war auch die Becherbacherin in der Scheune. „Aber Sprengstoff habe ich nicht gesehen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass so etwas Gefährliches hier drin wäre.“
Erinnerung an die Evakuierung von Becherbach im Januar 2011 werden wach. Die Einwohner mussten ihre Häuser verlassen, weil Teile des Sprengstoffes nahe des Dorfes kontrolliert zur Explosion gebracht wurden. Pulver-Kurt ist vor dem Landgericht davon überzeugt: „Das hätte man geringfügiger über die Bühne bringen können: Den Sprengstoff auf fünf Häufchen verteilen und dann einfach anstecken.“

Becherbach musste zum Abtransport der Waffen und des Sprengstoffs evakuiert werden. Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes setzten Roboter ein.

dpa

Ein Bild, das alles sagt: Becherbach nach dem Fund von Sprengstoff bei „Pulver-Kurt“.

dpa

Becherbach musste zum Abtransport der Waffen und des Sprengstoffs evakuiert werden.

Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

dpa

Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

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Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

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Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

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Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

dpa

Sprengstoffexperten des Bundeskriminalamtes, Rettungskräfte und Feuerwehr stehen am Samstag in Becherbach in Position.

dpa

Staatsanwältin Annette Boeckl will wissen, wieso Kurt N. sich nicht früher selbst um die Entsorgung gekümmert hat. Waffen und Sprengstoffe, erzählt der Rentner, sollten erst nach seinem Ableben von Angehörigen abgegeben werden. Dies wollte er testamentarisch regeln.
Verteidiger Stange hatte in der ersten Verhandlung vermutet, sein Mandant leide möglicherweise an Objektophilie, einer wahnhaften Sucht, bestimmte Gegenstände besitzen zu wollen. Der Vorsitzende Richter, Dr. Bruno Kremer, bestellte daraufhin die Chefärztin der Rheinhessen-Fachklinik zur Gutachterin. Dr. Agnes Karbs Urteil: Kurt N. ist durchgängig bewusstseinsklar und sehr intelligent. Der 64-jährige Technikbegeisterte hat einen IQ von 130. Für einen Wahn gibt es laut Karb keine Anhaltspunkte. Das sieht Anwalt Stange anders: „Es drängt sich doch auf, dass etwas Zwanghaftes dahintersteckt.“
Laut Chefärztin Karb treibt Pulver-Kurt die Aussicht auf eine Haftstrafe um. Gegenüber einem LKA-Waffengutachter soll der 64-Jährige angekündigt haben: „Wenn ich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werde, dann suche ich mir den nächsten Ast.“

Auf dem Truppenübungsplatz in Baumholder wurde das Waffenarsenal von „Pulver-Kurt“ präsentiert. Ein ganzes Dorf war deswegen evakuiert worden.

Klaus Dietrich

Der Waffenfund wurde nach vorsichtigen Transport und grünem Licht durch Experten in Baumholder der Öffentlichkeit präsentiert.

Klaus Dietrich

Der Waffenfund wurde nach vorsichtigem Transport und grünem Licht durch Experten in Baumholder der Öffentlichkeit präsentiert.

Klaus Dietrich

Der Waffenfund wurde nach vorsichtigem Transport und grünem Licht durch Experten in Baumholder der Öffentlichkeit präsentiert.

Klaus Dietrich

Es handelte sich um die größte bekannt gewordene illegale Waffensammlung einer Privatperson in Deutschland.

Klaus Dietrich

Selbst Experten kamen aus dem Staunen nicht heraus.

Klaus Dietrich

Der Waffenfund wurde nach vorsichtigem Transport und grünem Licht durch Experten in Baumholder der Öffentlichkeit präsentiert.

Klaus Dietrich

Massen an Munition...

Klaus Dietrich

Staatsanwältin Annette Boeckl rückt in ihrem Plädoyer die „gigantischen Mengen an illegalen Waffen“ ins Bewusstsein. Boeckl fragte auch: Wer zahlt den ganzen Aufwand für Bergung und Evakuierung? Die Staatsanwältin spricht auch von massiver Rufschädigung von Schützenvereinen und Reservistenverbänden durch Pulver-Kurts Verhalten. Boeckl fordert vier Jahre Haft ohne Bewährung.
Ulrich Stange plädiert für Milde. Sein Mandant sei ein unbescholtener und angesehener Bürger. Nach Ansicht des Verteidiger sind zwei Jahre Haft auf Bewährung angemessen. Unter Tränen bittet Pulver-Kurt stammelnd um Entschuldigung: „Es tut mir sehr leid.“ Das Gericht zieht sich zur Urteilsberatung und Pulver-Kurt in einen Nebenraum zurück. Dort bricht er zusammen. Er wird in ein Krankenhaus gebracht. Die Aufregung und die Strafforderung der Anklage seien zu viel gewesen, sagt sein Anwalt. Daraufhin verschiebt das Gericht die Urteilsverkündung auf Dienstag, 21. August, 9 Uhr.

Klaus Dietrich