Mein Koffer verirrt sich nie

Von Nicole Mieding
Schlaues Gepäck: Der Trolley von Horizn Studios hat GPS und Strom an Bord.
Schlaues Gepäck: Der Trolley von Horizn Studios hat GPS und Strom an Bord. Foto: Hersteller

Ein Koffer, der nicht verloren geht und auf Wunsch auch gleich ein Hotelzimmer bucht? Klingt nach Zukunft, gibt's aber schon.

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Im Zeitalter des Immerunterwegsseins hat sich die Berliner Firma Horizn Studios des Themas angenommen und „beträchtliche Innovationslücken“ bei der Gepäckindustrie festgestellt. Ihre Lösung: ein Cabin Trolley (hieß früher Bordcase oder Handgepäck, was meint, dass der kleine Koffer im Flieger mit in die Kabine darf). Neu sind das integrierte Ladegerät und die GPS-Funktion. Das heißt dann Smart Travelling, also Internet-gestütztes Reisen, und ist angeblich ein Must-have, also etwas, das Leute, die viel unterwegs sind, zwingend brauchen.

Äußerlichkeiten: Anstelle der Hartschalenvariante teste ich das (teurere) Soft Case. Ein dehnbares Äußeres ist beim Packen oft entscheidend. Zudem bestehe ich auf eine Außentasche für den schnellen Zugriff auf Zeitung, Regenschirm oder iPad. Die matt dunkelblaue Außenhülle aus deutschem Polycarbonat sieht edel aus, die Applikation aus italienischem Leder tut ihr Übriges. Der goldene Reißverschluss müsste dagegen nicht sein, passt aber gut zur entsprechenden Uhr oder Goldknöpfen am marineblauen Zweireiher.

Der digitale Butler („Personal Travel Assistant“) steht derzeit nicht zur Verfügung. Schade, aber für den anstehenden Trip nicht weiter schlimm: Ich weiß wohin, ein Bett wartet dort schon. Um die Sicherheits- und Trackingfunktion muss ich mich vor Reiseantritt erst kümmern. Technik ist nur schlau, wenn ein Mensch sie ausreichend mit Informationen füttert. Damit mein Koffer weiß, wem er gehört, gebe ich übers Internet meine Daten ein – so dass er mich notfalls erreichen kann. Die Anweisungen zur GPS-Installation sind auf Englisch und arg spärlich. Ich klicke ein paar Funktionen an. Den Alarm etwa, mit dem der GPS-Sender vor geringem Batterieladestand warnt. Den Aufenthaltsradius meines Koffers beschränke ich lieber nicht. Er schlägt sonst Alarm, wenn wir uns voneinander entfernen. Also sobald ich im Zug mal aufs Klo muss.

Das Innenleben des Trolleys ist schlicht und praktisch. Die Kofferhälften lassen sich getrennt bestücken, was gut ist. Ein Netz verhindert, dass alles durcheinanderpurzelt. Die schmale Innentasche fasst Kleinteile wie Schmuck oder Ladekabel und bringt einen Schuhbeutel mit. Praktisch. Das lose Zubehör lässt rätseln: Ein netzbespanntes Gestänge, dessen Reisverschlüsse sich leider nicht rundherum öffnen lassen. Was den Versuch, ein auf Format gefaltetes Hemd reinzufummeln, zu einer kniffligen Sache macht. Der enge Rahmen lässt kaum Spielraum. Wer es knitterfrei schafft, holt Oberhemd, Bluse oder Seidenkrawatten ohne weitere Falten wieder raus. Mit zwei Hosenträgergurten auf dem Klamottenstapel festgezurrt, hält das Ding alles dort, wo man es hingelegt hat.

Die Rollen: Der japanische Beitrag zum Globalisierungsprojekt (Designer aus New York, Florenz, Paris und Marrakesch, zusammengebaut in China) überzeugt nicht so ganz. Ja, die Hinomoto 360 Grad Spinner Wheels sind stoßfest, wendig und geländegängig, selbst über Bordsteinkanten und Kopfsteinpflaster hinweg. Geräuschloses Gleiten bleibt aber ein Werbeversprechen: Auf Asphalt klingen die Rollen wie meine allerersten Rollschuhe. Die hatten noch Hartgummirollen. Ein Lärm, der jedem, der sein Gepäck hinter sich herzieht, einiges an Würde nimmt. So wird der Trolleybesitzer unerwünscht zum Hingucker, mitunter auch zum Hassobjekt. In vollendeter Eleganz reisen lässt es sich so nicht. Stilbewusste Jetsetter leisten sich dafür einen Kofferträger.

Dank Akku mit doppeltem USB-Anschluss ist der Trolley ein Kleinkraftwerk auf Rädern. Zwei Tage Messe halten Handy und iPad damit lässig durch, ohne dass man auf Steckdosensuche gehen muss. Eine Powerbank in der Tasche erfüllt den Zweck freilich auch. Nur hat hier alles seinen festen Platz, ohne dass man lang suchen muss. Der Blick auf die App zeigt: Das Tracking verfolgt jeden Schritt. Verwechselt oder gestohlen wurde mein Koffer nicht, Orten erübrigt sich. Genutzt habe ich die GPS-Funktion – anders als Zahlenschloss und Stromanschluss – also nicht. Aber zu wissen, dass es sie gibt, macht entspannt.

Nicole Mieding testet auf Alltagstauglichkeit, was unser Leben bequemer, gesünder oder schöner machen soll. Alle bisherigen Folgen unter www.ku-rz.de/ausprobiert