Evritanien

Wo die Griechen voller Hoffnung sind

Der Blick auf das griechische Kloster Proussos, das sich eng an die Felsen schmiegt, ist bei Touristen ein beliebtes Fotomotiv. Der Weg dorthin führt über eine enge Gebirgsstraße.
Der Blick auf das griechische Kloster Proussos, das sich eng an die Felsen schmiegt, ist bei Touristen ein beliebtes Fotomotiv. Der Weg dorthin führt über eine enge Gebirgsstraße. Foto: mp

Rund im Karpenisi – weit weg von Athen – kommen Naturliebhaber und Wanderfreunde voll auf ihre Kosten. Unser Redakteur Marcelo Peerenboom hat sich auch auf den Weg gemacht und dabei wahre Naturschönheiten entdeckt.

Lesezeit: 5 Minuten
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Von unserem Redakteur Marcelo Peerenboom

Die Straße ist ein wenig holprig; immer wieder rumpelt der Kleinbus über Felsstücke, die herabgefallen sind. Doch Giorgos, den Fahrer, bringt das nicht aus der Ruhe. Er kennt die Strecke und weiß: Es lohnt sich, die kleinen Unannehmlichkeiten zu ertragen. Denn dieser Weg führt zu einem ganz speziellen Ort. Und dann, plötzlich, sieht man es: das Gebäudeensemble, das sich eng an den Felsen schmiegt. Das ist es also, das ehrwürdige Kloster Proussos.

Im Innenhof stehen sie da wie Dorffrauen, die gerade den neusten Klatsch austauschen: die Mönche, die die Besuchergruppe schon erwarten. Mit ihren langen schwarzen Gewändern, den grauen Rauschebärten und der runden, schwarzen Kopfbedeckung flößen sie ein wenig Respekt ein. Darf man sie wohl ansprechen? Und ob: Der Mönch mit dem Namen Varsanousios erzählt nur zu gern über diesen heiligen Ort, kramt all seine Englischkenntnisse hervor und gerät regelrecht ins Plaudern.

Bis zu 150 000 Pilger besuchen jährlich dieses Kloster, das als das viertälteste der Welt gilt. Alle wollen die Ikone der Jungfrau Maria (Panagia tis Prousiotissas) sehen und küssen. Es heißt, die Ikone sei auf wundersame Weise aus Proussa (Bursa) in Kleinasien hierhergekommen. Mönch Varsanousios zeigt sie gern. Und er berichtet, dass er vor seinem Mönchsleben Geschäftsmann war und sich vor rund zehn Jahren seinen Kindheitstraum erfüllt hat: Mönch zu werden. Heute sucht er seinen Profit nicht mehr im Wirtschaftsleben, sondern im Glauben.

Dieser ungewöhnliche Wechsel ist nicht gerade typisch für die Griechen. Typisch ist aber die Veränderung in diesen Tagen der anhaltenden Wirtschaftskrise. Die 45-jährige Angela Gioldasi ist so ein Beispiel für die Aufbruchstimmung, die allenthalben in Zentralgriechenland zu spüren ist – weit weg von der Hauptstadt Athen und weit genug weg von den Außengrenzen des Landes und damit vom Flüchtlingsproblem.

Angela hat gemeinsam mit ihrem Partner all ihr Geld zusammengekratzt und alles auf eine Karte gesetzt: die Forellenzucht. Im kleinen Ort Gavros in der Region von Karpenisi hat sie große Becken bauen lassen, in denen sie die Fische züchtet. In einer Halle auf dem Gelände werden die Forellen geräuchert und verpackt. Und wer möchte, der kann sie auch in dem kleinen Bistro kosten, das sie dort ebenfalls betreibt. „Das Wasser kommt direkt vom Berg: reines Quellwasser“, berichtet die Geschäftsfrau, die nun seit vier Jahren selbstständig ist. „Es ist nicht einfach, vor allem wegen der hohen Steuern. Aber ich glaube an die Zukunft!“

So geht es auch Odisseas Gewrgiou, dem jungen Mann vom Saloon-Park, dessen ganze Leidenschaft den Pferden und dem Klettersport gilt. Im Saloon-Park hilft er Touristen aufs Pferd, die einen Austritt runter zum Fluss wagen wollen. Er unterstützt Kinder bei ihren Kletterversuchen und beaufsichtigt das Bogenschießen auf dem Gelände, das insgesamt einem kleinen Abenteuerpark gleicht. Odisseas mag nicht von Krise reden. „Weißt du“, sagt er, „Karpenisi ist ein schöner Ort, um hier geboren zu werden, hier zu leben und eine Familie zu gründen.“ So hört sich die Liebeserklärung eines jungen Griechen an seine Heimat an, die er um keinen Preis verlassen möchte.

Wer durch die Region von Evritanien fährt und wandert, der kann Odisseas verstehen. Hier ist die Luft unheimlich klar, das Wetter im Sommer nicht so heiß wie auf den griechischen Inseln, und die Landschaft ist so abwechslungsreich, dass es Spaß macht, sie gründlich zu erkunden. Mal wähnt man sich in der Schweiz, mal im Hochland auf Sri Lanka – und doch ist das alles hier Griechenland. Diese Region ist vielen Urlaubern noch völlig unbekannt, die Griechenland bislang vor allem mit Athen, Kreta oder Rhodos in Verbindung gebracht haben.

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Evritanien ist vor allem für Naturliebhaber, Mountainbiker und Wanderfreunde ein lohnenswertes Ziel. Wer Glück hat, gerät dabei an einen Wanderführer wie den 26-jährigen Anistis Tsionis, der für seine Heimat regelrecht brennt und mit Leidenschaft Gruppen begleitet. Er sieht alles, und er kennt alles: jeden Pilz, jeden Baum, jeden Berg. Auch er hat eine ungewöhnliche Veränderung durchgemacht: Eigentlich hat er Elektrotechnik studiert. Doch zwischen den Vorlesungen fand man ihn in der Bibliothek nicht etwa zwischen Werken über Halbleiter und Messtechnik, sondern bei archäologischer Fachliteratur. Und so hat er sich im Lauf der Zeit ein immenses Wissen angeeignet und kann kompetent Auskunft geben über alles, was den Wandertouristen interessieren könnte.

Wer nicht nur auf zwei Füßen unterwegs sein möchte, der sollte sich eine Raftingtour nicht entgehen lassen. Das ist ein Heidenspaß und dank der überschaubaren Strömung auch für Angsthasen machbar. Mit Schutzhelm, Schwimmweste und Neoprenanzug gut ausgerüstet, geht's im großen Schlauchboot durch eine fast schon kitschig-schöne Landschaft. Da funkelt das Wasser smaragdgrün, die Steine am Ufer glitzern weiß im Sonnenschein, die Berghänge sind saftig-grün, darüber der blaue Himmel – Urlauberherz, was willst du mehr?

Zu allem Überfluss lernt die Raftinggruppe zwei ganz wichtige Brocken Griechisch: „brosta“ (Betonung auf dem a), erklärt Bootsführer Costas, heißt vorwärts und „piso“ rückwärts. Da kann dann nichts mehr schiefgehen, wenn Costas wieder seine knappen Anweisungen ruft und alle im Boot – wenn's gut geht – in dieselbe Richtung paddeln. Doch am Ende geht es ohnehin immer nur „brosta“ – der Strömung sei dank. Na dann: Brosta, Griechenland!

Weitere Informationen unter www.discovergreece.com

„Ich hatte schon als Kind den Wunsch gehabt, Mönch zu 
werden
„Ich hatte schon als Kind den Wunsch gehabt, Mönch zu 
werden", sagt Mönch Varsanousios.
Foto: mp

Mein Reise-Tipp

Ich muss Ihnen etwas gestehen: In Griechenland ist es geschehen – da hatte ich mein erstes Mal. Mit Annette. Nein, nicht das, was Sie jetzt denken! Annette heißt das erste Pferd, das ich in meinem Leben bestiegen habe. Ja, ich habe tatsächlich einen Austritt gewagt. Bei der Reisevorbereitung hatte ich das noch kategorisch ausgeschlossen. Eine Raftingtour – meinetwegen. Aber ich auf dem Rücken eines Pferdes? Unvorstellbar.
Nun habe ich es doch getan. Natürlich erst, nachdem ich mich vom ordnungsgemäßen Zustand des Tieres überzeugt und andere Touristen befragt hatte, die gerade von ihrem Austritt zurückkehrten. Alles machte einen vertrauenswürdigen Eindruck. Also, nichts wie rauf auf Annette. Und was soll ich sagen? Es hat sogar Spaß gemacht. Ich hatte die Zügel fest im Griff, hinderte Annette – wie mir zuvor dringend empfohlen – daran, ins leckere Gras zu beißen, das rechts und links des Weges üppig wucherte.
Und dann kam dieser magische Moment: Wir durchquerten einen kleinen Fluss (ich bekam sogar nasse Fußspitzen) und wurde für meinen Mut mit einem fantastischen Blick durchs Flusstal belohnt, der mit als Wanderer verborgen geblieben wäre. Allein dafür hat es sich gelohnt, das Abenteuer Austritt zu wagen. Das gilt übrigens nicht für die Kommentare auf Facebook. Da musste ich unter meinem Foto dann so etwas lesen wie: „Und das nennst du Pferd?“, „Schlaffer Sack, sitz mal gerade“ oder „Ist das Pferd überhaupt für deine Körpergröße zugelassen?“.